Mitte der 2000er-Jahre waren die "Rossoneri" aus der Lombardei das Maß aller Dinge im internationalen Fußball. In den Jahren von 2002 bis 2007 zog Milan dreimal ins Endspiel der UEFA Champions League ein und konnte dabei zweimal die Königsklasse gewinnen. Top-Stars wie Kaka, Clarence Seedorf oder Filippo Inzaghi sorgten national wie international für Furore.
Die Architekten der goldenen Ära waren Carlo Ancelotti und Italiens ehemaliger Skandal-Premierminister Silvio Berlusconi. Durch die finanzielle Unterstützung des wohlhabenden Unternehmers und Politikers konnte Ancelotti ein Team nach seinen Vorstellungen formen, ohne einen Blick auf das Konto riskieren zu müssen. Zur qualitativ starken Truppe stießen noch internationale Ausnahme-Talente wie Rui Costa, Andrea Pirlo und Allesandro Nesta hinzu.
Mit Mastermind Ancelotti an der Seitenlinie und einer Mannschaft bestehend aus Starspielern avancierte Milan zum absoluten Topklub. Physisch wie psychisch der Konkurrenz immer einen Schritt voraus hamsterten die Mailänder Erfolg um Erfolg, Titel um Titel.
Der Weg ins Mittelmaß
Vom einstigen Glanz ist mittlerweile wenig über. Nicht nur das einst so prunkvolle Stadion der Mailänder, das San Siro bröckelt, auch die Performance der Erben von Kaka, Seedorf und Inzaghi erinnern nicht mehr an vergangene Sternstunden. Schuld daran ist neben eklatanten Verfehlungen im italienischen Fußball wie Rassismus oder einer stockenden Nachwuchsarbeit die Misswirtschaft der Klubführung.
Die Erfolge der 2000er-Jahre rissen ein 200 Millionen Euro großes Loch in die Vereinskasse des einstigen Spitzenklubs. Während die Klubführung versuchte, die Schulden durch Verkäufe der Top-Stars zu senken, wurde verpasst, adäquaten oder zumindest zukunftsträchtigen Ersatz zu holen. Spieler wie Robinho, Ronaldinho und Zambrotta schlossen sich auf ihre alten Tage noch den Rot-Schwarzen an. Mit Ausnahme von Gianluigi Donnarumma wurde es jedoch verabsäumt, junge Talente nach Mailand zu locken.
Die nackten Zahlen stellten den Italienern ein schlechtes Zeugnis aus. Nur einmal in den vergangenen sieben Jahren gelang der Sprung in die Top-fünf der italienischen Serie A. Nachdem Silvio Berlusconi den Klub 2017 nach China verkauft hatte, wurde das einstige europäische Schreckgespenst 2019 wegen Verstößen gegen das Financial-Fairplay aus der Europa League ausgeschlossen. Nach wie vor gelingt es Milan nur Achtungserfolge zu erzielen, der Weg zurück an die Weltspitze ist nach wie vor zu steinig für die Mannschaft, die einst durch Europa "spazierte".
Barca auf den Spuren Milans
Parallelen gibt es derzeit beim FC Barcelona zu beobachten. Die Katalanen übernahmen nach Ablauf der Mailänder-Dominanz die Pole-Position im europäischen Spitzenfußball. Mit perfektioniertem Kurzpassspiel unter der Regie von Pep Guardiola veränderte Barca den Fußball nachhaltig.
Mit drei Champions-League-Siegen in den Jahren 2009 von 2015 sowie neun spanischen Meisterschaften in den vergangenen 15 Jahren stand die Mannschaft um Xavi sinnbildlich für eine neue Ära im Weltfußball. Doch mit dem Abschwung der Dominanz der spanischen Nationalmannschaft schlichen sich auch in Barcelona strukturelle und wirtschaftliche Fehler ein.
Bereits Mitte April protestierten sechs der 19 Vereinsdirektoren mit ihren Rücktritten gegen Präsidenten Josep Bartomeu. Die Kritik am Boss beruht nach Aussagen der Zurückgetretenen darauf, dass Vereinsmitglieder sowie Spieler bewusst in ein falsches und diffamierendes Licht gestellt wurden. Bartomeu soll das Unternehmen "I3 Ventura" mit einer Millionengage beauftragt haben, Messi und Ex-Trainer Guardiola schlechtzureden, sodass die Vereinsführung die Gunst der Öffentlichkeit genießt.
Auch die Transferpolitik hat sich im Nordosten Spaniens gewandelt. Statt auf die einst so erfolgreiche Talenteschmiede La Masia zu setzen, kauft der FC Barcelona mittlerweile wenig erfolgreich bei der Konkurrenz ein. Ehe Ansu Fati der Sprung in die Profimannschaft gelang, war Sergi Roberto der letzte Kicker, der 2013 von Barcas Jugendabteilung in die Kampfmannschaft übernommen wurde. So gab der FC Barcelona in den vergangenen sechs Jahren 1,068 Milliarden Euro für neue Spieler aus, während man im selben Zeitraum "nur" 690,55 Millionen Euro durch Verkäufe von Spielern einnahm.
Die Parallelen zwischen dem FC Barcelona und dem AC Mailand sind unübersehbar. Wenn in Spaniens einstigem Fußball-Mekka nicht sofort mit dem nötigen Umbau begonnen wird, dürfte ein möglicher Abgang von Lionel Messi noch zu den kleinsten Problemen der ehemaligen Dominatoren gehören.