Der 8. April 2017: Rapid verliert beim Tabellenletzten Ried und es droht mit dem ersten Abstieg des Vereins in seiner 119-jährigen Geschichte eine beispiellose Blamage. Die Rapid-Spieler trotten mit hängenden Köpfen zu ihren Fans. Am Ende dieser miserablen Saison werden zwei Trainer- und eine Managerentlassung als Konsequenz der katastrophalen sportlichen Leistungen stehen: Jetzt aber werden Spielern und Betreuern erst einmal von den eigenen Anhängern die Leviten gelesen. Einige klettern wild gestikulierend auf den Zaun. Das Geschrei wird aggressiver, die Männer ballen die Fäuste, strecken die Mittelfinger in die Höhe, schlagen mit den Händen auf die Brust, da, wo das Herz ist. Wo für sie Rapid ist. Bumm, bumm, bumm.
Die Mannschaft lässt die Beschimpfungen stumm über sich ergehen. Was die Spieler noch nicht wissen: Für die Ultras, wie die Hardcore-Fans sich nennen, hat der Frustabbau erst begonnen. Als die Rapid-Spieler schon im Bus auf dem Weg zurück nach Wien sitzen, erfahren sie, dass die Ultras angerufen haben, weil sie Redebedarf haben. Die Verantwortlichen und die Mannschaft werden vor die Wahl gestellt: Entweder es kommt zu einem Treffen auf einem Autobahnparkplatz ohne Polizei, oder der Bus wird von ihnen in Hütteldorf vor dem Allianz-Stadion erwartet. Rapid entscheidet sich für die erste Variante.
Wir sind die Chefs
Nach einer kurzen Fahrt auf der Innkreis-Autobahn wird dem Bus mittels gezündeter Fackel das Zeichen gegeben, von der Autobahn abzufahren. Empfangen wird er von rund 300 Mann, die ihn in einem Halbkreis umstellen. Spieler und Betreuer klettern aus dem Bus und treten gehorsam zur Standpauke an. Vertreter der Ultras reden auf die Mannschaft ein. Ob sich die Mannschaft überhaupt bewusst sei, was sie dem Verein da gerade antue, wird gefragt. Ob sie sich denn im Klaren sei, welche Geschichte sich hinter dem Wappen auf der Brust ihrer schwarzen Trainingsjacken verberge. Viel Pathos und eine klare Botschaft: Wir sind die Chefs. Nach rund 25 Minuten wird der Bus auf die Heimreise geschickt, am nächsten Tag der Trainer entlassen.
Nach diesem Abend schreiben die Ultras in ihrer Stellungnahme, dass sie „den Bus von der Autobahn runtergeholt haben“. Rapid-Pressesprecher Peter Klinglmüller wird dagegen von „einer ganz normalen Aussprache zwischen einer Fußballmannschaft und Fans“ sprechen. Doch die Ereignisse von Ried sind nicht ganz normal, sie sind symptomatisch. Symptomatisch für einen Verein, der die Kontrolle über die Beziehungen zu seiner führenden Fangruppe verloren hat.
Für einen Verein, der es zugelassen hat, dass diese Fangruppierung großen Einfluss auf das Handeln der Vereinsführung gewonnen und in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut hat. Es ist den Ultras Rapid gelungen, sich durch Nähe, Abhängigkeiten und inkonsequentes Handeln der Funktionäre eine Machtbasis zu erarbeiten, die im Spitzenfußball beispiellos ist. Ihre Macht im Verein lässt die Frage aufkommen, wer hier eigentlich das Sagen hat.
Ultras gegen die Polizei
Wie ein roter Faden ziehen sich Fanausschreitungen durch die jüngere Rapid-Historie, verursacht vom Block West und den Ultras Rapid. Alleine in der vergangenen Saison wurden drei Spiele deswegen beinahe abgebrochen. Das jüngste Wiener Derby in der Generali-Arena offenbarte zudem ein völlig aus den Fugen geratenes Verhältnis zwischen der Polizei und dem Klub. Im Zuge eines Fanmarsches der Grün-Weißen wurden Schneebälle auf die Tangente geworfen, was eine Sperre der A 23 und eine stundenlange Anhaltung von 1300 Fans zur Folge hatte.
