Ein neues Jahr hat begonnen, die Bundesliga-Saison nimmt ihren Lauf. Wie haben Sie die vergangenen Monate erlebt und wie nehmen Sie die gegenwärtige Entwicklung wahr?

DIETMAR KÜHBAUER: Die Gesamtsituation ist wirklich unglaublich, und es ist ja noch immer ein Problem. Mit den Impfungen geht es schon sehr zäh. Es ist gut, dass Mediziner, das Pflegepersonal und die alten Menschen bei den Impfungen zuerst drankommen, aber im Vergleich mit vielen anderen Ländern scheinen wir eher langsam unterwegs zu sein.

Es gab ja 2020 auch noch andere Themen als Corona wie den Mattersburg-Skandal, das war wohl eine zusätzliche Belastung?

Ja, das ist dazugekommen, aber so eine Pandemie, dass wir so etwas erleben, war nicht vorstellbar. Das kennst du normal nur aus Filmen.

Und wie erleben Sie diese Zeit in der Realität?

Das ist ein Wahnsinn, das Leben wird völlig auf den Kopf gestellt. Wenn ich nur an den Handel, an die Gastronomen denke, in diesen Bereichen sind die Folgen ja unabsehbar. Das Leben läuft vollkommen eintönig ab. In meinem Fall heißt das Training, daheim, Training, daheim. Aber für die Kinder ist es noch schlimmer. Diejenigen, die noch ihrem Beruf nachgehen können, dürfen sich nicht beschweren.

Vor dieser Wirklichkeit erscheint der Fußball nachrangig, aber es geht weiter. Mit Rapid ist es ja einige Zeit gut gelaufen, in der Europa League hat es jedoch nicht geklappt. Wie beurteilen Sie den Ablauf?

Das war vor allem für die Medien ein Thema. Gut, wir haben es nicht geschafft, aber hat es der LASK geschafft? Nein, und ich weiß nicht, ob Antwerpen besser ist als Molde, die sind Siebenter in Belgien. Bei Rapid gibt es halt sehr schnell einen Aufschrei. Natürlich hätten wir weiterkommen können, aber wegen eines Spiels lasse ich mir nicht alles schlechtreden. Das heißt nicht, dass wir uns schönreden. Aber wir liegen nur einen Punkt hinter dem Tabellenersten, obwohl wir mit Stefan Schwab und Thomas Murg die Spieler verloren haben, die für ein Drittel der Tore verantwortlich waren. Da muss ich der Mannschaft schon ein riesiges Lob aussprechen.

Sie sind jetzt mittlerweile mehr als zwei Jahre Trainer bei Rapid, haben zuvor kleinere Klubs betreut wie die Admira, den WAC, St. Pölten. Wie erleben Sie da im Vergleich den Druck, der bei diesem Verein herrscht?

Der Druck ist ungleich höher. Jeder glaubt alles zu wissen. Aber in der Meisterschaft hat sich der Punkteschnitt, seit ich begonnen habe, von 1,7 auf 2,0 verbessert. Damit wärst du vor der Ära der Salzburg-Dominanz Meister geworden. Du brauchst hier eben ein sehr dickes Fell.

Woher rührt dann Ihrer Meinung nach diese Kritik, die regelmäßig ins Spiel gebracht wird?

Das berührt mich im Grunde nicht wirklich. Im Verein haben wir alles auf den Tisch gelegt und die Fakten sprechen für die Mannschaft. Nur im Bereich der Standardsituationen ist es nicht gut gelaufen. Da haben wir unsere Probleme gehabt. Aber wir haben in Wien die meisten Mannschaften dominiert, auch auswärts gepunktet. Wichtig ist, dass man die Entwicklung sieht, und die ist sehr gut. Aber bei uns werden immer Siege gefordert. Salzburg hat von den letzten fünf Spielen drei verloren. 

Aber bei Rapid sind die Ansprüche eben immer sehr hoch.

Das ist mir natürlich bewusst. Und man kann sich ja von außen gar nicht vorstellen, was im Stadion für eine Stimmung herrscht, wenn die Hütte voll ist. Über Rapid wird auch viel mehr diskutiert als über andere Klubs. Von Rapid werden Titel gefordert. Das ist schwer. Da muss alles funktionieren.

Wie beurteilen Sie die spielerische Entwicklung der Mannschaft?

Ich glaube, da ist wirklich etwas weitergegangen. Wir versuchen immer offensiv zu spielen. Ich glaube auch, dass wir meistens dominant auftreten. Wir schießen Tore, allerdings denke ich, dass wir uns für die Leistungen zu wenig mit Toren belohnt haben.

Wie würden Sie ihre persönliche Entwicklung als Trainer im Laufe der Jahre darstellen?

