Niemand traut Arsenal den Meistertitel zu. Das können die Gunners im Titelrennen nutzen.
Von Clemens Ticar
Der Autor Nick Hornby ist eine dieser leidgeprüften Seelen. "Die Liebe zum Verein ist die erste und einzig immerwährende Liebe eines jungen Mannes", schrieb er in seinem autobiografischen Roman "Fever Pitch". Eine Hommage an den FC Arsenal von 1968 bis 1992. Und Arsenal war wenig erfolgreich. Aber doch. Höhepunkt des Romans: Der Meistertitel 1988/1989. Arsenal brauchte bei Liverpool am letzten Spieltag einen Sieg mit zwei Toren Unterschied, um punktgleich und bei gleicher Tordifferenz aufgrund von mehr erzielten Toren Meister zu sein. Der junge Michael Thomas erledigte das zweite Arsenal-Tor in der Nachspielzeit. Hornby war – im Buch, Film und real – aus dem Häuschen. Es war der erste Meistertitel seit 1971, seit 18 Jahren.
Die Parallelen zur laufenden Saison sind verblüffend. 19 Jahre wartet Arsenal aktuell auf den Titel in der Premier League. Wie 1989 schien Arsenal den Meistertitel auch in der laufenden Saison bereits frühzeitig in der Tasche zu haben. Wie damals schwächeln die Gunners. Wird es diesmal ebenfalls reichen? Dermaßen dramatisch ist die Konstellation in der laufenden Saison nicht. Das heutige Duell mit Manchester City kommt aber doch einem Finalspiel um den Meistertitel gleich. Besiegt Arsenal heute die Skyblues – übrigens in der Liga das erste Mal seit Dezember 2015 – haben es die Gunners fünf Runden vor Ende der Saison wieder in der eigenen Hand. Anders als City ohne Doppelbelastung. Erfahrung, Kader und die aktuelle Form sprechen für die Mannschaft von Trainer Pep Guardiola. Unbekümmert gehen aber die Londoner ans Werk. Sie spielen um einen Titel, den ihnen vor der Saison niemand zugetraut hatte.
Jahrelange Zusammenarbeit der beiden Trainer
Dass Trainer Mikel Arteta lange Zeit als Co von Pep Guardiola gearbeitet hat und daher weiß, wie der City-Trainer tickt, kann helfen – hat es in der Vergangenheit aber nicht. Mit Oleksandr Zinchenko und Gabriel Jesus sind zwei Spieler Teil des Arsenal-Kaders, die mit Manchester City Titel gewonnen haben. Arteta setzt in diesem Zusammenhang auf die Erfahrung der beiden Spieler. Die Erfahrung, als Trainer Titel zu gewinnen, hat auch Arteta. Und die Erfahrung, als Arsenal-Spieler Titel zu gewinnen, hat Sportdirektor Edu. Er war Teil der letzten Meistermannschaft Arsenals im Jahr 2004. So wie George Graham, Meister-Trainer der Mannschaft 1989, der beim Titel 1971 als Spieler dabei war. Vielleicht wiederholt sich Geschichte.
Oder frei nach Hornby: "Ich habe mein Leben nach dem Spielplan von Arsenal ausgerichtet. Und jedes Ereignis von Bedeutung hat einen fußballerischen Schatten." Das heutige mehr als andere.
Manchester City spielt zu Hause, hat den stärkeren Kader und befindet sich in herausragender Form.
Von Hubert Gigler
Vor etwas mehr als einem Jahr ging im Etihad-Stadion zu Manchester ein grandioses Vorentscheidungsspiel über die Bühne. City begrüßte den FC Liverpool, der ein schmeichelhaftes 2:2 erreichte. Die Mannschaft von Pep Guardiola konservierte aber den hauchdünnen Vorsprung von einem Punkt bis zum Schluss und konnte sich den Titel in der Premier League einverleiben.
City wird ja eine für britische Verhältnisse eher laue Publikumsunterstützung nachgesagt, so ähnlich wie Rest-Österreich, vor allem aus dem Großraum Wien, über das Fanverhalten für Red Bull Salzburg lästert. Die damalige Stimmung im Stadion jedoch stand im Widerspruch zu den Vorurteilen, schon sehr lange vor dem Anpfiff herrschte Gänsehautatmosphäre. Pep Guardiola erwartet zumindest den gleichen Support für Mittwoch. "Es ist ein so extrem wichtiges Spiel für uns. Wir wissen, mit einem Sieg haben wir den Titel in der eigenen Hand. Ich hoffe, das Stadion ist schon drei Stunden vor Beginn voll."
City ist in bestechender Form
Nach einer Serie von sieben Siegen und einem Remis liegt Manchester City unmittelbar vor dem Duell mit dem FC Arsenal theoretisch einen Punkt vor dem Meisterschaftsrivalen, wenn die zwei ausständigen Partien als Siege eingerechnet werden. Also ist die Ausgangsposition jener vom Vorjahr nicht unähnlich. Die Erfahrung mit einer solchen Konstellation kann City niemand nehmen.
Der Verlauf der Formkurve lässt bei den Londonern eine relativ deutliche Abweichung vom Titelkurs erkennen, denn zu Monatsbeginn betrug der Vorsprung von Arsenal noch acht Punkte, bei einem Spiel mehr. Drei Unentschieden in Folge, das letzte (3:3) durch zwei späte Tore gegen Southampton nach 1:3-Rückstand glücklich erreicht, ließen den Abstand schmelzen, jetzt sind es fünf Punkte bei einem Überhang von zwei Partien.
Haaland passt mittlerweile zu den Citizens
Guardiola hat es offenbar mittlerweile geschafft, eine für eine gewisse Expertenschicht gültig gewesene Ansicht aus der Welt zu schaffen. Diese besagte, die Spielanlage von ManCity sei mit Erling Haaland nicht wirklich kompatibel, und dies ungeachtet der zahlreichen vom norwegischen Angriffswunder erzielten Tore. Doch die letzten Wochen waren geeignet, mit dieser These aufzuräumen. Sie gewinnen mit oder ohne Haaland auf grandiose Weise, wie beim 4:1 gegen Liverpool (ohne) oder beim 4:1 gegen Southampton (mit). Die erfolgreiche Integration des Goalgetters war auch in der Champions League gegen den FC Bayern mitzuerleben, etwa am Beispiel des glänzenden Assists zum 2:0 beim 3:0-Erfolg im Heimmatch.
Pep Guardiola wird im Trainerduell gegen seinen einstigen Assistenten Mikel Arteta alle Register seines umfangreichen Repertoires ziehen, dafür steht ihm auch (fast) der gesamte Kader zur Verfügung, lediglich über Nathan Ake steht ein Fragezeichen. Die aktuelle Topform, die Erfahrung und das ausgereiftere Spiel lassen keine Zweifel über die Favoritenposition aufkommen und das Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid ist noch zwei Wochen entfernt.