Rapid-Präsident Michael Krammer kritisierte dies als unverhältnismäßig, aber es lenkt von der Wurzel des Übels ab. Beim Spiel gegen die Glasgow Rangers in der Europa League provozierten die Ultras mit ihrer Choreographie, in deren Mitte der Zahlencode „1312“ (= ACAB, All Cops Are Bastards) prangte.
Beim vorletzten Wiener Derby im September war es besonders heftig geworden: Nach Schlusspfiff stürmten die Ultras den Platz, Ordner wurden körperlich attackiert. Die 30.000 Euro Strafe für den Verein werden als zu niedrig eingestuft. Punkteabzüge wären ein effektiveres Mittel, um die Gewalt im Stadion zu bekämpfen, aber dagegen wehrt sich Rapid. Hat der Klub überhaupt ein Interesse daran, die Ultras an die Leine zu legen?
Ein gewaltbereiter Fanklub, der seinen Machtanspruch immer weiter ausdehnt: von der Westtribüne auf das Spielfeld, das er mit Platzstürmen symbolisch okkupiert. Und vom Spielfeld in die Büros der Chefetagen, in denen inzwischen die Ultras mitbestimmen, wer Präsident, Geschäftsführer, Trainer, Sportchef oder Spieler bei Rapid werden darf. Die Geschichte der Ultras ist die Geschichte einer Fußballkultur, die vor aller Augen ins Kippen gerät. Es ist die Geschichte vom Schwanz, der mit dem Hund wedelt, und von Verantwortlichen, die aus Angst um das Millionenbusiness Fußball schweigen und die Ereignisse herunterspielen.
Rapid ist nicht irgendein Verein, sondern der beliebteste Fußballklub Österreichs. Rapid ist mittlerweile aber auch ein millionenschweres Unternehmen. Laut Geschäftsbericht erwirtschaftete der Verein in der Saison 2017/18 einen Umsatz von über 30 Millionen Euro sowie einen Gewinn von 14,9 Millionen Euro. Nach Jahren am Rande des wirtschaftlichen Ruins verfügt der Verein mittlerweile über ein positives Eigenkapital von 12,6 Millionen Euro.
Prominente Unterstützer
Auch zum Netzwerken eignet sich der Klub hervorragend. In den diversen Gremien sitzen hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Der Generaldirektor der Gemeinnützigen Siedlungs- und Bauaktiengesellschaft, Ewald Kirschner, sitzt ebenso im Kuratorium wie die Politiker Peter Pilz und Andreas Schieder, ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, der ehemalige Vorstand der Wiener Philharmoniker, Clemens Hellsberg, und der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer. Nicht weniger prominent ist der Beirat besetzt mit dem burgenländischen SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil oder Investor Michael Tojner.
Besonders die Stadt Wien ist zahlreich vertreten. Seit jeher gibt es enge Beziehungen zwischen dem Rathaus und dem wichtigsten Sportverein der Stadt. Als die Bank Austria 2003 überraschend bekannt gab, ihr Sponsoring zu beenden, sprang Wien Energie in höchster finanzieller Not als Hauptsponsor ein. Rapid wirbt auf seiner Website mit Business-Packages, die ihren Besitzern nicht nur exklusiven Zutritt zu Spielen, sondern auch „direkten Kontakt zu Gästen aus Wirtschaft und Politik“ verschaffen sollen. Hervorgehoben wird vor allem die „außergewöhnliche Atmosphäre“. Hauptverantwortlich für diese Atmosphäre sind die Ultras Rapid, die führende Gruppe der aktiven Fanszene. Sie stehen dem Block West vor, in dem auch noch andere Fanklubs ihren Platz haben, und stellen rund ein Drittel der regelmäßigen 18.000 Zuschauer. Die Ultras geben den Ton und die Richtung vor.
Rapid profitiert vor allem wirtschaftlich von den Ultras, die heute das Stadion füllen. Vor 30 Jahren, als sie gegründet wurden, sah das anders aus. Obwohl die Grün-Weißen sportlich gesehen viel erfolgreicher als jetzt waren, wollten Ende der 1980er-Jahre nur rund 4000 Zuseher die Spiele sehen. Für jemanden, der 2018 das Stadion betritt, ist das kaum vorstellbar: Während der Rapid-Spiele wird es zum stimmungsgeladenen Kessel, zur Fanarena, deren Wirkmächtigkeit man sich inmitten von Zigarettendunst, Schweiß, Bier und Käsekrainer kaum entziehen kann.
