Legen die jüngsten Auftritte der Mannschaft die Vermutung nahe, dass der Mannschaft die Souveränität der Anfangsphase zuletzt ein bisschen abhanden gekommen ist oder täuscht dieser Eindruck?
Christoph Freund: Die Leichtigkeit ist vielleicht nicht mehr in jenem Ausmaß vorhanden, wie es zu Beginn der Saison der Fall war, als wir etliche Spiele mit großer Tordifferenz für uns entschieden haben. Da ist alles etwas leichter von der Hand gegangen, aber ich glaube, dass es in jeder Saison solche Phasen gibt, wo es etwas schwieriger wird. Fakt ist, dass wir in der Bundesliga noch nie verloren haben und bis jetzt eine richtig gute Saison spielen.
Hängt diese Einschätzung auch mit den hohen Ansprüchen an Salzburg zusammen?
Die Erwartungshaltung steigt natürlich sehr schnell. Wenn ich die vergangenen Monate ein bisschen Revue passieren lassen darf, so möchte ich nur dran erinnern, dass die Frage im Raum stand, ob wir in dieser Saison überhaupt stark genug sein würden, um unsere Ziele wieder erreichen zu können. Zwei Monate später hat es geheißen, wir schießen alles in Grund und Boden, jetzt sind wir auf einmal einer der Favoriten in der Champions League. Ich gehöre zu denen, die den Mittelweg wählen. Ich bin sehr zufrieden, sowohl wie wir in der Bundesliga als auch in der Champions League bisher aufgetreten sind. Die Mannschaft ist auf einem richtig guten Weg, ich bin in keiner Weise beunruhigt.
Was aber könnte die Ursache sein für diese kleine Delle in der Formkurve? Wird der Druck zu groß?
Ich sehe überhaupt keine Delle bei uns. Der Druck spielt sicher eine Rolle. Unsere Gegner haben sich vielleicht auch besser auf uns eingestellt. Am Anfang haben ja auch einige Jungs gespielt, die in Österreich noch nicht so bekannt waren, wo der Überraschungseffekt auch zum Tragen gekommen ist. Das hat sich auch ein bisschen geändert. Wir haben eine sehr junge Mannschaft, die jetzt lernen muss, auch mit so einer Situation umzugehen. Ich glaube, das ist für den Entwicklungsprozess eine sehr wichtige Phase.
Apropos Erwartungshaltung: Was erwarten Sie noch von der laufenden Saison der Champions League?
Es kommen zwei interessante Spiele auf uns zu. In Genk haben wir eine sehr wichtige Partie vor uns, in der wir fixieren wollen, dass wir weiter international im Rennen bleiben. Wir dürfen in Belgien nicht verlieren, wollen nach Möglichkeit drei Punkte mit auf die Rückreise nach Salzburg nehmen. Und dann erwartet uns noch ein echtes Highlight mit dem Match gegen Liverpool, auf das wir uns schon seit der Auslosung freuen. Wir wollen diese Spiele auch noch genießen. Schon die bisherige Champions-League-Saison ist für uns ja sehr spektakulär verlaufen.
Bei der aktuellen Ausgangslage mit Platz drei zu sagen, in der Champions League weiter kommen zu wollen, wäre wohl etwas vermessen, oder?
Das ist im Grunde nicht unser Thema. Wir wollen das Spiel in Genk gewinnen oder mindestens einen Punkt holen, dann hätten wir unser primäres Ziel einen Spieltag vor Schluss erreicht. Das wäre ein Super-Erfolg. Sollten wir gewinnen und die Konstellation so sein, dass wir noch eine Chance haben, dann werden wir natürlich alles probieren. Am letzten Spieltag gegen Liverpool wollen wir jedenfalls noch ein richtiges Fußballfest feiern und dann schauen wir einmal, was herauskommt.
Der Trainer hat zuletzt die Defensive kritisiert, die Forderung erhoben, das müsse besser werden. Besteht in dieser Hinsicht personell Nachholbedarf?
Nein. Ich glaube, man muss da ein bisschen vorsichtig sein. Man muss sehen, wo man ansetzt. Natürlich ärgern wir uns, wenn wir ein überlegen geführtes Spiel wie gegen St. Pölten nicht gewinnen, weil individuelle Fehler passieren und wir, wie auch vorher des Öfteren, zu leicht Tore bekommen haben. Aber wir haben genügend Qualität in der Abwehr. Defensive beginnt ja ganz vorne, das betrifft die gesamte Mannschaft. Natürlich sind wir bestrebt, die Fehler abzustellen, aber wir haben da hinten richtig gute Leute, daran liegt es sicher nicht. Es geht einfach darum, den Fokus zu bekommen, über 90 Minuten voll konzentriert zu bleiben.
