Sie haben Ihren Wechsel zu Mönchengladbach verlautbart. Inwiefern tut es gut, dass diese Entscheidung getroffen ist, und wie sehr schmerzt es, Salzburg bald zu verlassen?
MARCO ROSE: Die Entscheidung steht. Ich glaube, nach den vielen Spekulationen ist es gut, dass jetzt Klarheit herrscht. Salzburg ist ein besonderer Verein und es gibt da noch zu viele wichtige Dinge zu tun, um jetzt schon über Abschied zu reden. Dem gilt jetzt wieder meine ganze Konzentration und bis zum Ende dieser Saison will ich nur noch darüber reden. Borussia Mönchengladbach kommt erst wieder danach.
Das ist zu respektieren. Sie haben in den vergangenen Wochen auch Vertragsverhandlungen mit Ihrer Tochter geführt. Wie sieht es aus, hat sie ihr Handy bekommen?
Sie hat eines bekommen, es geht ihr gut. Nur die schulischen Leistungen schwanken nach wie vor zwischen sehr gut und ausbaufähig.
Hat sie das von Mama oder Papa übernommen?
Von der Mama nicht, die war hervorragend. Aber der Papa ist wie ein Turnierpferd meistens nur so hoch gesprungen, wie er springen musste. Da kommt meine Tochter nach mir. Aber ich brauche auch keine Einser-Schülerin zu Hause. Ich möchte, dass sie ein anständiges Mädchen wird – wohlerzogen mit einem guten sozialen Gefühl. Und dass sie eine gute Ausbildung genießt. Sie ist sehr kreativ und will Make-up-Artistin werden. Aber möglich, dass sich das noch oft ändert (lacht).
Welchen Traumberuf hatten Sie?
Am Anfang habe ich Juri Gagarin, den ersten Menschen im Weltraum, bewundert. Aber ohne Fußball wäre ich jetzt wohl Polizist.
Auch ein spannender Beruf.
Hut ab vor ihrer Arbeit! So wie sich die Gesellschaft entwickelt, haben Polizisten keinen einfachen Job. Und es wird auch nicht so honoriert, wie es sein sollte. Das ist ein wichtiger Berufszweig, aber nicht beneidenswert.
Ihre Familie lebt weiter in Leipzig, wo Ihre Lebensgefährtin als Rechtsanwältin arbeitet. Wie sehr belastet Sie diese Situation?
Ich vermisse beide und es beschäftigt mich immer wieder. Aber es hat sich so entwickelt und funktioniert gut. Wir „facetimen“ häufig am Tag.
Sie schwärmen oft von Ihrer Kindheit. Heute ist die Gesellschaft viel schnelllebiger. Inwiefern wirkt sich das auf die Kinder von heute aus?
Ich will nicht sagen, es ist besser oder schlechter, sondern einfach anders. Früher gab es Atari, C 64 und Kassettenrekorder. Mittlerweile ist viel weitergegangen. Man ist da mittendrin und lebt den Rhythmus. Dementsprechend lebt die Familie mit. Du hast die Möglichkeit, zu intervenieren und auf Dinge aufmerksam zu machen. Dennoch sitzen wir abends auch einmal alle drei mit dem Handy, schauen, was Google so hergibt, und reden nicht so viel miteinander. Es gibt trotzdem Grundwerte, die man beibehalten sollte.
Welche sind die wichtigsten?
Der Respekt füreinander, aber auch die Lebensfreude im Umgang miteinander. Für mich ist es wichtig, weil ich weiß, dass ich nicht alles richtig mache, wenn ich etwa im Straßenverkehr auf andere schimpfe oder bei der Ampel hupe. Es ist einfach wichtig, zu reflektieren und sich zu hinterfragen. Keiner ist unfehlbar. Man kann immer Dinge falsch machen. Es gehört sogar dazu, um zu lernen. Wichtig ist es auch, Feedback zu erhalten. Manchmal merkt man es selbst ja gar nicht. Was einen Menschen auszeichnet, ist zu sagen, dass es ihm leidtut.
Sie gelten als bodenständig, respektvoll, willensstark und sehr gut im Umgang mit Menschen. Welche Eigenschaft fehlt Ihnen?
Geduld ist so ein ausbaufähiger Faktor. Es gibt Situationen, in denen es unabdingbar ist, die Kontrolle zu bewahren. Aber ich lasse meinen Emotionen schon auch freien Lauf. Dass ich als Salzburg-Trainer noch nie auf die Tribüne musste, ist für mich schon außergewöhnlich.
Als Sie in Mainz Spieler waren, wurden Sie von Jürgen Klopp trainiert. Da soll bei der Aufstiegsfeier im Sommer 2004 ein legendärer Satz gefallen sein.
Er hat Sandro Schwarz und mir gesagt, dass wir beide irgendwann ganz sicher Trainer werden. Sandro arbeitet jetzt in Mainz, ich bin bei Salzburg. Da hat „Kloppo“ einen guten Riecher gehabt.
Wie waren Sie als Spieler?
Ich war mittelmäßig talentiert, habe aber aus meinen Möglichkeiten extrem viel gemacht. Die Leute haben immer gesehen, dass ich alles gebe, auch wenn nicht alles funktioniert hat. Dazu habe ich immer Dinge offen angesprochen und das gesagt, was ich mir denke. Das wurde geschätzt.
