Legendär ist diese Sturm-Elf jetzt schon. Gelingt der finale Schritt zum Meistertitel, würden zahlreiche Double-Helden Aufnahme in den Kreis der schwarz-weißen Allzeitgrößen finden. Begleitet von zahlreichen Erinnerungen und Anekdoten, die sich ins kollektive Gedächtnis einprägen.
Gut möglich, dass in ein oder zwei Jahrzehnten folgende Frage unter Sturm-Fans diskutiert wird: „Weißt noch, wie der ‚Kite‘ damals aufgedreht hat, als es um alles ging?“ Gemeint ist Otar Kiteishvili, der auf und abseits des Platzes eine magische Arbeitswoche hinter sich hat.
Sein emotionaler Kabinen-Weckruf angesichts des 0:1-Pausen-Rückstands beim Cupsieg gegen Rapid hat sein Kapitel in der Sturm-Historie bereits sicher. Am Sonntag folgte der 1:1-Ausgleich in Unterzahl gegen Hartberg – ein Treffer, dessen Wichtigkeit man gar nicht hoch genug einordnen kann.
Kabinenpredigt? „Manchmal sind solche Worte notwendig“
„Dieses Tor spricht Bände. Eine unglaubliche Willensleistung, wie er nachgegangen ist und den Rebound gekriegt hat“, lobt Geschäftsführer Sport Andreas Schicker. Kiteishvili selbst erzählt: „Ich habe versucht zu dribbeln, nachdem ich den Ball bekommen habe, und so schnell wie möglich an Raum zu gewinnen. Dann wollte ich eigentlich zu Mika Biereth passen. Das ist mir nicht gelungen, ich habe den Ball wiederbekommen und musste nur noch abschließen.“
So ruhig, wie der EM-Teilnehmer mit Georgien von dieser Einzelleistung berichtet, kann man sich kaum vorstellen, dass dieselbe Person vier Tage zuvor gemeinsam mit Gregory Wüthrich eine komplette Mannschaft derart mitgerissen hat, dass nicht nur Trainer Christian Ilzer vom „Wendepunkt“ gesprochen hat.
„Ein Finale ist emotional“, stellt Kiteishvili trocken klar, „manchmal sind solche Worte notwendig. Wir waren in der ersten Halbzeit nicht gut genug und brauchten ein bisschen mehr Power, um auf dem Platz zu brennen.“
Verfehlt haben die Worte des 28-Jährigen ihre Wirkung nicht. „Cupfinale, 30.000 Zuschauer, 0:1-Rückstand gegen Rapid – genau dann brauchst du Führungsspieler, die in schwierigen Momenten da sind“, verdeutlicht Schicker.
Der Sportchef unterstreicht, dass Sturm diesbezüglich neben Kiteishvili mit Wüthrich, Jon Gorenc Stankovic oder Dimitri Lavelee weitere Leader mit ähnlichem Auftreten besitzen würde. „Das sind nicht die großen Lautsprecher, aber wenn dann ruhigere Typen etwas sagen, hat es eine Kraft“, findet Schicker, der beim Cupfinale noch gesperrt war, also nicht als Ohrenzeuge in der Kabine anwesend sein konnte. Aber aus Erzählungen hat er natürlich davon gehört: „Scheinbar hat er ordentlich aufgedreht und die richtigen Worte gefunden.“
Wie so vieles im Leben sind auch solche Motivationsreden eine Frage des Timings. Dampfplauderer soll es in Fußball-Kabinen genügend geben. Schicker: „Ich bin kein Freund von Führungsspielern, die immer den Mund offen haben und alles besser wissen. Das Gespür zu haben, wann man etwas sagt, ist auch eine Qualität.“
Bleibt Kiteishvili oder geht er?
Wie lange diese Qualität in Person von Kiteishvili Sturm noch zur Verfügung steht, sorgt schon länger für großes Rätselraten unter den Anhängern. Der Vertrag des seit 2018 in Graz tätigen Spielmachers läuft aus. Eine Entscheidung über die Zukunft ist noch nicht gefallen.
„Es ist nicht ausgeschlossen“, gibt Schicker die Hoffnung auf einen Verbleib jedenfalls nicht auf und berichtet von seinem vertrauensvollen Verhältnis zu „Kite“. Der 37-Jährige verspricht: „Wir werden alles versuchen, haben jedoch auch im Falle einer Champions-League-Teilnahme unsere Grenzen. Das weiß Otar. Wir werden sehen, ob wir es noch schaffen. Wir werden uns jedenfalls rauslehnen und alles probieren.“
Gelingt der Sprung in die Königsklasse, wäre dies für Sturm wohl ein ausgezeichnetes Argument. Aber noch fehlt ein Sieg, um dieses große Ziel zu fixieren. Entsprechend stehen Vertrags-Gespräche derzeit auch nicht im Mittelpunkt. „Schon wieder dieses Thema“, grinst Kiteishvili auf seine Zukunft angesprochen.
Dabei interessiert ihn in Tagen wie diesen eigentlich nur eines: „Ich will, dass wir diesen Titel gewinnen! Seit ich bei Sturm bin, ist es noch nie gelungen, die Meisterschaft zu holen. Das ist unser Traum, wir sind dem Traum sehr nahe und nur darum geht es gerade.“ Wer Kiteishvilis Entschlossenheit bei diesen Worten erlebt, versteht, dass er andere auf ein Ziel einschwören kann.