Geben Sie uns bitte einen Einblick, wie sich die Lage im Fußball in den vergangenen Tagen entwickelt hat.
WOLFGANG BARTOSCH: In den letzten Tagen war es eine Reise, bei der man von Stunde zu Stunde nie gewusst hat, wie es aussehen wird. Jetzt ist klar, dass wir als größter Fachverband als Vorbild unseren Beitrag zur Eindämmung des Coronavirus leisten und alle Fußballspiele im Amateurbereich absagen. Zunächst haben wir intensiv beraten, wie wir vorgehen sollen. Die Bundesregierung hat zurecht rigorose Maßnahmen festgelegt, aber die Türe offengelassen, dass man Freiluftspiele mit bis zu 500 Personen abhalten kann. Wir haben uns nach eingehender Diskussion dafür entschieden, die Meisterschaft im Erwachsenenfußball abhalten zu wollen, weil die Zahl 500 ja nur vereinzelt im Amateurfußball überschritten wird. Außerdem hat ja auch die Bezirksverwaltungsbehörde die Möglichkeit, nach dem Erlass weitere Maßnahmen festzulegen. Das heißt, im Einzelfall wäre es ja möglich gewesen, einzelne Spiele abzusagen. Damit haben wir auch rechnen müssen. Aber letztlich haben sich die Ereignisse überschlagen. Es ist zur Entscheidung gekommen, die Schulen zu schließen. Da war für uns von Vornherein klar, dass wir den Nachwuchsspielbetrieb in jedem Fall aussetzen werden. Und schließlich haben wir – die Landesverbände und der ÖFB gemeinsam – uns entgegen der ursprünglichen Meinung einhellig darauf verständigt, als Vorbild unseren Beitrag zu leisten und die Meisterschaft zur Gänze aussetzen.

Wie viele fallen jetzt um die Freizeitbeschäftigung Fußball um?
BARTOSCH: Man muss davon ausgehen, dass im Amateurfußball in der Steiermark pro Wochenende 500 bis 600 Spiele stattfinden. Wenn man das alles zusammenrechnet, sind bis zu 100.000 Menschen auf den Fußballplätzen an einem Wochenende. Das ist eine enorme Dimension. Vor diesem Hintergrund ist es schon unsere Verantwortung, dass wir in dieser prekären Situation unseren Beitrag leisten.

Wie sollen Vereine mit dem Trainingsbetrieb umgehen?
BARTOSCH: Grundsätzlich liegt das im Verantwortungsbereich der einzelnen Vereine. Wir haben mehrere Anfragen in diese Richtung, wobei ich davon ausgehe und sagen kann, dass die Empfehlung in Richtung Einstellung des Trainingsbetriebes geht.

Wie sehr blutet Ihr Herz in dieser Situation?
BARTOSCH: Das blutet natürlich fürchterlich. So eine Situation habe ich mir bis vor Kurzem überhaupt nicht vorstellen können. Aber es sind alle in der Gesellschaft gefordert, zusammenzuhalten.

Wie geht es weiter mit den Meisterschaften? Holt man die Spiele nach oder sagt man komplett ab?
BARTOSCH: Wir werden demnächst eine außerordentliche Vorstandssitzung einberufen. In dieser Krisensitzung werden wir darüber beraten, wie wir weiter vorgehen. Weil eines steht fest: Es fallen drei bis vier Runden aus. Und es wird gerade im Amateurbereich sehr schwierig sein, diese Runden aufzuholen. Wir müssten viele englische Runden spielen. Es sind lauter Amateurfußballer, die berufstätig sind. Da wird es sehr schwierig, dass diese zwei Mal in der Woche Meisterschaft spielen. Wie wir damit umgehen werden, ist noch nicht abschätzbar. Sollte es zu einer Verlängerung der Maßnahmen kommen, müssen wir davon ausgehen, dass die Meisterschaft ohnehin abzubrechen sein wird. Die Vereine wollen ja auch wissen, wie es weitergeht. Aktuell können aber viele Fragen noch nicht beantwortet werden.

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Kommen wir zu Ihrer Funktion als ÖFB-Vizepräsident: Ist es sinnvoll, dass das Nationalteam weiter plant, seine Testspiele gegen Wales und die Türkei auszutragen?
BARTOSCH: Derzeit kann man noch davon ausgehen, dass die EM-Endrunde stattfinden wird. Auch die ist ja mittlerweile in Frage zu stellen. Von der sportlichen Seite ist es verständlich, dass der Teamchef die Trainingsspiele abhalten will. Aber die Dinge können sich ja immer ändern.

