In jenen Tagen, an denen der christliche Teil der Menschheit innehält, um sich in Stille zu üben, darf in England einer nicht ruhen – der Ball. Seit 130 Jahren wird in der Weihnachtszeit auf der Insel dem Kick gehuldigt, ein Relikt des viktorianischen Zeitalters. Es gab nicht viele Vergnügungen für das von der Industrialisierung erfasste britische Volk, aber am Weihnachtstag blieb die Arbeit liegen. Also wurde der Fußball am 25. und 26. Dezember zum öffentlichen Spektakel erhoben, die Menschen strömten in die Stadien. So geschieht es auch in der heutigen Zeit, wenngleich der bis in die späten Fünfzigerjahre dafür bevorzugt genutzte Weihnachtstag nicht mehr dazugehört.

Der darauf folgende „Boxing Day“ blieb dem Fan aber erhalten. Und rundherum wird ebenfalls ein dichtes Programm absolviert. Zwischen dem 22. Dezember und 3. Jänner werden in der Premier League vier volle Runden abgewickelt.

Die Spieler des 19. Jahrhunderts würden aber nur milde lächeln über ihre verweichlichten Nachfahren. 1888 begab es sich, dass Everton innerhalb von 30 Stunden drei Matches bestritt, zwei am Weihnachtstag, eines am 26. Bei den Akteuren hielt sich die Freude über die Festtagseinsätze in Grenzen, weil viele im Doppelpass mit dem Alkohol erprobt waren, wie es der Fußball-Historiker Paul Brown beschreibt.

Manchmal kam es so dick, dass gar nicht oder kaum gespielt werden konnte, dann nämlich, wenn der Nebel die Insel zudeckte. 1937 wurde der Fußball vom klassischen „fog“ weitgehend stillgelegt, aber das Match zwischen Chelsea und Charlton an der Londoner Stamford Bridge ging über die Bühne. Im Laufe der Zeit verlor Charlton-Torhüter Sam Bartram seine Kollegen aus den Augen, in der Annahme, sie würden den Gegner in dessen Hälfte einschnüren. Wie er in seiner Autobiographie erzählt, sah er nach vielen einsamen Minuten endlich wieder eine Gestalt aus dem Nebel heraus auf sich zukommen. Es war ein Polizist, der ihm mitteilte, dass das Match eine Viertelstunde zuvor abgebrochen worden war.
In der Nachkriegszeit erreichte das weihnachtliche Fußballfieber seinen Höhepunkt. 1949 wurden an vier Tagen 3,5 Millionen Menschen gezählt, für viele war es das einzige Match des ganzen Jahres.

Heute sind die Stadien ebenfalls prall gefüllt, zudem kann sich der TV-Konsument neben seinen Mahlzeiten dem üppigen Programm zuwenden. Die in der Premier League engagierten Österreicher müssen sich arrangieren mit der weihnachtlichen Matchfülle. Nur Christian Fuchs und der in der Liga noch nicht zum Einsatz gekommene Aleksandar Dragovic halten sich mit Leicester derzeit in ruhigen Gefilden der Tabelle auf, alle anderen spüren die Nähe zur gefährlichen Zone. Während aber West Ham inklusive des derzeit sehr starken Marko Arnautovic einen klaren Aufwärtstrend verzeichnet, befinden sich Stoke mit Kevin Wimmer und Watford mit Sebastian Prödl auf dem absteigenden Ast. Im Zeichen des Christbaums soll es wieder bergauf gehen.