Die ganze Woche vor dem „Endspiel“ gegen Austria Klagenfurt hat sich Gregory Wüthrich ausgemalt, wie es sein würde, wenn der Schiedsrichter abpfeift und der SK Sturm als Meister und Double-Gewinner feststehen würde.
„In meiner Vorstellung habe ich mich immer weinend am Boden gesehen. Und jetzt konnte ich noch gar nicht weinen“, lachte der Schweizer rund eine Stunde nach dem Ende des Spiels. Was ganz und gar nicht heißt, dass Wüthrich nicht eine der emotionalsten Stunden seines Lebens hinter sich hatte. In Minute 69 war es der Innenverteidiger, der mit seinem Kopfball zum 1:0 den Weg zum 2:0-Sieg ebnete und vor allem das große Zittern in der Schlussphase verhinderte.
Was sich Wüthrich am Weg zum Eckball gesagt hat
„Schon am Weg von der Mittellinie zum Eckball habe ich zu mir gesagt, ich muss jetzt diesen Ball reinhauen. Es war schon fast die 70. Minute, sonst wäre es eng geworden. Also habe ich es mir fest vorgenommen. Zum Glück hat Tomi Horvat einen super Ball reingebracht“, strahlte Wüthrich.
Es folgten eine kollektive „Explosion“ der Emotionen im Stadion sowie Momente, die Wüthrich aus gutem Grund nicht mehr parat hatte: „Ich kann mich an gar nichts mehr erinnern, was beim Jubel war. Plötzlich kamen alle angerannt, ich konnte mich gar nicht mehr bewegen.“
Ob er unter der Woche auch eine Vision davon hatte, das entscheidende Tor zu erzielen? „Ich habe mir vieles vorgestellt. Es waren auch einige Visionen, wo ich ein Tor mache“, erzählte Wüthrich, stellte jedoch klar: „Das sage ich nicht nur so, es ist wirklich so: Es ist scheißegal, wer das Tor gemacht hat. Das Wichtigste ist, dass wir das Double geholt haben. Das ist ein Moment für die Ewigkeit!“
Ein Moment für die Ewigkeit für den Verein, und irgendwie auch für den Torschützen: „Es ist definitiv der schönste Moment meiner Karriere. Ich hatte viele schöne Momente, wie die Meistertitel in der Schweiz. Aber ich hatte auch viele schwierige Momente, musste viel durchmachen. Eigentlich hatte ich mehr Momente, in denen ich echt Scheiße fressen musste.“
Als Beispiel führte Wüthrich an, dass er sich bei den Young Boys Bern einst vor dem ersten Champions-League-Spiel im Abschlusstraining verletzt hat. In der Folge brachte er es auf lediglich eine einzige Minute in der Königsklasse – eine Ausbeute, die er in der kommenden Saison mit Sturm mutmaßlich steigern wird.
Wann die Tränen fließen werden
„Es ist einfach eine riesige Genugtuung für mich. Ich habe das Gefühl, ich habe es jetzt allen bewiesen, und dieses Gefühl ist unbeschreiblich“, so der 29-Jährige, der noch bei Sturm ist, weil vergangenen Sommer sein Transfer zum FC Augsburg aufgrund des Medizinchecks geplatzt ist. „Das zeigt mir im Nachhinein einfach, dass man belohnt wird, wenn man nie aufgibt“, sagte Wüthrich und musste doch ein wenig stocken.
Wann die Tränen spätestens fließen würden, war jedoch recht einfach vorherzusagen. Seine Freundin war nicht im Stadion und blieb beim gemeinsamen Baby zu Hause. Wüthrichs vielleicht sogar schönste Vision: „Ich freue mich schon so sehr, nach Hause zu kommen, die beiden in den Arm zu nehmen und die Emotionen einfach richtig rauslassen zu können.“