Letztlich ging alles sehr schnell vergangenen Dezember. Ralph Hasenhüttl wurde zum ersten österreichischen Trainer in der Premier League. Er schaffte es mit Southampton, die Klasse zu halten – samt Siegen gegen Arsenal und Tottenham. Bei der Weinkost am Pogusch gab er eines seiner seltenen Interviews - sicher war es das einzige während seines Urlaubs.
Ein bisschen mehr als ein halbes Jahr ist vergangen seit dem Beginn des Engagements in England. Jetzt, mit ein wenig Urlaub, sind Sie schon aufgewacht aus dem Traum?
RALPH HASENHÜTTL: Es war ein sehr intensives Jahr. Aber ja, ich bin aufgewacht – und gut aufgewacht. Die Vorstellung, was mich erwartet, hat sich ziemlich genau mit dem gedeckt, was wirklich war. Es war schon von der Liga her eine interessante Aufgabe – mit die schwerste in meiner Karriere.
Inwiefern war es das?
Ich hatte noch nie eine Mannschaft auf Englisch trainiert, selten Pressekonferenzen ausschließlich in englischer Sprache gegeben. Ich kannte die Liga und die Mannschaft nicht. Das Einzige, wovon ich überzeugt war, war, dass ich bisher jede Aufgabe mit Erfolg bewältigt habe.
Und das reicht?
Ich habe es mit einem guten Segler verglichen, der hinausfährt, wenn der Sturm aufzieht. Du weißt nicht, woher der Wind kommen wird, wie stark er ist. Du kennst das Boot nicht gut. So ähnlich war das. Aber wir haben es geschafft, in der Liga zu bleiben. Insofern habe ich wohl viel richtig gemacht.
Nicht nur das. Sie haben die Stadt im Eiltempo erobert, oder?
Das war mir fast zu schnell. Schon nach zwei Spielen war ich „King Ralph“ und aus Southampton wurde „Ralphampton“. Andererseits ist diese Euphorie im Fußball typisch für England. Ich habe immer versucht, zu relativieren. Weil nach zwei Spielen war gar nichts geschafft, es ging um Konstanz. Wenn du die nicht hast, ist die Euphorie schnell verflogen und schlägt ins Gegenteil um.
Man lobte Sie für den Einbau junger Eigenbauspieler. Passierte das bewusst?
Das entspricht unserer Philosophie und ist auch der Tatsache geschuldet, dass wir nicht unendlich viel Geld zur Verfügung haben.
Das ist für einen englischen Klub aber jetzt ein Scherz, oder?
Man unterschätzt das! Natürlich haben wir große Einnahmen aus TV-Geldern. Aber die Gehälter sind sehr hoch, neue Spieler kosten viel. Dazu braucht man Investoren. Wir haben zwar einen chinesischen Eigentümer, aber der führt den Klub als eigenfinanziertes Unternehmen. Wir haben also einen gewissen Wettbewerbsnachteil. Das ist nicht schlimm, man muss sich dessen nur bewusst sein, dass man manchmal weniger Möglichkeiten hat.
Was ist denn nun das „Hasenhüttl-Rezept“? Gibt es das?
Zumindest ist das, was unsere Mannschaften machen, immer aktiv, nie abwartend. Wir spielen lebendigen Fußball, emotional, leidenschaftlich. Daran erkennt man uns schon.
Ist es Hauptaufgabe des Trainers, Leidenschaft zu erzeugen?
Absolut, ja!
Müssten die Spieler die nicht ohnehin haben?
Sollten sie. Den Willen, zu gewinnen, hat auch jeder. Aber den Willen, sich aufs Gewinnen vorzubereiten, hat nicht jeder. Dabei ist der wichtiger. Und es ist wichtig, allen diese Leidenschaft vorzuleben. Ich habe sehr viel investiert für meine Karriere, fordere von den Spielern nichts ein, was ich nicht vorlebe. Doch Aufwand, Leidenschaft, Arbeit sind keine Garantie für Erfolg. Du erhöhst nur die Wahrscheinlichkeit, erfolgreich zu sein.
Aber auch Trainer sind von individuellen Leistungen abhängig.
Und es kann dir in der Premier League definitiv passieren, dass du ein perfektes Spiel machst und trotzdem verlierst – weil der Gegner so gut ist. Das ist der Reiz: Das Team so gut vorzubereiten, dass es als David die Chance hat, Goliath zu schlagen. Nur in England kann es jedem Klub jedes Wochenende passieren, dass er eine auf den Deckel bekommt. Du fährst nirgends hin und sagst: Das gewinnst du. Umso höher ist die Saison von Liverpool und ManCity einzuschätzen.
Waren das explizit auch Erfolge aufgrund der Trainer?
Natürlich! Egal ob man von Klopp, Guardiola oder auch Mauricio Pochettino und Tottenham redet, der übrigens von Southampton kam: Erfolg kommt, wenn du als Trainer eine Philosophie verfolgst und der Klub dir Zeit gibt. Klopp hat ja die ersten zwei Jahre mit Liverpool nicht viel gewonnen, das darf man nicht vergessen.
In unseren Breiten, aber auch in Deutschland, sind die Trainer dagegen schnell ausgetauscht.
Ja, Schnelllebigkeit hat Nachhaltigkeit verdrängt. Nur bringen die kurzfristigen Nachfolgelösungen selten mehr Erfolg als das, was davor war. Zudem verliert man jedes Mal die Richtung. In England versucht man, eher langfristig zu arbeiten. In Southampton haben wir die Philosophie, ein Ausbildungsverein zu sein, Spieler zu entwickeln. Aber der Erfolg kann sich nur auf lange Sicht einstellen.
Sie sind in England aber nicht nur Trainer, sondern „Manager“.
Stimmt, ich bin für die Aufstellung verantwortlich, aber auch für die Transfers. Ich muss, wie in einem Unternehmen, berichten und mich an Budgets halten. Ich musste da viel lernen, ein anderes Zeitmanagement entwickeln. Aber das wollte ich ja auch: Lernen, über die Trainertätigkeit hinaus. Da hat mir die Arbeit mit Ralf Rangnick geholfen. Er hat mir gezeigt, wie man einen Verein sportlich erfolgreich führt. Jetzt darf ich meinen eigenen Weg gehen.
Wo ist denn Ihr Limit?
Damit beschäftige ich mich nicht. Wichtig ist, in der momentanen Aufgabe Erfüllung zu finden. Klar ist: Ich habe als Trainer nicht solche Limits, wie ich sie als Spieler hatte.
Was sind Ihre Stärken?
Ich habe scheinbar gewisses Talent, Menschen mitzunehmen, offenbar eine ganz gute emotionale Intelligenz. Das ist eine gute Basis. Alles andere? Arbeit und Ergebnisse.
Wohin geht die Reise mit Southampton?
Letztes Jahr war der Klassenerhalt alles, worum es gegangen ist. Klar, wenn man im Minus startet. Jetzt setzen wir uns höhere Ziele. Ein Platz um zehn, das wäre ein Wahnsinn.
Bei den Fans der „Saints“ sind Sie fast ein Heiliger – welche Rolle spielte da das Freibier?
Die Idee haben wir gemeinsam mit der Marketingabteilung entwickelt (lacht). Es war das erste Heimspiel, gleich ein Sieg gegen Arsenal – viel besser kann es nicht laufen.