Es ist nie schlecht, wenn man es schafft, den eigenen Trainer positiv zu überraschen. „Er hat es noch viel besser gemacht, als ich es mir erwartet habe“, meint Sturm-Coach Christian Ilzer zur Leistung von Erencan Yardimci bei seinem schwarz-weißen Startelf-Debüt im ÖFB-Cup gegen Blau-Weiß Linz. Noch agiere der Stürmer, der je ein Tor und Assist beisteuerte, ein bisschen wild, man müsse seine enorme Energie noch besser kanalisieren.

Aber in Sachen Potenzial des 22-Jährigen sieht Ilzer keinen Grund tiefzustapeln. „Wenn man an Emanuel Emegha, Rasmus Hojlund oder Kelvin Yeboah denkt, habe ich bei Sturm Graz schon einige dynamische Speedspieler gesehen. Aber einen Antritt, wie ihn Yardimci auf den ersten Metern hat, habe ich noch nicht wirklich gesehen“, staunt der 47-Jährige und ist sich sicher, dass die Leihgabe der TSG Hoffenheim eine Riesenzukunft vor sich hat: „Er wird einmal ein absoluter Topspieler werden.“

Gutes Zeichen in Sachen Kaderbreite

Mit Yardimci, Lovro Zvonarek, der wie schon am vergangenen Wochenende gegen den LASK einen Treffer bejubeln durfte, und Emir Karic, der den Yardimci-Treffer mit seinem Schuss vorbereitete, haben gegen Blau-Weiß drei Spieler aufgezeigt, die im bisherigen Saisonverlauf zumeist von der Bank gekommen sind. Dies betrachtet Ilzer verständlicherweise als gutes Zeichen, was die Kaderbreite betrifft. Auch dass sich Tochi Chukwuanis Knieblessur nicht als schwerwiegend erwies, hilft. Am Wochenende ist der Däne allerdings fraglich.

In einer besonders intensiven Phase der Saison ist die Kader-Thematik gerade vor dem Gipfeltreffen mit Rapid spannend. Mit Robert Klauß setzte der Trainer der Hütteldorfer im Cup bei Stripfing auf eine B-Elf und erlitt damit Schiffbruch. „Ich glaube nicht, dass es mit der Rotation zu tun hat. Die Fehler hätten anderen Spielern auch passieren können“, verteidigte sich der Deutsche nach dem blamablen Ausscheiden gegen den Zweitligisten. So stark sich der grün-weiße Stamm in dieser Saison bislang präsentierte, so viele Fragezeichen hinterlässt der zweite Anzug.

Wann Ilzer schlecht schlafen müsste

Ilzers Politik ist eine andere. Der Sturm-Coach verwehrt sich vielmehr gegen das Wording, dass er im Cup-Achtelfinale „fünf Neue“ in die Startelf gebracht hat. „Da müsste ich schon schlecht schlafen, um fünf Neue zu bringen“, meint der Oststeirer, der ungern von Rotation spricht, wenn er Spieler mit ordentlicher Einsatzzeit frisch in die Anfangsformation beordert.

Frische ist für das Kräftemessen mit Rapid aber zweifelsohne ein wichtiger Faktor, wenngleich nicht der einzige. „Rapid hat im Cup definitiv auf das Duell mit uns geschaut“, sagt der Sturm-Coach und rechnet vor, dass es im Meisterschaftsspiel angesichts der Punkteteilung um 1,5 Punkte geht, während der Cup in nur sechs Partien einen Weg zu einem Titel bietet. Am Samstag wird sich Rapid definitiv mit einer frischen Mannschaft in Liebenau präsentieren. „Und wenn sie frisch waren, waren sie in dieser Saison fast nicht zu besiegen. Aber wir wollen das auf unsere Art und Weise wettmachen“, kündigt Ilzer an.

Die Wiener seien bislang sehr stabil. In der Liga steht nach elf Runden erst eine Niederlage zu Buche. „Sie sind alles andere als eine Wundertüte. Es ist eine klare Idee und Stabilität dahinter. Für mich zählen sie absolut zu den Meisterschaftskandidaten“, gibt Ilzer zu Protokoll, für den die Tabellensituation Erster gegen Zweiter ein traditionell emotionales Duell noch brisanter macht: „Dadurch wird es noch einmal zu einem größeren Spiel.“

Eine Zeitenwende in der Bundesliga?

Perspektivisch sieht der amtierende Meistertrainer in den nächsten Jahren auch den LASK ein Wörtchen um den Titel mitreden, Rapid klopft an, Titelverteidiger Sturm führt die Tabelle an, Salzburg darf man nicht abschreiben. Erleben wir in der Bundesliga gerade eine Zeitenwende? Was die Möglichkeiten und den Kader betrifft, betrachtet Ilzer Salzburg trotz des „kleinen Zwischentiefs“ nach wie vor als das Maß aller Dinge: „Trotzdem ist die Kluft nicht nur zu uns, sondern auch zu anderen Teams kleiner, wenn nicht gar geschlossen worden. Rapid hat uns und Salzburg besiegt. Die Liga kann es nur begrüßen, dass es kein Sololauf von Salzburg mehr ist wie in vielen Jahren davor, sondern dass es ein dichteres Rennen um den Titel gibt.

Sturm verlor Anfang August in der 1. Runde gegen Rapid. „Damals war Rapid nicht nur der verdiente Sieger, sondern in allen Belangen das klar bessere Team, ob das fußballerisch oder läuferisch war“, erinnert sich der Sturm-Trainer und unterstreicht gleichzeitig: „Aber seither haben wir eine Entwicklung genommen.“ Eine sehr gute sogar. Inzwischen passen national sowohl die Leistungen, als auch die Ergebnisse. Umso spannender wird, was am Samstag sticht: Sturms Flow oder Rapids Frische?