Eine mehr als 30-jährige Durststrecke ist zu Ende: SSC Napoli ist erstmals seit 1990 wieder an Italiens Fußball-Thron angelangt. Das Team von Trainer Luciano Spalletti sicherte sich den Serie-A-Meistertitel auf beeindruckende Art und Weise. Nach einem 1:1 bei Udinese am Donnerstag sind die Süditaliener nicht mehr von der Spitze zu verdrängen. Erinnerungen werden wach an glorreiche Zeiten, als mit Diego Maradona die zuvor einzigen beiden Meisterschaften gewonnen worden waren.
In Udine ging der Außenseiter durch den ehemaligen österreichischen Nachwuchs-Teamspieler Sandi Lovric (13.) in Führung, Napolis Stürmerstar Victor Osimhen (52.) glich aber kurz nach der Pause aus. 12.000 Napoli-Fans waren vor Ort dabei, über 50.000 sahen die Partie im heimischen Stadio Diego Armando Maradona via Liveschaltung. Danach gab es kein Halten mehr.
1987 bzw. 1990 war der Gewinn des "Scudetto" mit einem Plus von drei Zählern auf Juventus Turin sowie zwei Punkten auf Milan eine ganz enge Geschichte gewesen. Ganz im Gegenteil zur laufenden Saison: Die Società Sportiva Calcio Napoli lag nur nach der vierten und fünften Runde nicht auf Rang eins und erlebte keine Schwächephase. Von 33 Ligaspielen wurden 25 gewonnen. 69 Tore sind das Maß aller Dinge in der Liga, nur 23 Gegentore ebenfalls. Bei so einer Bilanz kann am Ende nur der Titel herausschauen.
Napoli finanziell vor AC Milan und Inter
Blickt man auf den Marktwert (www.transfermarkt.at), so kommt Napolis Standing als Nummer eins nicht überraschend. Mit 629 Millionen Euro liegt der sechsfache Coppa-Italia-Sieger deutlich vor der Konkurrenz, darunter als erste Verfolger die Mailänder Topklubs Milan (547) und Inter (534). Aushängeschild ist der 24-jährige nigerianische Stürmer Osimhen (27 Pflichtspieltore), dessen Wert sich auf mehr als 100 Millionen Euro beläuft. Ähnlich wertvoll ist der 22-jährige georgische Flügelspieler Khvicha Kvaratskhelia (85 Mio.). Doch auch die Defensive rund um Kapitän Giovanni di Lorenzo ist ein Prunkstück.
"Wir sind eine Einheit, spielen mit großer Begeisterung und haben Spaß auf dem Platz", nannte Di Lorenzo das Erfolgsgeheimnis des in einem 3-5-2-System agierenden Klubs. Coach Spalletti ist seit Juli 2021 im Amt, nach Rang drei in seiner Premierensaison folgte der große Coup. "Er schaut nicht auf Namen, es stehen jene Spieler in der Startelf, die es sich verdienen", verlautete Di Lorenzo. Napoli konnte auch international reüssieren. Erstmals gelang der Sprung ins Champions-League-Viertelfinale, wo knapp gegen Milan (0:1,1:1) Endstation war.
Somit bleibt der UEFA-Cup-Sieg 1989 der einzige Europacup-Triumph der Süditaliener. Damals führte noch der am 25. November 2020 verstorbene Maradona Regie. In der süditalienischen Stadt am Vesuv erlebte die am 30. Juni 1984 für die damalige Rekordsumme von 13 Milliarden Lire (10,61 Mio. Euro) vom FC Barcelona gekommene argentinische Legende ihre glanzvollste Zeit im Klub-Fußball. Als Solokünstler führte er seine durchschnittlich bestückte Mannschaft zweimal zum Meistertitel. Auf der anderen Seite akzentuierten sich in der von der Camorra unterwanderten Stadt die menschlichen Abgründe des Superstars. Die Öffentlichkeit erlebte mit, wie dem Ballkünstler die Kontrolle über das Leben entglitt.
Lange Leidensgeschichte
Maradona verließ den Klub 1991, danach ging es bergab. 2001 stieg Napoli in die Serie B ab, nach einem Konkurs 2004 mit 67 Millionen Euro Schulden musste der Verein sogar zwangsweise in die Serie C. Filmproduzent Aurelio de Laurentiis kaufte für 29,25 Mio. Euro die Konkursmaße, auch die Fans hielten Napoli die Treue. 40.000 Anhänger demonstrierten im Juli 2004 im Stadion gegen den Zwangsabstieg, 15.000 Saisonkarten wurden für die dritte Liga verkauft, in der die Blau-Weißen teilweise über 60.000 Zuschauer ins San-Paolo-Stadion lockten.
Der Neustart gelang. 2006 schaffte Napoli den Aufstieg in die Serie B, 2007 mit dem Österreicher György Garics die Rückkehr in die Serie A. Der ehemalige Abwehrspieler war bis Sommer 2008 für zwei Jahre für Napoli tätig. Ab Ende Juli 2009 spielte dort mit Erwin Hoffer ein weiterer Ex-Rapidler, der Stürmer wurde aber nicht glücklich und kam über elf Pflichtspieleinsätze nicht hinaus. Im August 2013 war das Napoli-Engagement nach mehreren Leihstationen zu Ende. Zuvor hatte mit Fritz Kreutzer in der Saison 1926/27 ein weiterer Österreicher das Napoli-Dress getragen.