Wenn Franco Foda die vergangenen 20 Spieltage als „perfekten Herbst“ bezeichnet, dann ist eines offensichtlich: Der Deutsche ist nicht mehr Trainer des SK Sturm. Stets hat sich Foda gehütet, die eigene Leistung oder die Leistung der Mannschaft über den Klee zu loben. „Perfekt“ war im öffentlichen Wortschatz Fodas nicht existent. Nachvollziehbar, solange er Trainer war. Bleibt die Frage: Wie perfekt war der Herbst denn wirklich?
Sturm ist Tabellenführer, hat nach 20 Runden 44 Punkte. Das war im Spieljahr 98/99 so, ein Jahr zuvor (97/98) waren es sogar 47 Zähler. In beiden Saisonen holte man den Titel. Zurück zu dieser Spielzeit: Sturm spielte erfrischender und variabler als je zuvor unter Foda. All das begann mit einem Mangel an Verteidigern zu Beginn der Saison. Da mussten Spieler wie Marvin Potzmann oder Dario Maresic einspringen und sich beweisen. Sie machten ihre Aufgabe sehr gut.
Variantenreich, unberechenbar
Personellen Umstellungen folgten neue Systeme. Die in der Vorbereitung trainierten Varianten mit drei bzw. fünf Verteidigern kamen zur Anwendung. Ob geplant oder nicht, die neue Flexibilität hat gefruchtet. Maresic spielte überragend. Peter Zulj entpuppte sich als perfekter Spielgestalter. Stefan Hierländer genoss seine neu gewonnene Freiheit. Philipp Huspek konnte seine Schnelligkeit ausspielen. Und der von vielen unterschätzte Potzmann entwickelte sich zu einer immens wichtigen Stammkraft. Von hinten links bis vorne rechts – Potzmann spielte überall. All diese Maßnahmen und Leistungen machten Sturm kaum berechenbar. Zudem bot Sturm einen ansehnlichen Fußball.
So attraktiv die Spielweise der Grazer war, so eng waren zahlreiche Partien. Der Auftakt gegen St. Pölten wurde in letzter Minute gewonnen, die Austria, Mattersburg und LASK wurden ebenfalls in den Schlussphasen der Partien besiegt. Zehn der 14 Ligasiege wurden mit einem Tor Unterschied errungen. Das spricht für die Einstellung und den Willen der Spieler. Sagt aber auch, dass sich einige Begegnungen in eine andere Richtung hätten entwickeln können. Hat es nicht, weil Sturm eine positive Energie umgibt, die sich die Grazer in der jüngsten Vergangenheit angeeignet haben. Die gute familiäre Stimmung gepaart mit harter Arbeit ist Teil des Erfolgs. Ausrutscher wie gegen die Admira (1:2) oder in Salzburg (0:5) sind Teil des Fußballs und gehören dazu. In ein Tief ließen sich die Grazer nicht ziehen. Zu groß war das Selbstvertrauen, zu leidenschaftlich viele Auftritte der Foda-Truppe. Sturms Geschäftsführer Sport, Günter Kreissl, äußerte daher seine „vollste Zufriedenheit“, sagt aber auch: „Bei einigen unserer Siege bleibt genug Platz für Kritik.“ Das klingt ob des Punkte- und Tabellenstandes streng. Aber Kreissls Pflicht ist es, nach Verbesserungen zu suchen. Sturm ist dann gut und erfolgreich, wenn alle Protagonisten in ihren Bereichen an und über ihre Grenzen gehen. Selbstgefälligkeit ist trotz des aktuellen Hochs nicht angesagt. Und dennoch kann, darf und soll man allen Beteiligten Lob aussprechen für das bis jetzt Geleistete – auf dem Platz und in der Geschäftsstelle. Viel wurde nicht falsch gemacht, wenn man mit 44 Punkten nach 20 Runden an der Tabellenspitze liegt. Der sportliche Schlussstrich ist aber nach 36 Spieltagen zu ziehen.
Ob die Mannschaft in dieser Zusammensetzung gehalten werden kann, wird von „unmoralischen Angeboten anderer Klubs abhängen. Geplant ist, dass wir die Mannschaft in dieser Konstellation halten“, sagt Kreissl und fügt hinzu: „Ausverkauf wird es definitiv keinen geben.“ Das heißt auch, dass der eine oder andere Spieler gehen könnte, die Einheit Sturm aber nicht zerstört wird.