Herr Präsident, der Volksmund sagt: Wenn es am schönsten ist, sollte man gehen. Haben Sie schon an Rücktritt gedacht?
Christian Jauk: Interessant, dass nicht nur Sie mich fragen. Aber wie Sie wissen, läuft mein Mandat bis Jänner 2020. Und ich werde meine Amtsperiode bestmöglich erfüllen. Jetzt wäre es ein Leichtes, zurückzutreten.
Kann man diese Saison noch toppen?
Schwer. National muss man die Realität mit Salzburg akzeptieren. Man kann diese Mannschaft bei einem Cupspiel besiegen, wie es uns gelungen ist. Mehr wird schwer möglich sein. International freue ich mich schon. Wir sind klarer Außenseiter und diese Rolle liegt uns. Wenn wir unter Druck sind, haben wir ein bis zwei Gänge hochgeschaltet. Genau darin liegt die große Chance international, darauf freue ich mich.
Was würde die Teilnahme an einer Gruppenphase – egal ob Champions League oder Europe League – für den Klub bedeuten?
Man sollte als Präsident immer der erste Optimist sein, aber nie die Realität aus den Augen verlieren. Die Gruppenphase der Europa League wäre ein Riesenerfolg. Heuer sind wir weit über die Ziele hinaus erfolgreich gewesen. Eine solche Saison wird man nur alle paar Jahre erleben.
Wir reden hier von Träumen in der Europa League. Fakt ist aber, dass Sturm beinahe die Lizenz für die Bundesliga verweigert wurde.
Ohne Stadionvertrag gibt es keine Lizenz. Nachdem die Stadionverwaltung die Lizenzfristen negierte, konnte erst in letzter Sekunde mit den Stadträten Kurt Hohensinner und Günter Riegler dankenswerterweise eine Lösung fixiert werden. Jetzt soll es einen Stadiongipfel geben, wo wir ein neues System anstreben, so wie es fast überall üblich ist, und die Stadt sich sogar Geld sparen könnte. So kann es mit der Stadionverwaltung nicht mehr weitergehen.
Die Probleme mit dem Stadion bzw. der Verwaltung begleiten Sturm seit Jahren. Ist keine Lösung in Sicht?
Beim Stadion findet sich ein lachendes und ein weinendes Auge. Einerseits freuen wir uns, dass die hart erkämpften 13,5 Millionen Euro für die Modernisierung von der Stadt Graz genehmigt wurden, andererseits nimmt die Willkür von der Stadionverwaltung aufgrund der Alternativlosigkeit zu.
Apropos Alternativlosigkeit: Droht Sturm der Ausverkauf?
Die Spielerfluktuation ist Teil des Erfolges. Das gilt für die Liga, auch in Wien und Salzburg. Anstatt Teil eines Konzerns zu sein oder am Steuertopf zu hängen, müssen wir mit unserem Sturm-Geist Nachteile kompensieren. Die Alternative wäre, unsere Unabhängigkeit als Mitgliederverein aufzugeben, aber das entspricht nicht unserer Tradition. Daher sind solche Saisonen besonders schön, aber gleichzeitig schwierig, weil unsere Spieler mit Geld gelockt werden. Dafür bieten wir eine familiäre Umgebung mit guter Trainingsinfrastruktur an, heuer die Champions-League-Qualifikation und eine unglaubliche Leidenschaft unserer Fans. Jeder Spieler setzt seine Prioritäten. Ich kann niemanden aufhalten.
Sport-Geschäftsführer Günter Kreissl ist einmal mehr gefordert. Wer hat Kreissl eigentlich nach Graz geholt?
Mir fiel auf, dass er bei Wiener Neustadt mit wenigen Mitteln viel erreichte. Diese Erfolgseigenschaft benötigt Sturm. Nach unzähligen Gesprächen mit Günter war ich – und in weiterer Folge der Vorstand – von ihm überzeugt. Im Fußball sind Erfolge aber nur im Team möglich, daher braucht jeder die richtigen Leute an seiner Seite. Wir schätzen seine Arbeit sehr.
Sportlich lief es in dieser Saison sehr gut. Wie sieht es wirtschaftlich aus? Kann Sturm in dieser Sparte nicht Boden gutmachen?
Unser Budget steigt jährlich stärker als die Wirtschaft an und wir erzielen neue Sponsorrekorde. National liegen wir wirtschaftlich an vierter Stelle, der Rückstand wird dennoch gegenüber Wien größer. Mit ihren neuen Stadien erhalten sie völlig neue Dimensionen bei der Vermarktung, die uns verwehrt bleiben. Linz bekommt jetzt auch noch ein neues Fußballstadion. Die Rahmenbedingungen in Graz sind zweifelsohne härter. Wir versuchen trotzdem, immer das Beste herauszuholen.