Zugehörigkeitsgefühl
Außer im meist spärlich befüllten Gästesektor sieht man überall nur Grün und Weiß. Schon nach wenigen Besuchen kennt man sie, die Originale. Den Rapid-Charly mit einem überdimensionalen Hut und Stutzen bis zu den Knien. Den Augustin-Verkäufer, den man vor und nach dem Spiel singend in der U-Bahn-Station antrifft. Solche Erlebnisse schaffen ein Zugehörigkeitsgefühl, das über den Schlusspfiff hinaus andauert.
Schon vor den 1980ern hatte es treue Fanklubs gegeben. Seit 1988 aber importieren Fans die Ultras-Kultur aus Italien nach Hütteldorf und füllen damit kontinuierlich die Ränge. Bei jedem Spiel. Geleitet von einem sogenannten Direttivo, einer Art Vorstand, der aus sechs bis sieben Leuten besteht und die Richtung des Blocks West vorgibt, ziehen die Ultras mit ihren Choreografien, ihren Gesängen, kurz: mit ihrer Inbrunst die anderen an und mit. Auf jede Reise begleiten sie die Mannschaft, egal ob es nach St. Pölten oder Georgien geht.
Nicht nur die Reisen, auch die beeindruckenden Choreografien verschlingen enorme Geldbeträge. Dazu kommen unzählige Stunden an Planung und Vorbereitung. Unter der Woche werden Überrollfahnen genäht, Doppelhalter gebastelt und Fahnen bemalt. Einmal im Jahr ruft die Truppe zu einer großen Spendenaktion für soziale Einrichtungen auf. Rapid ist für viele eine Religion, das Stadion die Kathedrale.
Eine Religion mit zerstörerischer Kraft: Domenico Jacono war Mitglied der „Hütteldorfer Terrorszene“, einer Vorläuferorganisation der Ultras, die sich diesen Namen selbst gab. Die Herkunft von Jaconos Vater, der aus der Nähe von Neapel stammt, brachte ihn früh in Kontakt mit italienischer Fankultur. Er wäre Gründungsmitglied der Ultras geworden, wäre er damals nicht wegen Landfriedensbruch in Bayern eingesessen. Heute kann man ihn oft im Café Weidinger im 16. Bezirk antreffen: „Die Ultras setzen sich selbst Prämissen wie Kompromisslosigkeit, ohne Rücksicht auf Nachteile für die eigene Person. Sie stecken ihre Lebensenergie rein und erwarten dafür etwas retour. Wenn das nicht kommt, dann kann sich die positive in negative Zuneigung umdrehen.“
Jacono kennt Rapid wie wenige andere. Nach seiner Haftstrafe hatte er sich zwar eine Auszeit vom Fantum gegönnt und Literaturwissenschaften studiert, dann kam er aber mit umso mehr Hingabe zurück. Er wurde Kurator des vereinseigenen Museums, Mitglied des Ethikrates und so etwas wie der offizielle Vereinshistoriker. Ein Mann, der das Ultras-Motto „Rapid Wien Lebenssinn“ gelebt hatte. Heute geht er aber nicht mehr ins Stadion. Er ist zu enttäuscht vom Verein, der seine Wurzeln verraten habe: „Der Arbeiterverein Rapid ist diese Saison in puncto Stehplatz-Einzelkarte und Bier der teuerste Verein der österreichischen Bundesliga.“
Arbeiter neben Anwalt
Dennoch funktioniert die Durchmischung bis heute: Bei einem Rapid-Spiel und besonders im Block West stehen der Anwalt und der Arbeiter nebeneinander, da prostet der Busfahrer dem Wissenschaftler zu. Grün-Weiß nivelliert die Klassenunterschiede – auch, weil die Ultras apolitisch unterwegs sind. Während der Lokalrivale Austria Wien in den vergangenen Jahren große Probleme mit Rechtsextremismus hatte, blieben die Infiltrierungsversuche der neonazistischen Vapo in den 1980er- und 90er-Jahren bei Rapid erfolglos. Politik an sich ist im Sektor unerwünscht. Das Symbol der Ultras, der Indianer, wurde ob seiner vermeintlichen politischen Unschuld zum Wappen auserkoren.
