Mit Mika Biereth und Jusuf Gazibegovic waren es die beiden Spaßvögel im Kader, die sich beim Gruppenfoto vor dem Abflug in Richtung Frankreich bereits auf der Treppe in den Flieger postiert den besten Überblick verschafften. In die Lüfte ging es dann erst mit gehöriger Verspätung von fast zwei Stunden, nachdem die Flugroute geändert und die Maschine zusätzlich betankt werden musste. Vor der Landung am Zielflughafen Saint-Brieuc musste die Pilotin wegen schlechter Sicht noch mal durchstarten.
Kleine Hindernisse beim Start ins Abenteuer Champions League, dessen Erfolg jedoch logischerweise nicht am Reiseverlauf gemessen wird, sondern an den 90 Minuten gegen Stade Brest. „Eine Mischung aus Euphorie, Vorfreude und auch einer gewissen Anspannung“, ortete Trainer Christian Ilzer vor dem ersten Auftritt des SK Sturm in der Königsklasse seit mehr als 23 Jahren. Ein Comeback im Konzert der Großen, das sich natürlich nicht als Business as usual einschätzen lässt. „Es ist ein Traum, der wahr wird, wenn das erste Mal die Champions-League-Hymne ertönt. Das wird ein ganz besonderer Moment“, vermutete Jusuf Gazibegovic.
Dabei sein ist nicht alles
So emotional und historisch man den Anlass betrachten darf, so nüchtern und kühl gilt es ihn zu bestreiten. Das olympische Motto, wonach dabei sein alles ist, ist ganz sicher nicht Sturms Bestreben für diese Champions-League-Reise, wenngleich man zu den größten Außenseitern im Wettbewerb gehört. „Dabei sein ist das eine, aber jetzt heißt es auch auf diesem Level zu bestehen. Auf uns warten acht große Spiele. Das wird eine Herausforderung, der wir uns jedoch sehr gerne stellen“, unterstrich Ilzer und betonte, dass auch für diese Partie der Grundgedanke gelten würde, „maximal Zählbares“ mitzunehmen: „Uns ist bewusst, dass dies eine große Aufgabe ist, aber wir wollen unsere Art und Weise auch auf einem Niveau zeigen, das die größte Bühne im europäischen Fußball darstellt. Darauf schaut die Welt. Der eine oder andere wird sich fragen: Wer ist Sturm Graz eigentlich?“
Ohne Hauptsponsor auf der Brust
Als Antwort auf diese Frage wünscht sich der Sturm-Coach den Nachweis, dass die Königsklasse eben nicht eine Nummer zu groß ist. Der 46-Jährige gestaltete die Vorbereitung gleich wie auf jedes andere Spiel auch, keine außergewöhnlichen Maßnahmen für die Premiere in der Sehnsuchtsliga aller Fußballer. Die Spieler sollen im gewohnten Rhythmus bleiben. „Es gilt eine emotionale Balance zu halten“, so Ilzer, dem Stefan Hierländer (bakterielle Infektion) nicht zur Verfügung stehen wird.
Kommentar zum Spiel
Auch das Logo von Hauptsponsor Puntigamer wird aufgrund eines Alkoholwerbeverbots in Frankreich nicht zu sehen sein, stattdessen soll „Samma Sturm“ auf der Brust stehen. Gespielt wird bekanntlich nicht in Brest, sondern im Stade de Roudourou in Guingamp. „Für sie wäre es zu Hause sicher besser, sie sind ihr Stadion und ihren Platz gewohnt. Vielleicht ist es ein Vorteil für uns“, hoffte Ilzer.
Noch ein mögliches schwarz-weißes Plus: In den vergangenen drei Jahren sammelte Sturm in der Europa League reichlich internationale Erfahrung, für Brest ist es das erste Europacup-Antreten der Vereinsgeschichte. Dieses Manko könnte das Team aus der Bretagne jedoch mit einer sehr routinierten Mannschaft kompensieren. Für Ilzer spricht es ohnehin für sich, wenn ein Klub in einer „extrem starken Liga“ wie der Ligue 1 Dritter wird. Die heurigen Anlaufschwierigkeiten seien auf Niederlagen gegen Kaliber wie Marseille, Lens und PSG zurückzuführen. „St. Etienne haben sie 4:0 weggepfeffert. In diesem Fall lügt die Tabelle.“ Alles in allem warte ein „sehr unangenehmer Gegner, gegen den aber auch wir unangenehm auftreten wollen.“ Dafür braucht es gegen eine intensiv und schnörkellos agierende Mannschaft die nötige Aggressivität sowie im Ballbesitz ausreichend Mut.
Letztmals Hallo in der Champions League sagte Sturm übrigens am 13. März 2001, als die „Blackies“ bei Manchester United 0:3 verloren Mit Günther Neukirchner gehört ein Spieler von damals dem Betreuerstab an. Sein Rat: „Wir müssen cool bleiben, dürfen das Spiel nicht hochstilisieren. Es ist ein Spiel wie jedes andere, dauert 90 Minuten.“ Damals wie heute würde Sturm ein guter Mix aus starkem Kollektiv und individueller Klasse auszeichnen: „Aber man kann es nur schwer vergleichen, denn der Fußball hat sich enorm verändert, ist intensiver, schneller und dynamischer geworden.“
Ivica Vastic, der Libero
Und auch der Umgangston in der Kommunikation nach außen hat sich seit der unvergessenen Ära von Jahrhunderttrainer Ivica Osim verändert. In Manchester agierte damals nämlich Stürmer-Star Ivica Vastic nach der Pause als Libero, was eine Leistungssteigerung zur Folge hatte. Der damalige Präsident Hannes Kartnig gab nach dem Schlusspfiff zu Protokoll, dass er schon vor dem Spiel gesagt hätte, dass Vastic als Abwehrchef eingesetzt werden sollte, und schimpfte: „Die erste Hälfte war eine Frechheit. Das war nicht Champions League-würdig, es wurde falsch aufgestellt. Das hätte sogar ein Blinder erkannt.“ Für die Champions-League-Würde ist nun eine neue Generation zuständig, in jeglicher Hinsicht.