Italien trauert um einen seiner populärsten Fußball-Helden. Salvatore „Toto“ Schillaci, Torschützenkönig der berauschenden Heim-WM 1990, ist im Alter von nur 59 Jahren an Darmkrebs gestorben. „Ciao Toto. Held der magischen Nächte“, schrieb der italienische Verband in den sozialen Netzwerken. Große Worte für eine große Geschichte.
Denn Toto Schillaci und die Weltmeisterschaft 1990 in Italien - das war ein modernes Fußball-Märchen. Auch wenn den Titel am Ende die deutsche Mannschaft holte und nicht der Gastgeber und sein bis dahin weitgehend unbekannter Torjäger.
Das Märchen begann schon mindestens ein Jahr früher, als mit Juventus Turin der beliebteste und erfolgreichste Club des Landes einen Ersatzmann für den Sturm suchte und den damals 24-jährigen Schillaci vom Zweitligisten Messina holte. Der kostet nicht viel. Der klagt auch nicht, wenn er nur auf der Bank sitzt. Das war die Idee hinter dem Transfer - und genau dieses Kalkül wiederholte sich ein Jahr später bei der WM.
Denn auch da suchte Teamchef Azeglio Vicini eigentlich nur eine loyale Ergänzung, die er im Notfall für die großen Stars Gianluca Vialli, Roberto Baggio oder Roberto Mancini einwechseln kann. Doch genauso unerwartet, wie Schillaci Juventus in seiner ersten Erstliga-Saison zum nationalen Pokal- und UEFA-Cup-Sieg geschossen hatte, wurde er auch zum großen Star der WM.
„Signor Nessuno“ (Herr Niemand) war zum WM-Start Ersatz, wurde im ersten Spiel gegen Österreich eingetauscht und erzielte drei Minuten nach seiner Einwechslung per Kopf das Tor zum 1:0-Sieg (78.). Er traf gegen die Tschechoslowakei (2:0), gegen Uruguay (2:0), gegen Irland (1:0), im Halbfinale gegen Argentinien (4:5 nach Elfmeterschießen) und im Spiel um Platz drei gegen England (2:1).
Die Fans - und nicht nur die italienischen - liebten alles an ihm in diesem Sommer: die Geschichte des Sizilianers, der in einem Armenviertel von Palermo aufgewachsen war, zuerst die Schule und dann auch eine Lehre bei einem Reifenhändler abbrach. Seinen leidenschaftlichen Torjubel. Seine Tränen nach dem Aus gegen Argentinien. Nach dem Turnier wurde der beste Torschütze (6) auch zum besten Spieler der WM gewählt - vor dem deutschen Weltmeister-Kapitän Lothar Matthäus und vor Argentiniens Fußball-Gott Diego Maradona. „Plötzlich konnten selbst die Leute, die mich nicht mochten, nichts mehr sagen“, meinte Schillaci später einmal über den Sommer und das Turnier seines Lebens.
Danach traf Schillaci erst für Juventus und dann für Inter Mailand kaum noch. Auch im Nationalteam, für das er 16 Länderspiele absolvierte, konnte er nur noch ein Tor bejubeln. Selbst als er 1994 als erster italienischer Profi nach Japan wechselte, folgte nur noch eine gute Saison.
Nach seiner Karriere trat Schillaci unter anderem in der italienischen Version des TV-Dschungelcamps auf und ließ sich in den Stadtrat von Palermo wählen. Pikanterweise trat der ehemalige Inter-und Juventus-Stürmer dabei für „Forza Italia“ an, die Partei des langjährigen AC-Milan-Präsidenten Silvio Berlusconi.
Wie viel „Toto“ und sein WM-Märchen den Menschen bedeutete, klingt am Tag seines Todes aus jeder Würdigung heraus. „Gute Reise, campione“, schrieb die Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. „Es hat uns eine Ikone des Fußballs verlassen, ein Mann, der in die Herzen der Italiener eingedrungen war.“ Und Schillacis Ex-Club Juventus schrieb in seinem Nachruf: „Wir hatten uns sofort in Toto verliebt. In seinen Willen, seine Geschichte, sein leidenschaftliches Wesen; all das hat man in jedem seiner Spiele gesehen.“ Schillaci war zweimal verheiratet und hinterlässt drei erwachsene Töchter.