Nach über 30 Jahren geht die Ära von Martin Pucher bei Fußball-Bundesligist SV Mattersburg abrupt zu Ende.Im Zuge des Bilanzskandals um die Mattersburger Commerzialbank kündigte der Clubpräsdent, der der Bank vorsteht, am Mittwoch eine "geordnete Übergabe" an. Die Zukunft des burgenländischen Vorzeigevereins scheint aktuell ungewiss.
"(...) Bezüglich seiner Funktionen im SV Mattersburg wird Herr Martin Pucher umgehend eine geordnete Übergabe sicherstellen", teilten die Anwälte Puchers knapp mit. Der 64-Jährige war nicht nur Herz und Seele des Vereins und für den Aufstieg von der fünften in die oberste Spielklasse verantwortlich, die Bank fungiert auch als wesentlicher Sponsor des Vereins.
Was der Skandal für die Burgenländer, die erst in der vorletzten Runde der abgelaufenen Saison den Klassenerhalt fixierten, bedeutet, bleibt abzuwarten. Von der Bundesliga gab es bis auf weiteres noch keine Stellungnahme. Auch der Verein selbst meldete sich noch nicht zu Wort. Sollte Mattersburg aufgrund der finanziellen Situation Insolvenz anmelden müssen, ist dies heuer aufgrund der Coronakrise nicht automatisch mit dem Zwangsabstieg verbunden. Auf diese Regelung einigten sich die Clubs, die damit einer Empfehlung der UEFA folgten, Anfang Mai.
Im Fall eines Sanierungsverfahrens gibt es demnach sechs Zähler Abzug in der folgenden Saison, keine Teilnahme an einem UEFA-Bewerb in der folgenden Saison, eine Obergrenze für Personalkosten in den folgenden zwei Saisonen sowie das Verbot, entgeltliche Transfers für die Kampfmannschaft in den zwei folgenden Transferfenstern zu tätigen. Nur ein Verzicht Mattersburgs auf die Lizenz könnte demnach bedeuten, dass die WSG Tirol nicht absteigen muss.
Zweimal schaffte es Mattersburg in den Europacup
Als Pucher den Verein 1988 mit 32 Jahren übernahm, spielte der SVM in der 2. Liga Mitte. Der sportliche Aufstiegskurs war 15 Jahre später vollendet. Tausende pilgerten am Wochenende ins Pappelstadion, um Bundesliga zu sehen. 2006 und 2007 gelang der Einzug ins Finale des ÖFB-Cups, 2007 stand als bisher beste Platzierung auch Rang drei zu Buche. Zweimal schaffte es Mattersburg in den Europacup. In den jüngsten Jahren kämpfte der Verein aber vornehmlich um den Klassenverbleib, die Zuschauerränge waren zuletzt schütter besetzt.
Auf Bundesliga-Ebene wurde Pucher Anfang Dezember 2005 interimistisch Nachfolger von Frank Stronach als Präsident der Liga. Im März 2006 wurde er von den Vereinen in dieser Funktion bestätigt. Er übte das Amt mehr als dreieinhalb Jahre aus, ehe er an den mittlerweile verstorbenen Hans Rinner übergab. Beim SV Mattersburg - der Verein war seit 2003 mit einem Intermezzo von 2013 bis 2015 immer erstklassig - war Pucher stets der starke Mann. Persönlich musste der Bankdirektor vor fünf Jahren einen schweren gesundheitlichen Rückschlag verkraften, er erholte sich aber und blieb dem SVM stets treu.
Akademie solle erhalten bleiben
Pucher steckte selbst Geld in den Verein und akquirierte Sponsoren. Die von ihm gegründete Commerzialbank schien viele Jahre zwar nicht als Hauptsponsor, aber als wichtiger Geldgeber auf. Das Budget der Burgenländer lag in der Saison 2018/19 bei 11,34 Millionen Euro. Der Verein ist auch an der Fußballakademie Mattersburg als Gesellschafter (35 Prozent) beteiligt. Auch in der vor etwas mehr als zehn Jahren fertiggestellten Nachwuchsschmiede scheint die Commerzialbank als Sponsor auf.
Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) rechnet damit, dass die Bundesliga nach dem Bilanzskandal der Commerzialbank Mattersburg ein Lizenzierungsverfahren gegen den SV Mattersburg einleitet. Die Akademie solle allerdings in jedem Fall als neues Landessportzentrum für das Nordburgenland erhalten bleiben. "Die Planungen dafür gibt es bereits länger. Nun müssen wir diese Schritte möglicherweise vorziehen", sagte Doskozil am Mittwoch. Der Standort solle dann auch eine Anlaufstelle für den Breitensport sein.