Während die Ultras für Rapid einerseits Wirtschaftsfaktor, Zugpferd und Alleinstellungsmerkmal in einem sind, fügen sie ihrem Herzensverein mit ihren Grenzüberschreitungen zugleich immer wieder erheblichen Schaden zu. Diesen Widerspruch repräsentiert P., ehemaliger Vorsänger der Kurve und Mitglied des innersten Ultra-Zirkels, wie kein anderer. P. kennt die Westtribüne seit seiner Schulzeit, schnell steigt er in höhere Positionen innerhalb der Ultras auf. Den Fanblock übernimmt er im Jahr 2003 auch offiziell als Chef und macht ihn mit seiner Leidenschaft zu einem der angesehensten in Europa.
P. ist es auch, der 2002 infolge einer Prügelei mit der Polizei im Rahmen eines Testspiels als eine der ersten Personen in Österreich überhaupt Stadionverbot erhält. Auf die Rapid-Familie aber kann er sich immer verlassen. Als er 2012 nach diversen anderen Vorstrafen im sogenannten „Westbahnhof-Prozess“ zu 14 Monaten unbedingter Haft wegen Landfriedensbruch verurteilt wird, beruft ihn Rapid noch während des Verfahrens als Fanvertreter in eine vereinsinterne Reformkommission. P. hatte 165 Rapid-Anhänger am Westbahnhof versammelt, um die von einem Auswärtsspiel in Linz heimkommenden Austria-Fans unfreundlich zu empfangen. Das führte zwar nicht zu einer Massenschlägerei, sehr wohl aber zu heftigen Ausschreitungen gegen die Polizei, die eine solche verhindern wollte.
Salonfähig trotz Haft
Das Gericht sieht die Sache damals eindeutig: „Sie haben eine ganze Gegend in Angst und Schrecken versetzt“, stellt der Senatsvorsitzende fest, als er P.s Berufung abweist. Da wirkt auch ein Empfehlungsschreiben des damaligen Rapid-Präsidenten Rudolf Edlinger nicht. P. wird verurteilt. Nach 500 Tagen Abstinenz aufgrund von Haft und anschließendem Stadionverbot kehrt P. bei einem Auswärtsspiel in Graz in die Kurve zurück und wird von Kapitän Steffen Hofmann noch während des Aufwärmens persönlich willkommen geheißen.
Allzu große Sorgen, dass sein Arbeitgeber wenig Verständnis für sein Engagement bei den Ultras zeigt, muss sich P. auch nicht machen: Der Chef des Unternehmens, in dem er tätig ist, sitzt im Rapid-Präsidium. In einem Interview mit dem Fanmagazin „Forza Rapid“ behauptet Ex-Häftling P. stolz, Christoph Peschek mit in die Position des Vizepräsidenten gehievt zu haben: „Ich habe ihn auch zu Mitgliederversammlungen mitgenommen und ihm nach und nach einflussreiche Rapidler aller Bereiche vorgestellt. Irgendwann bin ich von mehreren Präsidiumsmitgliedern gefragt worden, ob mein Freund, der junge Politiker, Interesse hat, für den SK Rapid tätig zu werden. Wir haben uns dann getroffen, und ich habe Christoph im Auftrag des Präsidiums gefragt, ob er bei unserem Herzensverein eine offizielle Position übernehmen möchte.“ Zwei Jahre später wird Peschek operativer Geschäftsführer der Kapitalgesellschaft, in die der Verein 2016 den Profibereich auslagert.
Eine Interviewanfrage lehnten P. wie auch die Ultras Rapid ab. Nicht so Christoph Peschek. Sein Büro im Allianz-Stadion ist ein nüchternes Zimmer, im Grün-Weiß der Vereinsfarben gehalten. Peschek streicht seine Krawatte im Rapid-Grün glatt, am Revers funkelt das Vereinszeichen: „P. hat auch zu jenen dazugehört, die gesagt haben, das ist ein engagierter Rapidler. Das ist okay, und da finde ich auch nichts Verwerfliches dran“, sagt er mit weicher Stimme. Schlussendlich hätten ihn aber seine Leistungen bei Rapid in die Spitzenposition gehievt.
