Wer mit oder von Pepijn Lijnders spricht, landet früher oder später bei Jürgen Klopp. Der deutsche Superstar-Coach prägte das vergangene Jahrzehnt des FC Liverpool, „Pep“ fungierte als seine rechte Hand. Was wiederum für den Niederländer eine prägende Erfahrung war. „Wir haben neun Jahre lang eng zusammengearbeitet. Er war viel mehr als ein Kollege, er ist ein guter, guter Freund“, sagt Lijnders, der nach Klopps Abschied von den „Reds“ eigene Wege ging und als Cheftrainer beim FC Red Bull Salzburg anheuerte.
Der beste, der zweitbeste und der drittbeste Transfer
Der Hauptauftrag ist simpel: Nachdem die „Bullen“ erstmals seit 2013 titellos blieben, sollen die heimischen Fußball-Hauptpreise zurück nach Salzburg. Dass dies in der Mozartstadt traditionell Hand in Hand mit der Entwicklung von Talenten gehen soll, trifft voll den Geschmack des 41-Jährigen, der nicht zur Kategorie Trainer zählt, die ständig neue Transfer-Kracher fordern: „Das Training ist unser bester Transfer. Ich glaube daran, unsere Spieler im Training zu verbessern. Unser zweitbester Transfer ist die Akademie.“ Selbige sei vielleicht sogar besser als jene in Liverpool. Der Weg aus der Jugend in die erste Mannschaft müsse offenbleiben.
Erst an Nummer drei folgt das Scouting-System. „Salzburg verfügt über eines der besten der Welt“, stellt Lijnders klar. Ein externer Neuzugang müsse die Mannschaft jedoch deutlich verbessern. Im Sommer kamen bislang erst zwei Akteure: Routinier Janis Blaswich steht im Tor und übernimmt die Kapitänsschleife. Der Japaner Takumu Kawamura fehlt vorerst wegen einer Knieverletzung.
Am Freitag erlebt Lijnders seine Bundesliga-Feuertaufe in Graz beim GAK („Sie sind nach dem Aufstieg in einem Hoch“). Mit diesem Match startet die Jagd auf den zweiten Grazer Verein, Doublegewinner Sturm Graz. „In den Spielen, die ich von Sturm gesehen habe, haben sie hoch und mit viel Power gepresst, früh den langen Ball gespielt. Sie sind gut bei zweiten Bällen. Spiele gegen dieses Team sind mit Sicherheit schwer, aber ich habe sie noch nicht gegen mein Team gesehen“, sagt der Holländer, der von einem verdienten Titelgewinn Sturms spricht: „Aber jetzt wollen wir eine Reaktion zeigen. Als Klub. Als Team. Als Trainerstab.“
Sturm-Coach Christian Ilzer verweist darauf, dass Lijnders mit Co-Trainer Vitor Matos und Athletiktrainer Andreas Kornmayer zwei Kollegen aus Liverpool mit nach Salzburg genommen habe. „Ein gutes Trainerteam. Sie haben keine Kosten und Mühen gescheut. Fehlt eigentlich nur mehr Jürgen Klopp. Da haben wir als Sturm Graz schon etwas bewirkt in Salzburg“, ortet Ilzer auf dieser Ebene eine Reaktion.
Lijnders hatte laut Ilzer unter Klopp eine extrem präsente Rolle: „Ein hochinteressanter, spannender Mann mit riesiger Qualität. Ich sehe ihn als super Entwickler von jungen Spielern. Er verfügt über große Kreativität in der Methodik, wie er Spielideen in Trainingsübungen verpackt.“
Was man von der Mentalität von Kindern lernen kann
Wer sich davon überzeugen möchte, dem sei „Inside Liverpool FC“ empfohlen. Ein Buch von Lijnders, das Ilzer schon vor dessen Bestellung zum Salzburg-Trainer gelesen hat. In diesem Werk schildert der Holländer detailliert alle Abläufe der Saison 2021/22. Unterm Strich läuft das Wirken stets auf den Untertitel „Intensität ist unsere Identität“ hinaus. Intensives Gegenpressing, gnadenlose Jagd auf den Ball, mutiges Spiel nach vorne. Diese Idee aus Liverpool passt hervorragend zum Grundgedanken in Salzburg.
In seinem Buch erläutert Lijnders beispielsweise eine Übung, mit der er bei den Spielern kindliche Freude am Fußball simulieren möchte. Denn bei Kindern gibt es kein Taktieren, sie würden jedes Spiel so angehen, als wäre es ihr letztes. Dieser Mentalität kann er nach wie vor viel abgewinnen: „Wenn man uns als Kind den Ball weggenommen hat, haben wir angefangen zu weinen. Unser Mindset ist, dass wir den Ball haben wollen. Wenn wir ihn verlieren, erobern wir ihn zurück. Es ist unser Ball.“
Mit dem Ball ist Kreativität erwünscht, gerne auch Genialität. „Das sind die Momente, die Spiele entscheiden. Wenn jemand ein Eins gegen Eins für sich entscheidet oder einen Pass spielt, den sonst niemand sieht. Wenn du Tore analysierst, passiert zuvor meistens etwas wirklich Kreatives. Ich will, dass die Spieler auch mit diesem Mindset spielen.“
Lijnders stammt aus Broekhuizen nahe der deutschen Grenze. In der Schule hat er Deutsch gelernt, versteht auch alles, bevorzugt selbst jedoch vorerst die Kommunikation auf Englisch, weil er zu lange nicht mehr Deutsch gesprochen habe. Trotz der Zusammenarbeit mit Klopp, die lediglich 2018 von einem halbjährigen Engagement als Cheftrainer von NEC Nijmegen unterbrochen wurde. In der niederländischen Heimat war er ansonsten in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten nur zu Besuch. Denn vor seinem Wechsel nach Liverpool werkte Lijnders von 2008 bis 2014 in verschiedenen Altersstufen bis hoch zu den Profis beim FC Porto. Die Kontakte nach Portugal sind nie abgerissen.
Die Spitzenteams der Bundesliga werden besser und besser
Nun gilt es, in Österreich Spuren zu hinterlassen. Die Bundesliga sei eine gute Liga für Teams, die gerne attackieren. Speziell die Spitzenteams würden immer besser und besser werden, die Intensität im rot-weiß-roten Oberhaus sei dadurch hoch. „Das macht es interessant, denn umso besser die Teams rund um dich werden, desto besser musst du selbst performen“. Auch diese Challenge trifft genau den Geschmack von Lijnders: „Das ist eine sehr gute Sache. Eine Sache, an die ich glaube.“