Salzburgs Neo-Coach Jesse Marsch steht mit dem Serienmeister vor einer großen Herausforderung. Nach dem Zerfall des Erfolgsteams muss der US-Amerikaner an einer Erfolgsformel für seine teilweise sehr junge, aber hochtalentierte Mannschaft basteln. Auch wenn ihm der Nackenschlag der alljährlich verpassten Champions League erspart bleibt, fordert er für seine Truppe Zeit.
Dass die Aufgabe nach dem Abgang von Coach Marco Rose und den Triumphen der vergangenen Saisonen keine leichte wird, ist Marsch klar. "Dieser Verein hat in den letzten Jahren so viel Erfolg gehabt. Das ist für den nächsten Trainer nie so einfach", gestand der 45-Jährige. Marsch freilich versprühte knapp vor Saisonbeginn mit dem Cup am Freitag (20.30 Uhr/live ORF Sport +) in Parndorf viel Optimismus: "Der neue Trainer hat viel zu tun. Aber die vergangenen drei Wochen waren sehr gut."
Marsch und seine Co-Trainer Rene Aufhauser und Franz Schiemer arbeiteten mit einer Truppe, die nur mehr in Fragmenten an die Europa-League-Helden der jüngsten zwei Jahre erinnert. Trotz CL-Fixticket verließen mit Xaver Schlager, Munas Dabbur, Hannes Wolf, Stefan Lainer und Fredrik Gulbrandsen fünf Stammspieler den Klub. Was mit dem - noch urlaubenden - Afrika-Cup-Teilnehmer Diadie Samassekou passiert, bleibt zudem abzuwarten. Zahlreiche zurückkehrende Leihspieler und Akteure, die bisher im Schatten standen, sollen die Lücke füllen.
U.a. Gideon Mensah (Sturm), Sekou Koita (WAC), Majeed Ashimeru (St. Gallen), Hwang Hee-chan (HSV), und Masaya Okugawa (Holstein Kiel) holten sich zuletzt Spielpraxis in der Fremde, dazu kommen etwa Jungstar Erling Haaland, Patson Daka, Enock Mwepu, Antoine Bernede oder Smail Prevljak, die ihr Können schon in der jüngeren Vergangenheit bewiesen bzw. andeuteten. Verpflichtet wurden bisher nur - gemäß bewährtem Muster - junge, wenn auch nicht ganz billige, Nachwuchstalente.
Sorgen um die heimische Dominanz muss man sich in der Mozartstadt also eher nicht machen, die Qualität der vorhandenen Kicker ist "überbordend", wie der neue WAC-Coach Gerhard Struber, selbst gut zehn Jahre im Nachwuchs der "Bullen" tätig, betonte. Zu welchen Leistungen man in der Mitte September beginnenden Königsklasse fähig ist, kann derzeit aber wohl niemand genau einschätzen.
Für Marsch, zwischen 1996 und 2009 als Spieler in der Major League Soccer aktiv, als Ersatzmann Meister 1996 bzw. zweifacher US-Teamspieler, ist es "kein Problem, es ist die Situation. Meine Aufgabe ist es, eine gute Gruppe zu schaffen. Wir haben viel Talent und viele Optionen." Bunt zusammengewürfelt ist das Ganze freilich nicht. Spieler wie Trainer, der die Red-Bull-DNA durch seine Engagements bei Red Bull New York und RB Leipzig erwarb, sind mit der Club-Philosophie bestens vertraut.
Marsch' Spielidee unterscheidet sich von jener Roses "nur ein bisschen", die Grundformation, unter dem Deutschen fast immer das 4-4-2 mit Mittelfeldraute, wird Anpassungen erfahren. "Mehr Flexibilität", will Marsch ins 'Werkl' bringen, auch eine defensive Dreierkette oder drei Stürmer bringt er als Variante ins Spiel.
Vor allem vorne wird es spannend. Marsch will deswegen ganz hinten ansetzen. "Erstes Thema bei den Offensivspielern ist Stabilität hinten. Die ist ganz wichtig. Das gibt etwas mehr Raum und Zeit für die jungen Toptalente, die wir vorne haben. Sie brauchen ein bisschen Zeit", forderte er im Hinblick auf den Umstand, dass abgesehen von Zlatko Junuzovic (31), Takumi Minamino und Smail Prevljak (beide 24) alle offensiv orientierten Kräfte unter 24 sind.
Marsch, der sich zweier deutscher Großväter zum Trotz die deutsche Sprache erst aneignen musste, und das in rund eineinhalb Jahren durchaus überzeugend hinbekommen hat, sieht seine Spieler nicht zuletzt mental gefordert. Über der erstmaligen CL-Teilnahme dürften die Mühen der Ebene nicht übersehen werden: "Es ist irrsinnig wichtig, dass unser Erfolg nicht nur die CL ist. Die Bundesliga ist sehr, sehr wichtig. Wir müssen in jedem Moment verstehen, dass diese Saison sehr, sehr schwierig ist."