Monatelang malte sich die Sturm-Familie aus, wie es sich denn anfühlen würde, wieder in der Champions League aufzulaufen. Ergebnistechnisch regierte nach dem 1:2 bei Stade Brest die Angefressenheit, alleine das Ambiente betrachtend war dieses in Guingamp ausgetragene Match aber natürlich ein Meilenstein. „Aktuell bin ich richtig enttäuscht, aber die Champions-League-Hymne zu hören, ist richtig geil“, formulierte Jon Gorenc-Stankovic seine ambivalenten Gefühle.
Gänsehaut, Ehre, aber keine Punkte
Jusuf Gazibegovic sprach von Gänsehaut am ganzen Körper und einem kleinen Traum, der in Erfüllung ging. Für Emanuel Aiwu war es eine riesige Ehre, Sturm auf dieser Bühne zu repräsentieren: „Aber jetzt gilt es Gas zu geben, damit wir in den nächsten Spielen Punkte einfahren.“ Selbige hätte man auch aus der Bretagne mit nach Graz nehmen können. Niemand stellte den verdienten Sieg von Brest in Frage, doch so gut wie alle Sturm-Vertreter fanden, dass mehr drinnen gewesen wäre und nur Kleinigkeiten fehlten.
Österreichs Doublesieger ist in der Königsklasse krasser Außenseiter, dies sollte man nicht vergessen. Dennoch konnte man gegen Brest reichlich Erkenntnisse gewinnen. Ein Hauptproblem war die unkonventionelle Herangehensweise der Elf von Trainer Eric Roy. „Das ist eine absolute Spitzenmannschaft, die einen ganz eigenen Spielstil hat und enorme Intensität entwickeln kann. Mit Ludovic Ajorque haben sie vorne drinnen einen Felsen, einen richtigen Vierkanter. Die Spieler, die nachrücken, positionieren sich gut im Raum. Das hat uns schon vor Probleme gestellt“, musste Trainer Christian Ilzer zugeben.
Stressen und stressen lassen
Für gewöhnlich stresst Sturm seine Gegner, diesmal ließ man sich von der Energie des Kontrahenten stressen und in Schlüsselmomenten wie den beiden Gegentoren sowie der Gelb-Roten Karte von Dimitri Lavalee zu Fehlern zwingen.
Positiv zu bemerken ist, dass Sturm schnell lernte und nach Rückschlägen wie dem frühen Ausscheiden von Gregory Wüthrich oder dem 0:1-Rückstand Resilienz bewies. Zu bemängeln ist, dass man das Momentum nach dem 1:1 zum psychologisch günstigen Zeitpunkt kurz vor der Pause nicht nutzen konnte. „Die sind hinten auch nicht so gut gestanden“, bemerkte Gazibegovic. Sturm trug seine Angriffe jedoch nicht konsequent genug vor, vorhandene Räume wurden zu oft nicht genau genug bespielt.
Stankovic sprach davon, dass Brest möglicherweise mehr Ergebnisorientiertheit an den Tag gelegt hat. Ganz so, wie es in der Königsklasse nun mal notwendig sei. Natürlich konnte man erkennen, dass die Hausherren nicht von ungefähr Dritter der Ligue 1 geworden sind. Außer Reichweite war Stade Brest für Sturm allerdings nicht. Entsprechend gilt es das zu tun, was die „Blackies“ schon in den vergangenen Jahren konstant taten: Lernen und besser werden.
Eine schöne Herausforderung
„Wir müssen uns auf dieses Niveau hinarbeiten. Das ist eine schöne Herausforderung“, fand Ilzer, „auf diesem Level warten Gegner, die uns in gewissen Bereichen überlegen sind. Also gilt es für uns Lösungen und Möglichkeiten zu finden, damit wir dem einen oder anderen ein Bein stellen können.“ Mit der Herangehensweise von Brest wird Sturm in der Champions League nicht noch einmal konfrontiert, auch wenn Ilzer große Lust auf ein Rückspiel in Graz hätte: „Auf uns warten einige Mannschaften, die mehr über den Ballbesitz kommen und nicht so geradlinig, effektiv und wuchtig spielen wie Stade Brest.“ Ob dies eine überwiegend gute Nachricht ist, wird sich weisen.
Während des Spiels blendete Ilzer komplett aus, auf welcher Bühne er sich befand und coachte wie in jedem anderen Spiel auch. Dass er dies nach Ivica Osim als zweiter Trainer der Vereinsgeschichte in der Champions League tat, war aber schon eine spezielle Sache: „Für uns war es ein großer Moment, wenn man bedenkt, wie lange unsere Reise war, bis wir auf diesem Level angekommen sind.“