Österreichische Fußballgeschichte wurde am 7. November 2000 in Istanbul geschrieben. Der SK Sturm kam im Ali-Sami-Yen-Stadion gegen Galatasaray zu einem 2:2-Remis, gewann somit sensationell die Gruppe D der Champions League und qualifizierte sich mit einem negativen Torverhältnis von 9:12 für die Top 16. Es ist ein Erfolg, den keine andere rot-weiß-rote Mannschaft bis heute erreichen konnte. Es sollte ein denkwürdiger Abend werden, einen, den man nicht vergessen wird. Zwei Rückstände konnte die Mannschaft von Jahrhunderttrainer Ivica Osim zum 2:2 egalisieren. In den letzten Minuten gab es sogar einen Nichtangriffspakt, weil beide Teams fix für die nächste Runde qualifiziert waren. Der Hexenkessel wurde letztlich zu einer Arena, in der beide Mannschaften frenetisch gefeiert wurden. Zeitzeugen von damals erinnern sich an die unvergesslichen Augenblicke von damals.

Ex-Sturm-Präsident Hannes Kartnig erinnert sich ganz genau an den 7. November 2000 und schildert seine Erlebnisse von der Reise nach Istanbul und die Heimkehr auf den Flughafen Graz-Thalerhof.

Fahrt zum Stadion

„Wir sind mit Polizeieskorte gefahren, mit Vollgas durch die Stadt. Die Fans haben uns den Stinkefinger gezeigt. Unser Bus wurde mit Münzen, Feuerzeugen und Steinen beworfen. Das war verrückt. Diese heißblütigen Fußball-Narrischen sind irre gewesen. Es war sehr unangenehm.“

Das Spiel

„Das Stadion hat schon beim Aufwärmen gebebt. Da waren keine 20.000 Zuschauer drinnen, mindestens 30.000, und die haben eine Stimmung gemacht, unglaublich. Aber auch von uns waren 1000 Fans dabei, das war was. Und dann ist Galatasaray zwei Mal in Führung gegangen, wir haben zwei Mal ausgeglichen. Der Markus Schopp hat einfach in den Strafraum geschossen und irgendein Kopferl getroffen, und drinnen war der Ball zum 2:2. Und dann habe ich bemerkt, wie der Trainer von ihnen, Mircea Lucescu, immer mit den Fingern 2 und 2 zeigte. Dann bin ich runter zu unserer Bank und habe Manager Heinz Schilcher gesagt, dass es im Parallelspiel 2:2 ausgegangen ist. Und beide Mannschaften hier aufsteigen, wenn es bei uns auch beim 2:2 bleibt. Auf einmal haben sie den Ball hin und her geschoben, keine Mannschaft hat angegriffen.

Neben mir ist der türkische Finanzminister gesessen und ich habe ihm gesagt: „Wenn wir kein Tor mehr schießen sollen, dann kostet das etwas.“ Der war nervös und hat gleich zugesagt. Und ich habe dann gesagt: „Das war Spaß, wir brauchen kein Geld, wir sind reich.“ In Wahrheit waren wir arm wie die Kirchenmäuse. Denn der Heinz und ich waren der Meinung, dass wir beim Aufstieg wieder TV-Geld bekommen. Dementsprechend spendabel waren wir bei den Prämien für die Spieler. Aber leider haben wir nix mehr bekommen. Dann musste ich zu den Spielern gehen und sie bitten, auf einen Teil der zugesagten Prämien zu verzichten. Sie waren alle fair. Das war ohnehin eine super Truppe mit Charakter und Anstand. Und kicken haben sie auch können.“

Nach dem Schlusspfiff

„Das ganze Stadion hat gejubelt. Ich Trottel bin auch aufs Spielfeld und habe mit der Mannschaft zu unseren Fans raufgewinkt. Was man nicht alles macht in so einer Euphorie. Und dann habe ich mir auch noch den Knöchel verknackst, weil ich gesprungen bin wie ein Geißbock. Aber das war mir alles egal. In den Kabinengängen ist es rundgegangen. Die Spieler haben sich umarmt. Und mich auch. So viel gebusselt bin ich nie wieder geworden. Ein paar Türken haben mich gedrückt, mir ist die Luft weggeblieben, so fest war das. Und dann sind zwei Spieler zu mir gekommen und haben mir ihre Trikots geschenkt. Ich kannte sie nicht. Jardel und Hagi – die Leiberln hab ich immer noch. Auf der Straße haben die Fans gefeiert, uns umarmt, alles war dabei: große, kleine, dicke, dünne, zahnlose und stark riechende.“

Der Abend

„Wir sind ins Hotel gefahren und haben dort gefeiert. Vor lauter Freude und gescheit reden habe ich von der Zigarre einen Brustzug genommen. Mir war schlecht. Die Türken wollten uns in die besten Lokale führen und uns einladen. Aber ich konnte nicht mehr, ich war k. o. Bauchtänzerinnen sind dann in unser Hotel gekommen und haben Stimmung gemacht.“

Ankunft in Graz

„Das war ein Auflauf. Ich denke, 5000 Fans haben uns in Graz empfangen, mit der gesamten steirischen Politikspitze. Zumindest die Politiker waren da, die vom Kicken eine Ahnung hatten. Und ich habe das blaue Kapperl aufgehabt. Ausgeschaut hab ich wie ein Trottel. Die Antenne Steiermark hat zum Empfang aufgerufen. Das war richtig schön am Flughafen. Ich habe tausend Glückwünsche erhalten. Sogar der damalige Bundespräsident Thomas Klestil hat mir ein Gratulations-SMS geschickt. Das Istanbul-Spiel war ein unglaubliches Erlebnis. Es war richtig geil, schöner war nur der erste Meistertitel.“