Was ist los beim SK Sturm? Die Sorge einiger Fans ist groß, die Entrüstung über die Entwicklung schwingt oft mit. Es werden Schuldige gesucht – und auch gefunden. Sündenböcke auszumachen ist oftmals ein natürlicher Reflex, speziell im Fußball, speziell dann, wenn sich ein Formtief zu einer ausgemachten Krise entwickelt. Und Sturm steckt in einer veritablen Krise.
Das Problem: So schnell Schuldzuweisungen gemacht sind, so selten führen sie zur Lösung des Problems. Klar kann man Trainer Nestor El Maestro verantwortlich machen. Er hat die ohnehin nicht von Selbstvertrauen strotzende Mannschaft durch seine verbalen Entgleisungen inklusive folgender Verbannung auf die Tribüne in einer schwierigen Phase noch einmal geschwächt. Klar kann man Spieler für Spieler zerpflücken, weil praktisch jeder einzelne unter seinem Leistungspotenzial agiert. Klar kann man auch Sport-Geschäftsführer Andreas Schicker an den Pranger stellen und ihm Führungsschwäche attestieren. Muss man aber nicht. Schicker geht nicht den Weg des geringsten Widerstandes und stellt den Trainer infrage. Er will die Wurzeln der Probleme bearbeiten.
Die Krise des SK Sturm ist aber nicht vor Kurzem entstanden. Es war ein laufender Prozess, der seinen Ursprung in Klagenfurt hatte: Der Cup-Sieg über Salzburg 2018 hat viele Probleme überstrahlt. Denn schon im Triumph war das Vertrauen zwischen Trainer Heiko Vogel und dem damaligen Geschäftsführer Sport Günter Kreissl längst zerrüttet. Vogel kritisierte die Qualität des Kaders, Kreissl verteidigte seine folgende Transferpolitik. Dasselbe Spiel fand zwischen Roman Mählich und Kreissl statt – Mählich musste wie sein Vorgänger gehen. Auch El Maestro erkannte schnell, dass die Kader-Qualität in ihrer Zusammenstellung nicht mehr als biederer österreichischer Durchschnitt ist.
Kreissl hat alles für den Verein gegeben, mit bestem Wissen und Gewissen. Er hat sogar sein Privatleben vernachlässigt, brannte aus, wie andere vor ihm auch auf dieser Position. Für einen leistungsstärkeren Kader hat es aber nicht gereicht, trotz der Investitionen. Der aktuelle Kader ist teuer wie nie, hat aber weniger Marktwert als manche davor, und ist keine homogene Einheit. Man blickte vielleicht auf Namen, aber informierte sich nicht gut genug über Charaktere.
„Ich habe noch nie eine Mannschaft erlebt, die so wenig Mannschaft ist“, sagte Schicker. Lange wurde den Spielern Gehör und Vertrauen geschenkt. Mählich wurde sogar „geopfert“, weil es einige Spieler so gewollt hatten. Ein Kardinalfehler von Kreissl. In der Vorstandsetage sah man dies nicht ganz so streng und stattete ihn mit einer neuen Position – Technischer Direktor – und damit nach dreimonatiger Auszeit auch mit neuem Vertrag ab 5. Oktober aus.
Allerdings braucht Sturm mehr. Im Büro vermisst man das Vertrauen in Führungskräfte, dazu fehlt einigen Mitarbeitern der Teamgeist. So verließen nicht wenige in der jüngsten Vergangenheit den SK Sturm, nicht ohne Groll. Das gilt für Spieler ebenso wie für Angestellte, auch ausgeschiedene Vorstandsmitglieder schweigen zu den Umständen ihres Sturm-Abschieds.
Alles Zeichen dafür, dass es keine wirklich harmonische Zusammenarbeit gibt. Interne Ungereimtheiten und vor allem fehlendes Vertrauen hemmen das Gemeinsame. Aber gerade das ist bei einem Klub wie dem SK Sturm unerlässlich. Dieser Verein lebt von Leidenschaft, Fachwissen – und Zusammenhalt. „Wir sind eine Familie“ heißt es im Leitbild, das erst vergangenes Jahr ausgearbeitet wurde und ebenso viele Ressourcen schluckte wie die Feierlichkeiten zum 110-Jahr-Jubiläum. Offenbar ging dabei der Fokus auf das Sportliche ein wenig verloren. Man glänzte auf dem Parkett, aber nicht mehr auf dem Platz.
Wofür steht der SK Sturm derzeit? Aktuell ist es schwierig bis unmöglich, eine Antwort zu finden. Aktuelle Vorstandsmitglieder haben noch vor wenigen Monaten offen gesagt, dass nur der Erfolg in der Gegenwart zählt, der neunte Leitbild-Grundsatz eher weniger. Denn der besagt: „Der Fortbestand unseres Vereines ist uns wichtiger als kurzfristiger Erfolg.“
Nun ist er ohnehin weg, der Erfolg. Was bleibt, ist die Jugend, die nun (endlich) wieder stärker ins Rampenlicht rückt und rücken muss, weil Erfolg Vorarbeit im Nachwuchs voraussetzt. Denn wenn man sich schon der Legionäre bedient, sollten diese der Mannschaft helfen, Vorbild für die Jugend sein. Für Respektlosigkeit und Arroganz auf- und abseits des Feldes sollte in der schwarz-weißen Familie kein Platz sein. Auch das steht im Leitbild.
Der SK Sturm muss schnell entscheiden – und richtig. Denn seit dem Cup-Sieg 2018 zeigt die Erfolgskurve nach unten. Man stelle sich vor, die Schwarz-Weißen bekommen doch irgendwann ihr eigenes Stadion in Graz – und haben dann keine Mannschaft mehr, die die Fans interessiert. Der neue Vorstand, seit 31. Jänner 2020 im Amt, steht vor einer großen Bewährungsprobe. Ganz wichtig bei allen Entscheidungen ist Leitbild-Grundsatz neun: „Der Fortbestand unseres Vereines ist uns wichtiger als kurzfristiger Erfolg.“