Verlangen Sie auch von Ihren Spielern, immer alles abzurufen?
Nur wenn du bereit bist, alles zu investieren, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, erfolgreich zu sein. Es gibt immer Typen, denen es leichter fällt, und Typen, die sich alles sehr hart erarbeiten müssen. Aber es bestehen Dinge, die für alle gelten. Wenn es um das Team geht, sind alle gleich gefordert. Dennoch muss man jeden Spieler individuell abholen, was Mentalität, Charakter und deren Qualität betrifft.
Hätte der Spieler Marco Rose ein Leiberl bei Trainer Marco Rose?
Im Vergleich mit meinen Jungs hätte ich sicher keine Chance.
Vielleicht bei Liefering?
Da wäre ich zu alt (lacht).
Salzburg dominiert den heimischen Fußball. Inwiefern ist Kontinuität ein Schlüssel zum Erfolg?
Das ist ein entscheidender Faktor, wirst du aber nicht immer haben, was die Mannschaft betrifft. Deshalb ist die Kontinuität im Verein wichtig. Salzburg ist ein top durchstrukturierter Verein mit fantastischen infrastrukturellen Bedingungen. Jede Abteilung arbeitet auf herausragendem Niveau. Viele haben schon von „Kinderfußball“ gesprochen und dass hier alles zusammenbricht. Es ist schön, zu beweisen, dass diese Leute falsch gelegen sind.
Wie steht die Infrastruktur im internationalen Vergleich da?
Wir waren in Neapel und wissen, welchen Kader und welche Kraft dieser Verein hat. Aber infrastrukturell sind wir meilenweit voraus. Klar wissen wir, dass uns schon allein wegen der Einwohnerzahl in Österreich Grenzen gesetzt sind. Wir probieren aber alles, um diese laufend ein Stück weit nach oben zu verschieben.
In Deutschland spricht man vom Bayern-Gen, was Siegermentalität anbelangt. Auch das Salzburg-Gen scheint es zu geben, ohne arrogant aufzutreten.
Das ist auch ganz wichtig. Du kannst das nur ausstrahlen, wenn du deinem Gegner Respekt zollst. Wenn du abgehoben bist, hast du keine Chance mehr.
Ralf Rangnick hat 2012 eine Spielidee in den Verein implementiert. Wie sieht diese aus?
Als Ralf hier Sportdirektor geworden ist, hat er diese grundsätzliche Spielidee im ganzen Verein verankert – mit sehr hohem Aufwand, sehr nachhaltig. Jeder Trainer konnte aber seine eigenen Gedanken einbringen. Da geht es nicht so sehr um Systeme, sondern um Prinzipien, nämlich was man sehen will, wenn eine Mannschaft von Red Bull Salzburg das Feld betritt.
Was ist das genau?
Wir haben uns lange über die Arbeit gegen den Ball definiert. Das bedeutet sehr aktives Pressing mit hohen Ballgewinnen. Aber die Gegner haben sich auf uns eingestellt. Deshalb haben wir uns weiterentwickelt. Wenn du der beste Verein in Österreich sein willst, brauchst du eine Idee, um komplett zu sein. Das heißt, dass du auch eine Idee mit dem Ball haben musst, um auch tief stehende Gegner zu bespielen. Aber auch da sind wir noch immer nicht am Ende.
Warum setzen Sie so sehr auf die Offensive?
Es ist lässiger, als sich hinten reinzustellen. Ich verliere lieber ein Spiel, in dem ich viel probiert habe und sehr mutig war, als mich hinten reinzustellen und auf zwei Angriffe zu hoffen. Da kann es dir natürlich auch passieren, dass du so ein Spiel gewinnst. Ich weiß aber nicht, ob ich mich so sehr darüber freuen würde. Ich habe lieber Rambazamba.
Sehen Sie es als Zufall, dass mit Salzburg und dem LASK die zwei einzigen Klubs in Österreich, die eine klare Philosophie verfolgen, dominieren?
Ganz sicher nicht. Kontinuierlich gute Arbeit zahlt sich aus. Wie willst du spielen, welcher Trainer passt zu deiner Spielidee und deiner Mannschaft, welche Spieler holst du dazu? – Das sind wichtige Aspekte.
Würden Sie zu einem Klub ohne klare Philosophie gehen?
Wenn ich zu einem Verein gehe, der eine Philosophie hat, aber ich nicht dazu passe, habe ich natürlich ein Problem. Entweder hat man die Möglichkeit, seine eigenen Ideen umzusetzen, und der Verein trägt das vom ersten Tag an mit oder der Verein hat schon eine Idee und du passt dort richtig gut rein.
Was muss ein guter Trainer mitbringen?
Die wichtigste Qualität ist es, zu erkennen, dass du der Chef bist. Das bedeutet, du musst vorangehen, Vorbild sein, Entscheidungen treffen und kommunizieren. Auf der anderen Seite ist es nötig, dich nicht zu wichtig zu nehmen, sondern dich auf dein Team zu verlassen. Du musst versuchen, du selbst zu bleiben. Das ist nicht leicht. Wenn du auf dem Niveau arbeitest und in der Öffentlichkeit stehst, macht das etwas mit dir. Das muss auch dein Umfeld akzeptieren. Du kannst nicht in allem der von früher sein.