Es war einer der emotionalen Höhepunkte einer eher trostlosen Saison von Sturm Graz, als Ivica Osim im Mai 2016 vor dem Spiel gegen Mattersburg seinen 75. Geburtstag feierte. "Volime te, Ivica Osim", hallte es durch das Stadion. "Ivica Osim, wir lieben dich." Das beeindruckende daran: Es sangen und schrien nicht nur Menschen, die Osim als Sturm-Trainer noch bewusst miterlebt haben, sondern einfach alle. Auch jene, die, als Sturm um die 2000er so glorreich spielte und Osim den Grazer Fußball europaweit salonfähig machte, noch gar nicht auf der Welt waren.

Als aktiver Fußballer war Osim ein offensiver Mittelfeldspieler, gerne am Ball. Radioübertragungen, als er bei Racing Straßburg aktiv war, sollen unterbrochen worden sein, weil er am Ball war und sich ein Pass selten abzeichnete. Das Spiel mit dem Ball war auch als Trainer sein Steckenpferd. Er wusste genau welcher Pass wann wo und wie passieren sollte. "Was haben wir uns nicht geärgert, weil er immer die gleich Übung trainieren ließ", erzählte einmal Otto Urlepp, mittlerweile verstorbenes Mitglied der einst legendären Montagsrunde, die das Sturmtraining immer beobachtete. Urlepps Nachsatz: "Bis dann irgendwann die ganzen Tore auf diese Art gefallen sind."

"Spielen Sie", soll Osim den Sturm-Spielern zugerufen haben, als er 1994 Trainer in Graz wurde. Und dann hat der in Sarajevo geborene Svabo beobachtet, lange Zeit kommentarlos, bis er dann irgendwann korrigierend eingegriffen hat. Mit einer jungen Mannschaft, die vor allem aus Eigenbauspielern bestand arbeitete Osim bei Sturm. Und formte eine Mannschaft, die national und international für Furore sorgen sollte - freilich verbessert mit Spielern, die transferiert wurden.

Der gefällige Kombinationsfußball den Sturm in dieser Zeit spielte, beruht aber auf Osims Idee. Sturm zog in die Champions League ein, gewann 2000/2001 sogar die Gruppenphase - als einzige Mannschaft bisher mit einem negativen Torverhältnis. Einziger Wermutstropfen für Osim: Manchester United nie besiegt zu haben. Man wäre knapper dran gewesen als man denken würde.

Bevor Osim Trainer von Sturm Graz wurde, war er (unter anderem) als Teamchef des Jugoslawischen Nationalteams aktiv. Legendär ist sein Statement, als er aufgrund des Krieges in seinem Heimatland, aufgrund der Angriffe auf seine geliebte Heimatstadt Sarajevo das Teamchef-Amt zurücklegte:

"Mein Rücktritt ist das Einzige was ich für meine Stadt tun kann. Sie sollen sich erinnern, dass ich aus Sarajevo komme. Sie wissen was dort passiert." Zuvor hatte Osim mit der jugoslawischen Nationalmannschaft die Qualifikation für die Europameisterschaft 1992 geschafft. Die Teilnahme wurde den Jugoslawen aufgrund des Krieges verboten - für Osim ein weiterer Rückschlag. Und Dänemark ergriff die Gunst der Stunde und wurde Europameister ohne sich sportlich qualifiziert zu haben.

In seiner Heimat wird Osim noch heute aufgrund seiner Einstellung zum Nationalitätenproblem mehr als nur geschätzt.

Osim ist Vater von drei Kindern und mehrfacher Großvater. Seine Frau Asima ist ihm, nicht erst nach seinen Schlaganfällen, eine große Hilfe. Der 76-Jährige nennt sie liebevoll "seine Managerin".