Mit Eleganz legt sich Darko Bodul den Ball am Torhüter vorbei, der Stürmer muss nur mehr ins leere Tor einschieben – doch im letzten Moment kratzt ein Verteidiger den Ball von der Linie! Nein, die Rede ist nicht von jener Szene in einem Heimspiel 2011 gegen Kapfenberg, die sich wohl jedem Sturm-Fan eingebrannt hat, sondern von einer nahezu identen in der Nachspielzeit der letzten Meisterschaftsrunde der weißrussischen Vysheyshaya Liha.
„Ich wollte es schön machen, weil ich so ein Spielertyp bin“, sagt Bodul. „Ich musste sofort an Kapfenberg denken, Franco Foda wollte mich da zur Halbzeit schon auswechseln, nach so vielen vergebenen Torchancen.“ Aber wie bereits damals, als Bodul den SK Sturm mit seinem „goldenen Schuss“ in der 96. Minute doch noch jubeln ließ, behielt der Stürmer auch mit Shakhtjor Soligorsk beim 4:2 gegen den FK Minsk das bessere Ende für sich.
„Es war spannend bis zur letzten Sekunde“, erzählt Bodul, der vor dem letzten Spieltag der Ganzjahresmeisterschaft mit Soligorsk einen Punkt hinter Rekordmeister BATE Borisov gelegen war. Beim Stand von 1:2 wurde Bodul in der 63. Minute eingewechselt, zehn Minuten später lieferte er die Vorlage zum Ausgleich. Was folgte, war eine spektakuläre Schlussphase: eine Rote Karte bei Minsk, der Führungstreffer in der 92. Minute, die Riesenchance durch Bodul und der emotionale Schlusspunkt zum 4:2 in der 98. Minute. „Wir wussten nicht, wie das Resultat zwischen Dinamo Minsk und BATE war“, sagt Bodul. „Nach dem vierten Tor lief jemand von der Bank zu uns und sagte, dass BATE nur 0:0 gespielt hatte. Ich konnte es nicht glauben.“
Nach Spielende brach Bodul in Tränen aus, mit 31 Jahren war es der erste Profi-Meistertitel für den ÖFB-Legionär. Bereits ein Jahr zuvor hatte der Stürmer beim Cup-Triumph entscheidend seine Füße im Spiel, erzielte den Führungstreffer. 2014 hatte Shakhtjor zuletzt den Pokal geholt, den ersten und bislang einzigen Liga-Titel 2005. Darko Bodul hat sie beide wieder nach Soligorsk gebracht. Ob er bei seinem Wechsel wusste, dass in Belarus die erfolgreichste Station seiner Karriere folgen sollte? „Natürlich, ich wusste, um was sie hier spielen – um Erfolge."
Seine persönlich beste Saison spielte Bodul dennoch in Graz, 2011/12 lieferte der Stürmer im Dress des SK Sturm 15 Tore und sechs Assists – 15 Tore für einen Verein hat Bodul bislang nur für Soligorsk geschossen. „Sturm liegt in meinem Herzen, die Fans, die 'Schwoazn', sind immer bei mir“, sagt Bodul. „Ich habe so schöne Erinnerungen an Sturm, vielleicht eine der schönsten meiner Karriere.“ Nach über neun Jahren konnte Bodul nun auch eine alte Rechnung begleichen, war es doch just BATE Borisov, der sich in der Champions-League-Qualifikation als unglücklicher Stolperstein für den SK Sturm herausgestellt hatte. „Ich erinnere mich sehr gut“, sagt Bodul. „Nach so vielen Jahren habe ich es BATE jetzt mit dem Titel zurückgezahlt.“
Darko Bodul: "Jetzt vergebe ich dem Lukaschenko alles"
Dass dieser Titel überhaupt zustande kam, ist letztendlich aber wohl auch dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko zu „verdanken“. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 war Bodul der einzige österreichische Legionär, der weiterhin Fußball spielen musste. Lukaschenko, der am Montag vom IOC für die Olympischen Spiele in Tokio suspendiert wurde, bezeichnete das Corona-Virus als „Psychose“. „Überall wurde der Spielbetrieb eingestellt, nur bei uns nicht“, sagt Bodul, der sich damals schockiert über die Entscheidung zeigte.
„Aber wir konnten nichts dagegen machen. Im Nachhinein darf ich aber nicht klagen, wir sind Meister geworden – jetzt vergebe ich dem Lukaschenko alles“, fügt Bodul, der eineinhalb Stunden nördlich von Soligorsk in Minsk lebte, lachend hinzu. „Generell sind die Russen starrköpfige Leute, wenn ein Lockdown ausgerufen wird, leisten die wenigsten Folge. Du siehst nur ältere Leute, die teilweise eine Maske tragen, die jüngeren kennen kein Corona.“
Nach zwei erfolgreichen Jahren in Weißrussland zieht es Bodul nun weiter, seinen auslaufenden Vertrag verlängerte er nicht. „Ich hätte mit Shakhtjor gerne noch Champions League gespielt, aber ich denke, zwei Jahre dort sind mehr als genug“, sagt Bodul. „Ich bin ein Wandervogel, ich brauche ein neues Abenteuer.“ Noch diese Woche soll Boduls neuer Klub feststehen, läuft alles glatt, verschlägt es den Vater eines Sohnes wohl in die Türkei. „Ich habe immer den Traum gehabt, dort zu spielen. Ich hoffe, das wird meine letzte Station.“ Und vielleicht wird er dann ja doch sesshaft, der Wandervogel.