Werfen wir einen Blick auf die Offensive, da ist ja Erling Haaland seit vielen Wochen in aller Munde. Halb Europa scheint an eurem Topstürmer interessiert zu sein. Was ist dran an all diesen Transfergerüchten? Konkret gefragt: Stimmt es, dass Leipzig ein Vorkaufsrecht besitzt?
Es wird nie irgendein Verein ein Vorkaufsrecht auf irgendeinen Spieler des FC Red Bull Salzburg besitzen. Das war in der Vergangenheit nicht so und wird auch in Zukunft nicht der Fall sein. Es ist schon sehr verwunderlich, welche Gerüchte in den letzten Wochen fast täglich rund um Erling auftauchen. Darüber kann man teilweise nur den Kopf schütteln und schmunzeln.
Wie sieht es nun bei Haaland aus? Liegen konkrete Angebote vor, die einen Wechsel schon im Winter möglich erscheinen lassen?
Es sind keine Angebote da. Es wird extrem viel berichtet und gemunkelt. Natürlich ist es eine außergewöhnliche Situation, dass wir in Salzburg so einen Stürmer haben, der innerhalb so kurzer Zeit für so viel Furore sorgt, und das in diesem Alter (19, Anm.). Wir genießen die Zeit mit Erling und sind happy, dass er bei uns ist. Aktuell ist es ein perfekter Platz für ihn und auch für uns. Insgesamt ist es nicht anders als vor zwei oder drei Monaten. Die Situation hat sich nicht geändert, weil wir mit keinem Verein über Haaland gesprochen haben.
Also von Klub zu Klub hat es keinen Kontakt in irgendeiner Form gegeben?
Nein.
Dann läuft es über die Manager.
Oder über die Medien. Ich habe schon gelesen, dass er bereits bei Real Madrid gelandet ist oder bei Manchester United, Bayern, Arsenal, Leipzig, Dortmund…..
Also ist das 100-Millionen-Angebot von United reine Fiktion?
Ja. Es treibt schon alles sehr wilde Blüten.
Wie steht der Spieler selbst dieser ganzen Geschichte gegenüber?
Er muss drüber schmunzeln. Er hat einmal gesagt, es langweilt ihn schon ein bisschen. Es ist ja alles übertrieben. aber so etwas hat es ja in Österreich noch nie gegeben. Wir gehen mit dieser Situation sehr relaxed um, und der Erling ebenso.
Das heißt, Sie gehen davon aus, dass er diese Saison bei Salzburg zu Ende spielt?
Das ist unser Plan, und da bin ich zuversichtlich.
Wie beurteilen Sie die Konkurrenz in der Meisterschaft, der LASK ist ja knapp an Salzburg dran?
Ja, der LASK spielt eine richtig starke Saison, aber auch der WAC. Ich finde das gut und wichtig für den österreichischen Fußball, wenn andere Vereine so gute Arbeit leisten und so konstant auf diesem Level spielen. Das ringt mir großen Respekt ab. Aber es war schon in den vergangenen Jahren nicht der Fall, dass die Meisterschaft schon nach der Herbstsaison entschieden war. Jeder Titel ist schwierig zu gewinnen.
Wie sind Sie mit der Entwicklung im Umfeld zufrieden? Wie entwickelt sich das Publikumsinteresse abseits der immer ausverkauften Champions League?
Ich sehe das absolut positiv. Die Champions League-Heimspiele waren ja schon vor der Auslosung ausverkauft. Und wir sind auch in der Bundesliga auf einem guten Weg, haben eine tolle Stimmung im Stadion und auch gestiegene Zuschauerzahlen. Wir stehen jetzt bei einem Schnitt von über 10.000. Ich glaube, dass wir den in der Meisterrunde noch einmal steigern werden.
Wie stellt sich die Innensicht des Vereins über den Blick von außen dar? Red Bull Salzburg ist ja von den sogenannten Traditionsvereinen stets mit Argwohn betrachtet und als Kommerzverein herabgewürdigt worden. Hat sich das Ihrer Ansicht nach zum Positiven hin verändert?
Ich glaube schon, soweit ich es erkenne. Es sehen auch andere Vereine, was wir hier machen, dass da ein Plan dahintersteckt, dass wir offensiven, erfolgreichen Fußball spielen, mutig auftreten, auf junge Spieler setzen, diese aus der Akademie herausholen und weiterentwickeln. Ich glaube, dass wir uns da international schon einen sehr guten Namen gemacht haben. Darauf sind wir richtig stolz. Es hat sich schon geändert, wie der FC Red Bull Salzburg wahrgenommen wird.
Und das kriegen sie auch so bestätigt?
Ja, viele Blicke sind auf uns gerichtet. Und das ist sehr schön.