Wird denn der Akku der Sturm-Spieler niemals leer? Das Duell mit Hartberg ist bereits Pflichtspiel Nummer 48 für den frischgebackenen Cupsieger mit Double-Ambitionen in dieser Saison. Drei Spiele warten noch in der Bundesliga. Nach Begegnung Nummer 50 möchten die Grazer den Meistertitel bejubeln.
Im Vergleich mit der nationalen Konkurrenz hat Sturm die meisten Matches absolviert. Nach dem Kräftemessen mit den Oststeirern folgen zumindest keine weiteren englischen Runden.
Belastungssteuerung ist schon seit Wochen und Monaten eines der schwarz-weißen Zauberwörter. Die Marathon-Männer im Kader halten bei 44 von 47 möglichen Einsätzen (siehe Grafik). Viele Einsätze bedeuten jedoch nicht automatisch viele Minuten, wie das Beispiel William Böving verdeutlicht. Der lange an einer Schambeinverletzung laborierende Däne spielte zwar 42 Mal, allerdings „nur“ für insgesamt 2228 Minuten.
„Wenn wir jetzt noch 15 Spiele hätten, wäre das auch möglich“, glaubt Marco Angeler und verdeutlicht damit die Sphären, die dieses Team in Sachen Belastbarkeit erreicht hat. Sturms Athletiktrainer wählt dafür das Bild eines Handys: „Nach einem Spiel ist es vergleichbar mit einem Handy, dessen Akku bei 15 oder 20 Prozent ist. Danach geht es darum, dass du den Akku wieder auflädst.“
Dies ist leichter gesagt als getan und von vielen Komponenten abhängig. In den vergangenen Jahren konnte man bei Sturm jedoch sowohl Wissen als auch Erfahrung im Umgang mit einer hohen Belastung sammeln. Dieses wird ständig erweitert und an diversen Stellschrauben gedreht. Von denen gibt es viele.
Dies beginnt beim Individuum, geht über die Mannschaft als Kollektiv, das wiederum von einem Experten-Kreis gesteuert wird. An der Spitze dieser Pyramide steht für Angeler die Eigenverantwortung der Spieler. Gemeint sind Eckpfeiler wie die richtige Ernährung oder genügend Schlaf.
Der Schweinehund
Darauf baut die Bereitschaft auf. „Der Kopf steuert den Körper“, erklärt der 35-Jährige, „du musst immer wieder über den Schweinehund drübergehen können. Die Beine machen, was der Kopf befiehlt.“ Die aktuelle Sturm-Truppe verfüge über eine extreme Bereitschaft, an die Leistungsgrenze zu gehen, was auch mit dem Hunger nach Erfolg zu tun habe.
Dies resultiert auch aus der Qualität der täglichen Zusammenarbeit: „Die Spieler machen sich gegenseitig besser. Wenn die einen Gas geben, müssen das alle. Ich habe schon öfter von großen Teams gelesen, dass sie unter der Woche die schwierigsten Spiele und die härtesten Gegenspieler hatten. Wenn du das kreieren kannst, wird es ‚leichter“ am Wochenende.“
Die leistungsfördernde Atmosphäre im Kader, die speziell von den Führungsspielern vorgelebt wird, kommt auch hier zum Tragen. „Diese Mannschaft braucht nicht immer einen Input von außen. Die Spieler regeln sich vieles selbst, weil sie einfach erfolgreich sein und Titel gewinnen will. Dadurch hat sich eine Eigendynamik entwickelt. Ich könnte daherschwafeln, was ich möchte – wenn die Führungsspieler das für die jeweilige Situation richtige Verhalten vorleben, werden sich die jungen Spieler anpassen.“
Diese Professionalität hätte man auch nach dem Cupsieg unter der Woche beobachten können. Es war nicht verboten, mit Bier anzustoßen. Es blieb jedoch alles im Rahmen, am nächsten Tag seien die Spieler wieder frisch im Trainingszentrum aufgetaucht.
In Messendorf wiederum üben die Betreuer den nötigen Einfluss aus. „Die Stellschraube, die wir haben, ist der Trainingsumfang“, unterstreicht Angeler, „das kann auch tricky sein. Nicht jede Trainingsgruppe macht dasselbe, denn das wäre für die Startspieler zu viel und für die anderen Spieler zu wenig. Deswegen splitten wir oft in zwei, manchmal sogar drei Trainingsgruppen.“
Das Mindset
Egal welche Gruppe: Hauptsache es wird mit voller Intensität trainiert. Wie lange ein Spieler belastbar ist, wird engmaschig anhand von GPS-Daten überprüft: „Das werten wir genau aus, sodass die Spieler ihre Akkus wieder laden können.“
Mit welchem Akkustand Sturm nach dem intensiven Programm der vergangenen Wochen ins Spiel gegen Hartberg geht, wird sich weisen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der körperliche Zustand trotz allem ein guter sein wird, ist nach den Erkenntnissen der vergangenen Wochen allerdings eine hohe.
„Im Endeffekt geht es immer um den richtigen Zugang. Das Mindset besteht aus Verhalten und Denkweise gemeinsam“, so Angeler. Was, wenn tatsächlich noch 15 Matches auf dem Programm stünden? „Dann würden wir eines nach dem anderen anvisieren und die bestmöglichen Entscheidungen treffen.“