Wie fühlt es sich eigentlich an, unbezwingbar zu sein?
HANNES WOLF: Sicher spielen wir seit Wochen konstant und erfolgreich. Aber Ende August war es schon eine halbe Katastrophe nach dem Aus in der Champions-League-Qualifikation gegen Roter Stern Belgrad – obwohl wir nicht verloren haben.
Wie verarbeitet man so ein bitteres Aus?
WOLF: Ich war selten von etwas derart überzeugt wie von diesem Aufstieg. Wir haben die Serben in beiden Spielen so richtig im Griff gehabt. Das darf man nicht mehr aus der Hand geben. Jeder von uns hätte gerne in der Champions League gespielt. Überhaupt, weil einige trotz attraktiver Angebote geblieben sind und es so keinen Umbruch gegeben hat.
Inwiefern ist die Europa League jetzt ein Trostpflaster?
WOLF: Man muss schon sagen, dass die Gruppenauslosung ein Glücksfall für uns war. Ich habe mich nach dem Ausscheiden gegen Roter Stern Belgrad schon gefragt, wie es im Verein weitergeht. Aber dann haben wir diese attraktiven Gegner in der Europa League gezogen. Das war eine Zusatzmotivation.
Nicht nur für die Mannschaft.
WOLF: Genau das ist es ja. Im Vorjahr sind gegen Marseille in der Gruppenphase 10.000 Zuschauer ins Stadion gekommen. Gegen Celtic Glasgow waren heuer 24.000 dabei, gegen Rosenborg Trondheim 21.000. Die Partie am Donnerstag gegen Leipzig ist ausverkauft.
Wie nehmen Sie dieses Zuschauerwachstum wahr?
WOLF: Wir haben ja auch schon vor 3000 Leuten gespielt. Das ist schon traurig. Klar würden wir immer gerne vor vollem Haus spielen. Aber wenn in der Bundesliga konstant 10.000 bis 15.000 kommen, ist es in einer Stadt wie Salzburg super.
Wie gehen Sie damit um, das viel zitierte „Red-Bull-Bashing“ stark reduziert zu haben und einen derart breiten Zuspruch bzw. Anerkennung auf sportlicher Ebene zu erfahren?
WOLF: Mich sprechen sehr viele Leute an, die sagen, dass sie eigentlich Fans von Austria, Rapid oder anderen Klubs sind. Die geben zu, dass sie sich unsere Spiele gern anschauen, weil wir attraktiven Fußball spielen, was der Großteil der österreichischen Klubs ja gar nicht versucht. Und wer genau hinsieht, weiß, dass nicht unzählige Millionen in unserer Mannschaft stecken.
Ihr Teamkollege Xaver Schlager hat gemeint, dass man nicht unbedingt von Salzburg weggehen muss, weil man in Europa jeden schlagen kann. Wie sehen Sie das?
WOLF: Das sehe ich genauso. Vom Umfeld und den Bedingungen ist es überragend. Der einzige Beweggrund, zu gehen, ist die Liga. Mit einer stärkeren Bundesliga gäbe es vielleicht gar nicht die Absicht, den nächsten Schritt machen zu wollen.
Wann gehen Sie den nächsten Schritt?
WOLF: Keine Ahnung. In dieser Winterpause mit Sicherheit nicht.
Inwieweit hat das damit zu tun, dass Sie mit Salzburg in der Champions League spielen wollen?
WOLF: Wir haben noch einiges zu erreichen. Wenn wir in dieser Saison Meister werden, werden wir ja so gut wie sicher in der Champions-League-Gruppenphase spielen können.
Der Sieger der Europa League erhält auch einen Fixplatz in der Champions League.
WOLF: Klar wollen wir das, wenn man schaut, wie wir bis jetzt gespielt haben. Wir wissen aus dem letzten Jahr, was möglich ist. Da wollen wir anschließen.
Ein erneuter Halbfinaleinzug oder vielleicht sogar mehr würde sicher für die verpasste Champipions-League-Qualifikation entschädigen, oder?
WOLF: Man kann ja nicht wissen, wie wir uns geschlagen hätten. Ich gewinne lieber die Europa League, als dass ich in der Gruppenphase der Champions League in der Vorrunde ausscheide.
Und Sie wollen noch länger mit Trainer Marco Rose zusammenarbeiten, den Sie wie einen „zweiten Vater“ bezeichnen, oder?
WOLF: Klar ist er ein entscheidender Faktor für den Erfolg. Er behandelt alle Spieler, als ob er sie schon ewig kennt. Aber ich habe schon hin und wieder Differenzen mit ihm. Wir streiten auch.
Wer ist denn dafür verantwortlich?
WOLF: Es geht schon eher von mir aus, aber er stellt mich halt nicht immer auf (lacht). Ganz im Ernst: Das Verhältnis ist echt super.
Am Donnerstag steht das Heimspiel gegen Leipzig an. Was erwarten Sie sich nach dem 3:2-Sieg aus dem Hinspiel?
WOLF: Damals hätten wir auch 4:0 führen können. Wir waren in allen Belangen besser als Leipzig. Das Ergebnis war viel knapper als das Spiel. Dieser Sieg in Leipzig hat bei jedem endgültig das Champions-League-Aus vergessen lassen. Wir wollen jetzt auch zu Hause mindestens einen Punkt holen, um vorzeitig den Aufstieg in die K.o.-Phase zu fixieren. Aber warum sollen wir Leipzig nicht auch daheim schlagen können?
In Deutschland wurde Salzburg trotz des Sieges in Leipzig wie schon nach den Erfolgen im Frühjahr gegen Dortmund kleingeredet. Sogar das Wort Peinlichkeit wurde verwendet. Wie sehr stört Sie dieser fehlende Respekt?
WOLF: Wir waren im Pressing und allen anderen Bereichen, die Leipzig auszeichnet, viel besser. Das nervt uns alle, wenn immer vom großen Bruder Leipzig gesprochen wird. Diese Phase, dass jeder von uns nach Leipzig gehen will, ist lange vorbei.