Man hört, Sturm hat ein Sparkonto angelegt. Warum wird nicht mehr riskiert?
Über diese Frage bin ich dankbar, weil ich mich noch an die einsamen Nächte der Insolvenzzeit erinnern kann. Die Variablen des Fußballgeschäftes sind mehr als in der Wirtschaft. Wir sind daher einer vernünftigen und soliden wirtschaftlichen Basis verpflichtet. Das Vorstandsteam, das aktuell gewählt wurde, wird diesen Weg nicht verlassen. Das ist schwierig genug.
Sie reden stets vom Arbeiterklub Sturm und haben in Ihrem Beruf als Banker nur mit der finanziellen Elite zu tun. Wie ist das vereinbar?
Ich habe das Glück, die gesamte Bandbreite des Lebens kennengelernt zu haben. Ich gehe am Freitag Fußball spielen. Da ist mein Vizepräsident Peter Schaller genauso dabei wie ein Tischler oder ein Lastwagenfahrer. Da bleibst du geerdet. Und beruflich habe ich das Glück, in ganz andere Sphären zu kommen. Aber eines kann ich allen mitgeben: Der größte Irrtum der meisten Menschen ist, dass Geld glücklich macht. Natürlich sollen die Grundbedürfnisse lebenswert sein.
Gehört zum Präsidenten-Dasein nicht eine gewisse Eitelkeit?
Ich habe mich nicht beworben. Im Jahr 2006 sind ein paar Leute zu mir gekommen und haben gesagt: Du bist ein Sturm-Fan, hast gute Kontakte und Netzwerke. Wie können wir gemeinsam etwas auf die Beine stellen, um Sturm zu retten? Dann haben wir gemeinsam ein Konzept erstellt und etwas erreicht, auf das wir alle stolz sind, bis heute. Jetzt bin ich mit einer kurzen Unterbrechung zwölf Jahre Funktionär.
Wie bewerten Sie diese zwölf Jahre?
Ich halte die Gesamtleistung aller Beteiligten in diesem Jahrzehnt für eine Sensation. Seit dem Konkurs wurden alle bürokratischen Ebenen verschärft. Es ist nicht leichter geworden. Es ist schön, etwas zu erreichen, vielleicht sogar mehr als manch andere, die privilegierter sind als wir. Das ist ein Spiegelbild der Geschichte unseres Vereines. Wir haben Gott sei Dank Herbert Troger als Geschichtsprofessor in unserem Klub, der permanent daran arbeitet, alles aufzuarbeiten. Sturm hat es immer etwas schwerer gehabt als der Rest. Und genau diese Umstände geben dir die Kraft und die Energie für Erfolge. Das ist die DNA dieses Vereines. Die Botschaft unserer Wurzeln ist uns wichtig. Die Leute wissen alle nicht, dass wir in den 1950er- und 1960er-Jahren dreimal abgestiegen sind. Und wir haben in der Zweiten Liga oft mehr Fans gehabt als in der Ersten Liga. Sturm-Fans waren berühmt für ihre Treue, immer schon. Es ist eine Verpflichtung, das auf die nächsten Generationen zu übertragen.
Was war Ihr größter Fehler in den zwölf Jahren?
Fehler müssen gemacht werden, sonst würden wir heute nicht da stehen, wo wir sind. Erfolge sind immer die Folge einer Aneinanderreihung von Fehlern, die man in Zukunft vermeiden will. Mir sind einige Personalentscheidungen in der Vergangenheit vorgeworfen worden. Das Brutale in diesem Metier ist, dass jeder sein Bestes gibt. Aber du brauchst auch dieses Momentum der Siegertypen. Oft entscheiden nur Millimeter über Erfolg und Misserfolg. Einmal war es ein Tor in der 95. Minute, das uns im letzten Spiel die Saison verhaut hat.
Welche Erwartungen haben Sie für die kommende Saison?
Die Risiken sind gestiegen, weil die Erwartungen gestiegen sind und damit auch der Druck. Ich kann allen nur versprechen: Wir werden gleich vernünftig im Rahmen unserer Möglichkeiten weiterarbeiten. Auch wenn das bedeuten könnte, dass wir die Erfolge dieser Saison nicht wiederholen können. Wenn wir aber – wie im Cupfinale – alle zusammenhalten, besitzt Sturm immer das Potenzial, alle zu überraschen. Das ist mir lieber als eine zu hohe Erwartungshaltung.