Die Angst des Schützen vor dem Elfmeter – diese hätte vor dieser WM zumindest etwas schrumpfen sollen. Dafür verantwortlich sollte die strengere Regelauslegung sein, wonach der Torhüter zumindest mit einem Fuß auf der Torlinie verharren muss, bis der Elfmeter erfolgt. Doch die nackten Zahlen beweisen das Gegenteil. Bei der Weltmeisterschaft 2018 in Russland wurden von 63 Elfmetern 19 verschossen bzw. abgewehrt, was einer Fehlquote von rund 30,1 Prozent entspricht. Bei dieser Endrunde sind es bis dato 18 vergebene Strafstöße – allerdings bei lediglich 46 Elfmetern. Somit landeten 39,1 Prozent der Elfer nicht im Tor. Kroatien-Goalie Dominik Livakovic parierte etwa schon vier Elfer.
Einer, der weiß, wie man Elfmeter verwandelt, ist Ivica Vastic. Bei der EM 2008 traf der damals 38-Jährige für Österreich in der 93. Minute gegen Polen vom Punkt zum 1:1.
Was geht einem Spieler in so einer Situation durch den Kopf? Vastic: "Ich habe mich auf die Ausführung konzentriert. Ich wusste, wenn ich den Ball gut treffe, dann hat der Tormann keine Chance. Manche denken wahrscheinlich zu viel an die Folgen. Harry Kane wusste bei seinem zweiten Elfmeter: 'Wenn ich jetzt nicht treffe, wird es schwer, das Spiel noch zu drehen.' Du musst versuchen, das alles auszublenden." Erfahrung ist bei einem Elfmeter nicht besonders wichtig, sagt der 53-Jährige, der in der Akademie der Wiener Austria arbeitet. "Wir haben bei der WM auch junge Spieler gesehen, die sehr cool verwandelt haben. Dasselbe gilt für die Tormänner. Dominik Livakovic im Tor der Kroaten war bisher richtig gut", sagt Vastic.
Erfolge von Kroatien sind kein Zufall
Der in Split geborene Ex-Offensivspieler freut sich über die Erfolge der Kroaten und weist darauf hin: "Kroatien war 2018 im Finale, jetzt ist man schon wieder im Halbfinale. Das ist kein Zufall." Kroatien ist trotz der Einwohnerzahl von knapp vier Millionen längst eine Größe im internationalen Fußball. Grund für die stetigen Erfolge sind "die Mentalität im Land, der Nationalstolz und die Liebe zum Fußball. Die Kinder spielen von klein auf Fußball, wann immer sie Zeit haben und entwickeln dort ihre Kreativität. Wir müssen abwarten, wie sich das aufgrund der Playstation-Generation verschiebt", erklärt Vastic.
Sobald kroatische Fußballer die finanziellen Mittel für individuelle Trainer haben, investieren sie in ihre Entwicklung. Das betrifft Fitness- und Konditionstrainer ebenso wie Ernährungsberater. "Viele Spieler sind sehr professionell", weiß Vastic.
Mit Kroatiens Teamspieler Ante Budimir hat "Ivo" einst beim LASK zusammengespielt. "Er war damals ein aufstrebendes Talent, ich schon am Ende meiner Karriere. Für Kroatien ist jetzt alles möglich. Und gegen Argentinien hat Kroatien bei der WM 2018 in der Vorrunde 3:0 gewonnen, ein gutes Omen", sagt Vastic. Ante Rebic, Luka Modric und Ivan Rakitic trafen einst gegen die "Gauchos" – ohne Elfmeter.