Der europäische Herbst führt Sturm Graz gleich zum Auftakt auf nobles Bankett. Zu Gast im Fürstentum bei der AS Monaco sind die Steirer beim Start in die Europa-League-Gruppenphase am Donnerstag (21.00 Uhr/live Sky, ServusTV) krasser Außenseiter. Ein Grazer Hoffnungsanker: Der scheinbar übermächtige Gegner ist derzeit viel mit sich selbst beschäftigt.
An der französischen Mittelmeerküste hinkt man den eigenen Ansprüchen hinterher. Nach nur einem Sieg aus den ersten fünf Runden der Ligue 1 und der verpassten Champions League appellierte Niko Kovac zuletzt vor versammelter Presse an den Arbeitsethos seiner Truppe. "Wir müssen sofort wieder die Einstellung und Leidenschaft zeigen, die uns letztes Jahr ausgezeichnet hat." Verteidiger Axel Disasi sah sich genötigt, den Ruf der Mannschaft zu verteidigen: "Es gibt keine Parasiten in der Gruppe."
Einen stotternden Saisonstart (wie im Vorjahr) hatte der Oligarchenclub nach 13 Monaten der Ära Kovac und einer Saison des Fortschritts nicht erwartet. Der ehemalige Bayern- und Frankfurt-Trainer (und Salzburg-Co) führte den Klub im Vorjahr weit nach oben - bis auf Rang drei in der Ligue 1, nur fünf Punkte hinter Überraschungs-Meister Lille. Bis zwei Runden vor Schluss spielte man sogar um den Meistertitel mit, statt Tafelsilber gab es letztlich immerhin die Aussicht auf die Millionen-Liga.
Das Verpassen der Königsklasse war knapp und bitter
Doch dorthin, wo die Könige spielen, hat es das Team vom Fürstenhof erneut nicht geschafft. Gegen Schachtar Donezk beklagten die Franzosen im Play-off ein Aus nach Verlängerung (2:2), das besonders bitter war, weil das 2:1 nach einem 0:1 im Hinspiel vor der Abschaffung der Auswärtstorregel noch gereicht hätte. "Fußball ist seltsam, grausam und hart. Wir haben 190 Minuten von 210 dominiert", klagte Kovac, während die Zeitung "Le Monde" treffend zusammenfasste: "Monaco muss sich das zu großen Teilen selbst zuschreiben".
Der verpassten Königsklasse lag mangelnde Effizienz zugrunde, die der CL-Finalist von 2004 (0:3 gegen Porto) nahtlos in die Liga mitnahm. Wobei das nur zur Hälfte stimmt: Im Derby gegen Marseille kam die Association Sportive de Monaco Football Club zuletzt nämlich kaum zu Topchancen und offenbarte eine löchrige Abwehr. Selbst Kovac gab zu, dass man mit dem 0:2 noch gut bedient war. Und am kommenden Sonntag folgt das nächste Derby - in Nizza.
Erinnerungen an legendäres Champions-League-Jahr
Dazwischen Sturm. Zweimal haben die Klubs die Klingen gekreuzt. Im legendären CL-Jahr 2000/01 kassierte Sturm im Fürstentum eine 0:5-Klatsche, schaffte aber auch wegen eines 2:0-Heimerfolges als Gruppensieger den Aufstieg.
Seither ist vieles passiert. Noch vor einem Jahrzehnt - Sturm wurde gerade Meister - lag Monaco sportlich und finanziell am Boden. Dmitri Rybolowlew half ihm wieder auf die Beine. Der Russe, durch seinen unternehmerischen Hintergrund als "Düngemittel-König" bezeichnet, übernahm die Mehrheitsanteile beim frisch gebackenen Absteiger - für einen symbolischen Euro und die Zusage, ordentlich Geld hineinzupumpen. Die Argumente klagen überzeugend, mit einem Privatvermögen von rund 6,8 Milliarden US-Dollar gehört Rybolowlew laut dem Forbes Magazine zu den reichsten Menschen des Globus.
Seither spielen klingende Namen im kompakten Stade Louis II (18.500 Sitzplätze) vor. Aktuell stehen etwa Ex-Weltmeister Cesc Fabregas, der kaum noch spielt, Alexander Golowin und Portugals Gelson Martins auf der Payroll. Frankreichs Teamstürmer Wissam Ben Yedder und der Deutsche Kevin Volland sind Beobachtern ebenso ein Begriff, doch die ausgewiesenen Scharfschützen treffen derzeit nicht und nicht das Tor. Und hinten gab Bayern Münchens Leihgoalie Alexander Nübel - ein Wunschspieler von Kovac - bisher einen unglücklichen Einstand. Der Deutsche könnte am Donnerstag Radoslaw Majecki weichen müssen.
Was kommt ansonsten auf Sturm zu? Die "Süddeutsche Zeitung" beschrieb Monaco unter Kovac im Frühsommer so: "Überfallfußball, Lust aufs frühe Attackieren, direktes Spiel in die vorderen Reihen, ohne allzu glanzvollen Ballbesitz. Kovac hat Monaco seine Idee vom physischen Powerspiel eingeimpft, das wird immer deutlicher." Ähnliches ließe sich von Sturm Graz unter Christian Ilzer feststellen.