Ich bin mittlerweile ein komplett anderer geworden. Natürlich will ich weiterhin möglichst authentisch bleiben, aber nach zwölf Jahren als Profitrainer siehst du Dinge entspannter, ohne dass der Ehrgeiz verloren geht. Auf dem Platz bin ich weitaus ruhiger geworden. Man wächst mit der Aufgabe, man wird erfahrener und ich würde sagen, auch weiser, so blöd das jetzt klingt.

Zu Beginn waren Sie ja auch noch sehr nahe an der Rolle als Spieler dran?

Ja, das ist auch ein Aspekt. Aber dann geht man in sich und sagt sich, was kann ich an mir verändern? Wer mich in den vergangenen Jahren beobachtet hat, wird gemerkt haben, dass ich nicht mehr ausgerastet bin. Ich glaube, ich gehöre mittlerweile zu den Trainern mit der geringsten Anzahl an gelben Karten. Dabei würde es viele Gelegenheiten geben, aufbrausend zu sein. Aber es nützt ja nichts. Ich werde jetzt 50, da muss ich niemandem mehr etwas beweisen. Ich glaube, dass ich in allen Lebenslagen eine Entwicklung durchgemacht habe.

Welchem Trainertypus würden Sie sich auf fachlicher Ebene zuordnen?

Du musst in allen Belangen mitgehen, aber nicht alles mitmachen. Der Fußball entwickelt sich immer wieder in eine bestimmte Richtung. Aber du solltest vor allem jene Aspekte berücksichtigen, von denen du glaubst, dass deine Mannschaft am stärksten ist und nicht etwas verändern, nur weil es gerade modern ist oder weil es große Mannschaften tun. Es haben ja nicht alle dieses Spielermaterial. Ich muss mir immer die Frage stellen: Was ist mit dieser Mannschaft möglich? Es geht nicht darum, was ich gerne spielen würde. Denn dann schau ich blöd drein, weil es nicht funktioniert. Als ich zu Rapid gekommen bin, habe ich gewusst, dass wir nicht so gegen den Ball arbeiten konnten wie es jetzt möglich ist. Du musst fachlich am Ball bleiben, ohne aber jeden Schnickschnack mitzumachen. 

Sie wollen aber nicht der große Fußball-Welterklärer sein?

Ich bin jedenfalls nicht der Trainer, der alles an die große Glocke hängen muss. Mittlerweile gibt es ja viele Mitteilungsbedürftige in unserer Branche, die sich hinstellen und sagen, dass sie sich was überlegt haben. Ich glaube, dass sich inzwischen jeder Bundesliga-Trainer etwas überlegt. Ich trage das aber nicht gern nach außen. Ich muss nicht jeden Sieg erklären, von einem solchen Geltungsdrang bin ich sehr weit weg.

Demut schadet nicht.

Ja, was man mir vielleicht nicht so zutrauen würde. Aber ich bin schon sehr dankbar, so einen Job zu haben, trotzdem muss man immer am Puls bleiben. 

Ihr Vertrag läuft im Sommer aus, bisher gab es noch keine Verlängerung. Wie kommentieren Sie diesen Umstand?

Darüber will ich jetzt eigentlich nicht reden. Ich kann nur die Taten sprechen lassen. Wir haben 24 Punkte aus 12 Spielen, obwohl wir den Kader nicht aufgestockt haben.

Sie haben schon die Rapid-Atmosphäre ins Spiel gebracht. Derzeit ist die Stimmung eine Illusion, ein volles Stadion ist inzwischen fast unvorstellbar geworden. Es ist naheliegend, aber trifft der Ausschluss der Zuschauer Rapid härter als andere Klubs?

Absolut. Wir haben tolle Spiele gemacht und unsere Stimmung ist einzigartig in Österreich. Was 20.000 bei Rapid veranstalten, entspricht woanders einem 50.000er-Stadion. Seit März müssen wir darauf verzichten. Mit unseren Spielen wäre es jetzt wahrscheinlich in Richtung 25.000 gegangen. Auf Dauer ist das bedrückend, aber wir können wenigstens noch Fußball spielen.

Am Freitag geht es für Rapid gegen Sturm. Sind Sie vom bisherigen Abschneiden der Grazer überrascht?

Überrascht bin ich nicht. Sturm macht es heuer wirklich gut, aber es ist ja nicht so, dass da eine schlechte Mannschaft auf dem Platz steht. Sie machen es in der Defensive und gegen den Ball unglaublich gut. Sie sind schwer zu bespielen, es ist immer sehr intensiv, da gibt es keine Verschnaufpausen. Aber wir müssen nicht in Superlativen reden. Sie haben auch eine gute Qualität und gehören auf jeden Fall ins Obere Play-off. Wir freuen uns auf das Spiel.