Geht es nach den jüngsten Rezensionen, käme man nicht auf die Idee, dass der SK Sturm und Salzburg nach wie vor Österreichs Fußball-Elite repräsentieren. Der punktelose Start der beiden Vereine in der Champions League ändert nichts daran, dass heute (17 Uhr) in Liebenau der aktuelle Tabellenführer der Bundesliga auf den Tabellenführer nach Verlustpunkten trifft – Salzburg hat zwei Liga-Partien weniger als Sturm ausgetragen. Seit 2014 hat kein anderes rot-weiß-rotes Team einen nationalen Titel gewonnen, in den vergangenen beiden Spielzeiten behielt auf diesem Gebiet Sturm gar die Oberhand.
Sowohl der Doublegewinner aus Graz als auch der Vizemeister aus Salzburg haben in den vergangenen Jahren die Erwartungshaltung derart in die Höhe getrieben, dass ein gewisses Grummeln über das bisherige Auftreten in dieser Saison nachvollziehbar ist. Wobei das Pulverfass Salzburg wesentlich explosiver wirkt, nachdem der leistungstechnische Pfeil bei Sturm zuletzt wieder nach oben gezeigt hat.
Zwischenruf von Teamchef Ralf Rangnick
In die allgemeine Nörgelei mischte sich diese Woche auch ein Zwischenruf von Teamchef Ralf Rangnick, der ein Thema befeuerte, das zahlreichen Fans unter den Nägeln brennt. Der Vorwurf: Beide Vereine würden zu wenig auf Österreicher setzen. „Es gab auch mal Zeiten, in denen beide Vereine auch Österreicher in der ersten Elf hatten und trotzdem österreichischer Meister wurden und sich auch für die Champions League qualifiziert haben.“ Der 66-Jährige kritisierte speziell, dass die hochgelobte Ausbildung in Salzburg derzeit zu wenige Österreicher nach oben bringt und formulierte die plakative Frage: „Was ist eigentlich in Liefering los?“
Angesichts der unterschiedlichen Möglichkeiten erscheint es deplatziert, die beiden Standorte Salzburg und Graz in einen Topf zu werfen. Das System Salzburg mit Liefering als Talente-Plattform wurde von Rangnick ab dem Jahr 2012 selbst installiert. Über den Österreicher-Nachschub aus der eigenen Akademie hoch zur Kampfmannschaft konnte man zuletzt tatsächlich diskutieren, wobei mit dem Grazer Samson Baidoo sehr wohl ein positives Beispiel am Start ist. Bis auf 90 Cup-Minuten von Ersatzgoalie Alexander Schlager fallen auch alle Österreicher-Minuten der Mozartstädter in dieser Saison auf den Innenverteidiger. Im Vergleich zu den Jahren davor fehlen in Salzburg aber nicht nur mehr Einsätze von rot-weiß-roten Youngsters, sondern vor allem auch die Anteile von Routiniers wie Andreas Ulmer, Maximilian Wöber oder Zlatko Junuzovic.
Sturm mit anderer Ausgangsposition als Salzburg
Schaut man sich die durchschnittlichen Einsatzminuten von Österreichern pro Pflichtspiel an, sinkt dieser Wert bei beiden Teams von Jahr zu Jahr. In Salzburg beginnend von niedrigem Niveau auf in dieser Saison nur noch 76,2 Minuten pro Partie. Bei Sturm sind es in dieser Spielzeit im Schnitt auch nur magere 146,7 Minuten, wovon der Löwenanteil an Emanuel Aiwu geht. Andere Österreicher wie Emir Karic oder Niklas Geyrhofer kommen nur sporadisch zum Zug. Die Ausgangsposition ist dennoch eine andere als in Salzburg, wo seit vielen Jahren internationale Ambitionen verfolgt werden und auch die Infrastruktur seit dem Red-Bull-Einstieg 2005 kaum Wünsche offen lässt. Sturm entwickelte sich indes binnen vier Jahren von einem nicht für den Europacup qualifizierten Verein zu einem Champions-League-Starter, der gerade infrastrukturell noch genug zu tun hat, wie Trainer Christian Ilzer nicht müde wird zu betonen.
Dabei geht es nicht vordergründig um das Stadionthema. Auch die Akademie gehört zu den zahlreichen Baustellen. „Auf Sicht muss es uns gelingen, dass Toptalente in Graz bleiben und nicht nach Salzburg gehen“, sagt Ilzer und denkt dabei an Beispiele wie den früheren Sturm-Nachwuchsspieler Amar Dedic oder Ex-GAKler Valentino Lazaro, „um die jungen Spieler zu halten, brauchst du die erste Mannschaft als gutes Aushängeschild, die in der Champions League auf bestmöglichem Niveau spielt“.
Und hier sei laut Ilzer nun mal Fakt: „Wenn du das Niveau Champions League erreichen willst, wird es nur mit Österreichern, die du in Österreich auch bekommen kannst, sehr schwer.“ Für die besten Österreicher ist im Normalfall nicht einmal das finanzielle Schlaraffenland in Salzburg in ihren besten Karrierejahren ein Thema, stattdessen verdienen sie in den internationalen Topligen ihr Geld.
Wie viele Österreicher sind leistbar und könnten helfen?
Die Ära von Ilzer und Sportchef Andreas Schicker startete 2020 mit Österreichern wie Andreas Kuen, Kevin Friesenbichler oder Lukas Jäger. Damals kamen ÖFB-Kicker im Schnitt noch zu 606,8 Einsatzminuten pro Begegnung. Das war gut, wenn man Fußball spielt, um den Österreicher-Topf zu bedienen, aber irgendwann nicht mehr ausreichend, wenn man qualitativ Stufe um Stufe nach oben klettern möchte. Mit dem sportlichen Fortschritt wurde das Reservoir an Österreichern, die tatsächlich helfen können, immer geringer. Selbst ein Talent wie Alexander Prass auf dem Niveau, mit dem er 2021 bei Sturm anheuerte, hätte es mittlerweile schwer in Graz. Eine wichtige Aufgabe bleibt daher, nach der Kampfmannschaft auch den eigenen Nachwuchs in großen Schritten weiterzuentwickeln. Die positiven Eindrücke aus der Youth League zeigen, dass sich die Aufholjagd lohnen könnte. Vielleicht auch für Rangnick.