Darf man Sie fragen, ob Sie eigentlich begeistert von einer Euro in dieser Form sind?
BARTOSCH: Persönlich darf man mich natürlich fragen. Ich glaube, dass da eine zu starke Kommerzialisierung des Fußballs stattfindet. Eine Austragung mit zwölf Standorten, wo einer gar nicht in Europa liegt, halte ich nicht für vorteilhaft. Ich hoffe, dass sich so etwas nicht wiederholen wird.

Sie sind auch Direktor der Arbeiterkammer. Was passiert jetzt nach den Schulschließungen mit der Kinderbetreuung?
BARTOSCH: Die Drähte laufen bei uns in der Arbeiterkammer heiß. Genau diese Frage steht momentan im Vordergrund. Da gibt es arbeitsrechtlich im Detail noch einige Fragen, die unterschiedlich gesehen werden. Wie lange dauert die Entgeltfortzahlung? Es geht vor allem um die Dauer der Entgeltfortzahlung für die ArbeitnehmerInnen, die zur Kinderbetreuung zu Hause bleiben müssen. Wobei eine Dauer bis zu einer Woche unstrittig ist. Es geht vor allem um den Zeitraum darüber hinaus. Wir sind aber bestrebt – es gibt ja aktuell Verhandlungen mit allen Sozialpartnern –, dass der Arbeitnehmer sein Entgelt fortgezahlt bekommt, andererseits aber der Arbeitgeber auf der Grundlage des Epidemiegesetzes eine Refundierung der Entgeltfortzahlung erhält. Man muss natürlich bedenken, dass es für die Wirtschaft verkraftbar ist. Da muss man beide Seiten sehen.

Müssen Arbeitnehmer eigentlich weiter am Arbeitsplatz erscheinen, obwohl sie sich fürchten, sich anzustecken? Wie sieht da die rechtliche Lage aus?
BARTOSCH: Die Angst alleine vor dem Coronavirus wird nicht ausreichen, um nicht zur Arbeit zu erscheinen. Die Arbeitspflicht besteht trotzdem. Das wäre im Extremfall sogar ein Entlassungsgrund. Aber natürlich ist das eine außergewöhnliche Situation. Es gibt natürlich eine Reihe von Empfehlungen, wie man jetzt damit umgehen soll – am Arbeitsplatz mit Desinfektionsmitteln, nicht Hände schütteln, Verhaltenregeln usw. Aber es gibt auch keine einseitige Anordnung von Home Office. Es gibt die Empfehlung, dass man Arbeiten, die zu Hause verrichtet werden können, möglichst zu Hause verrichten sollte. Das ist aber auch eine arbeitsvertragliche Frage. Es kann der Arbeitnehmer nicht dazu verpflichtet werden, wenn er sich nicht im Vorhinein im Vertrag dazu verpflichtet hat. Umgekehrt kann der Arbeitnehmer auch nicht von sich aus einseitig darauf bestehen, dass er die Arbeit von zu Hause verrichten kann. Das sind Fragen, die im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abzuklären sind. Aber ich glaube, in dieser außergewöhnlichen Situation ist es so, dass von beiden Seiten ein hohes Maß an Verständnis besteht.

Wie sieht es eigentlich mit Arbeitnehmern aus, die ins Ausland reisen müssen?
BARTOSCH: Die Frage lautet: Müssen sie dorthin fahren oder müssen sie nicht dorthin fahren. Wenn aber die Einreise nicht verboten ist und die Flüge nicht annulliert sind. Dann werden wohl grundsätzlich alle arbeitsvertraglichen Pflichten im bisherigen Umfang aufrecht bleiben.

Spürt man von beiden Seiten das Entgegenkommen bzw. das Verständnis?
BARTOSCH: Im Großen und Ganzen gibt es die Spürbarkeit eines großen Verständnisses. Das schließt aber nicht aus, dass es auch im Einzelfall zu streitigen Situationen kommt.

Wie schaut es in der Gastronomie aus?
BARTOSCH:
All das gilt auch für die Gastronomie. Die Gastronomie ist eine besondere Problembranche, was Rechtsstreitigkeiten betrifft. Wir haben soeben unsere Leistungsbilanz veröffentlicht, aus der wiederum hervorgeht, dass die Gastrobranche jene Branche mit den meisten Streitigkeiten ist. Schon seit Aufzeichnung unserer Rechtschutzstatistik 1992 ist das Gastgewerbe regelmäßig an der Spitze. Wir werden sehen, wie es weitergeht.