Auf die wachsende Einflussnahme der Ultras angesprochen, antwortet er: „Da fehlt mir der Vergleich, ich bin erst seit 2015 in offiziellen Funktionen für den SK Rapid tätig.“ Gleichzeitig ist Medienberichten zufolge sein Wissen um das „System Rapid“ sein Trumpf beim Hearing zum Posten des Geschäftsführers gewesen. Vor seiner Tätigkeit bei Rapid war er Wiener Landtagsabgeordneter für die SPÖ.
Scharfe Kritik eines Ex-Sportchefs
Dass es sich bei Rapid niemand leisten kann, es sich mit den Ultras zu verscherzen, zeigt auch der Fall des ehemaligen Sportdirektors Andreas Müller. Er wurde im November 2016 nach missglückten Transfers und Trainerentscheidungen entlassen. Laut Müller waren jedoch nicht in erster Linie sportliche Gründe dafür verantwortlich. Fünf Monate nach seiner Freistellung sprach er auf Sky über die seiner Ansicht nach wahren Motive: „Der einzige Grund ist, dass die Ultras mit mir nicht mehr klarkamen. Die wollten mich weghaben.“ Müller kritisierte auch die Verbindungen zwischen Vereinsverantwortlichen und den Ultras: „Ich bin nicht wie Peschek jemand, der mit den Ultras im Bett liegt. Ich finde es fatal, wenn man aus diesem herausragenden Support einen Anspruch ableitet, in die Entscheidungen des Vereins einzugreifen. Das ist kompletter Wahnsinn.“
Der Zwist zwischen den Ultras und Müller begann, als dieser den Spieler Maximilian Entrup verpflichtete, der als Jugendlicher in einem Fanklub beim Erzrivalen Austria aktiv gewesen war. Die Ultras reagierten auf ihre Weise. Im ersten Saisonspiel prangte ein Transparent mit der Aufschrift: „M. Entrup – Die grüne Hölle wird für dich zum Inferno!“ Im Magazin der Ultras schrieben sie vom „violetten Schädling“. Als Müller sich öffentlich vor den Spieler stellte, wurde auch er zur Zielscheibe. Im Anschluss an Müllers TV-Auftritt war vor allem bei Rapid die Empörung groß, die Vorwürfe wurden dementiert.
Nach Ausschreitungen ist das offizielle Erklärungsmuster fast immer ident. Man distanziert sich von den Übeltätern, spricht von roten Linien, die nicht überschritten werden dürfen, und von Sanktionen, die daraus resultieren werden. Dann folgt Relativierung. Man dürfe nicht alle Fans über einen Kamm scheren, es handle sich um Einzeltäter, und überhaupt habe man die besten Fans der Welt. Ein weiterer ehemaliger Funktionsträger von Rapid hält dies für Taktik: „Es wäre traurig, wenn sie es bewusst zulassen, um sich aus der Verantwortung zu nehmen. Aber irgendwann muss auch Peschek Konsequenzen ziehen – und auch Präsident Krammer. Wenn sie Entscheidungen nur treffen, weil es das Volk wie bei Brot und Spielen so möchte, haben sie ihre Aufgabe verfehlt.“ Wobei die Amtszeit von Krammer im November 2019 zu Ende geht, er wird sich aus familiären Gründen zurückziehen.
Undenkbar ist jedenfalls schon heute, dass dann jemand an der Spitze Rapids stehen wird, den die Ultras nicht goutieren. Nach dem schon länger von den Ultras geforderten Rausschmiss von Trainer Goran Djuricin hat der Verein nun Rapid-Legende Dietmar Kühbauer zum neuen Trainer bestellt, um die Situation zu beruhigen – auch das ein dezidierter Wunsch des Fanklubs. Geschäftsführer Peschek formuliert es so: „Die Einbeziehung aller Interessengruppen in ihrer Vielfalt ist etwas sehr Wichtiges und sehr wertvoll. Die Ultrakultur ist eine der erfolgreichsten Jugendkulturen, denn im Gegensatz zu vielen anderen ist sie von Bestand.“
Timo Schober