Was fühlt man eigentlich als Torhüter, wenn man einen Ball hält, den viele im Stadion als „unhaltbar“ einordnen? „Das kannst du mit einem Feldspieler vergleichen, der ein Tor erzielt. Es ist ein ähnliches, richtig gutes Gefühl“, erzählt Vitezslav Jaros. Es ist ein Thema, bei dem er definitiv mitreden kann.
Nach einer eher unauffälligen Frühphase seines Engagements beim SK Sturm präsentiert sich der Schlussmann aus Tschechien seit Wochen in bestechender Form. Immer wieder zeigte der 22-Jährige mit sehenswerten Reflexen auf. Die „Blackies“ stehen vor dem vierten Meistertitel ihrer Vereinsgeschichte, gute Tormann-Leistungen sind die Basis dafür.
Ständig auf der Suche nach Details
Die Leihgabe vom FC Liverpool, die im Frühjahr den am Kreuzband verletzten Kjell Scherpen vertritt, zeigt sich selbst zufrieden mit seinen jüngsten Auftritten: „Ich denke, ich habe gut gespielt. Aber in meinen Augen hängt das immer mit dem ganzen Team zusammen. Wenn es für alle gut läuft, hilft das auch den einzelnen Spielern.“
Geholfen hat Jaros die Spielpraxis, die er bei Sturm sammelt, nachdem er im Kalenderjahr 2023 kaum auf Vereinsebene zum Zug gekommen ist. Gerade in Sachen Timing, Entscheidungsfreudigkeit und Gefühl für die Gegenspieler habe er in Graz Fortschritte gemacht.
Gleichzeitig sieht er weiter genügend persönliche Luft nach oben. „Ich bin die Art von Person, die immer nach den kleinen Dingen sucht und auch die Details verbessern möchte. Bisher war ich gut, aber nicht großartig. Es gibt immer Raum für Verbesserungen“, unterstreicht Jaros.
Wer einmal im Tor des FC Liverpool stehen möchte, muss den Drang haben, ständig besser und besser zu werden. Bis 2025 steht er noch beim Kultverein unter Vertrag. Das Feedback ist ein regelmäßiges und derzeit naturgemäß gutes. John Achterberg, der Tormanntrainer der „Reds“, wünscht vor jedem Spiel viel Glück und schaut sich danach jedes Match in voller Länge an. „Wir hören uns echt oft“, sagt Jaros und berichtet, dass sich im Liverpool-Lager Daumendrücker für Sturm finden: „Sie sprechen darüber, dass wir gewinnen, und wünschen mir, dass ich feiern kann.“
In Liverpool hat Jaros nicht nur mit Trainer-Ikone Jürgen Klopp zusammengearbeitet, sondern auch mit Alisson Becker, einem der renommiertesten Goalies der Welt. „Er ist ein großartiger Tormann und in allen Aspekten richtig gut. Von ihm kann man richtig viel lernen“, weiß Jaros aus eigener Erfahrung zu berichten.
Das Idol ist dennoch Iker Casillas. In die spanische Allzeitgröße hat sich „Vit“ bei der WM 2010 verguckt: „Im Endspiel gegen die Niederlande hat er eine ganz entscheidende Parade gemacht. Seither habe ich ihn beobachtet und mir viel von ihm abgeschaut.“ Gemeinhin würde man annehmen, dass man als tschechischer Torhüter automatisch Fan von Petr Cech sein muss. Zugesehen habe er auch dem Nationalhelden stets sehr gerne: „Er ist genauso eine Legende! Ich hoffe, ich kann in seine Fußstapfen treten.“
Dies ist noch ein weiter Weg, aber man kann es als Etappensieg bezeichnen, dass Jaros im März erstmals in den Kader des tschechischen Nationalteams berufen wurde. „Ich war überglücklich, ein Traum ist wahrgeworden“, sagt der Torhüter und hofft, dass seine Leistungen bei Sturm nun auch zu einer Teilnahme an der EURO 2024 führen.
Die Bedeutung seiner Sturm-Zeit für die persönliche Zukunft kann man ohnehin kaum hoch genug einordnen: „Ich habe bewiesen, dass ich auf diesem Level spielen kann. Das ist nicht nur für mich gut zu sehen, sondern auch für Liverpool. Ich bin wirklich glücklich, wie es bisher gelaufen ist.“ Wie viel näher er seinem Traum, die Nummer eins des FC Liverpool zu werden, in Graz gekommen ist? „Definitiv näher, als ich es vor fünf Monaten war. Es war ein Schritt in die richtige Richtung. Hoffentlich folgen weitere.“
Zukunft ab Sommer offen
Wie es im Sommer weitergeht, ist unklar und gerade in dieser Woche der Titelentscheidung auch nicht das Thema, um das sich seine Gedankenwelt dreht. „Ich habe wirklich keine Ahnung“, sagt Jaros, „aber ich vermute, der Plan könnte sein, dass ich nach Liverpool zurückkehre und mich dort unter einem neuen Trainer dem Wettbewerb stelle. Aber ich bin mir noch nicht sicher.“
Dass der Torhüter im Fall der Fälle am liebsten als österreichischer Meister zurückkehren würde, versteht sich von selbst. Ein Sieg am Sonntag gegen Klagenfurt, und der Hauptpreis ist den Sturm-Spielern sicher. Es sind Drucksituationen wie diese, in denen Akteure wie sein Vorbild Casillas oft über sich hinaus gewachsen sind. Jaros findet: „Wenn du auf einem guten Level spielen möchtest, musst du mit Druck umgehen können.“