Der deutsche Fußball-Bundesligist Eintracht Frankfurt hat am Donnerstag wohl einen der denkwürdigsten Abende seiner Clubgeschichte erlebt. Mit einem 3:2 im Camp Nou gegen den FC Barcelona zogen die Hessen ins Semifinale der Europa League ein - und das vor rund 30.000 mitgereisten Anhängern. Gefeiert wurde im Stadion bis weit nach Mitternacht, zu den besonderen Fan-Lieblingen zählten Trainer Oliver Glasner und Martin Hinteregger.
Der ÖFB-Verteidiger wurde von den Eintracht-Fans schon während der Partie regelmäßig mit "Hinti, Hinti"-Sprechchören bejubelt, noch lange nach dem Schlusspfiff machte der Kärntner auf dem Rasen der Arena mit tausenden Schlachtenbummlern auf den Tribünen die Welle. "Das war ein brutales Spiel. Wir haben so extrem aufpassen müssen, in jeder Aktion", sagte Hinteregger. "Zum Glück haben wir heute unsere Konter cool ausgespielt und auch vergoldet. Dass es am Ende nochmals eng geworden ist, war eigentlich logisch."
Am Ende wurde es nochmals eng
Die Frankfurter sahen bei einer 3:0-Führung und einem 1:1 aus dem Hinspiel schon wie der sichere Aufsteiger aus, doch dann schlug Barcelona im Finish zweimal zu. "Wenn es noch fünf Minuten länger gegangen wäre, wäre es eng geworden", gestand Hinteregger. Die Partie sei ein "Kopfspiel" gewesen. "Körperlich geht es, aber mental bin ich komplett kaputt."
Glasner zelebrierte den vielleicht größten Erfolg seiner Trainerkarriere, indem er an seinen Spalier stehenden Profis vorbei auf dem Bauch mit dem Kopf voraus über den Rasen des Camp Nou rutschte. "Die Hose ist jetzt kaputt, aber egal", erzählte der Oberösterreicher.
Eingebrannt ins Herz
Glasner, der erst im Sommer vom VfL Wolfsburg nach Frankfurt kam und damit einen Champions-League-Club verließ, zeigte sich stolz und hocherfreut. "Das hat sich eingebrannt ins Herz für immer. Diese Gefühle werde ich mitnehmen, bis ich irgendwann hoffentlich mal eine Etage höher bin", sagte Glasner und hob die Bedeutung der Fans hervor. "In dieser Symbiose haben wir diesen Riesenerfolg und diesen großartigen Sieg gefeiert."
Nachdem es in der Coaching-Zone einige Diskussionen mit Trainerkollege Xavi Hernandez gegeben hatte, war es Glasner ein großes Anliegen, etwas klarzustellen. Der Oberösterreicher entschuldigte sich dafür, wenn er beim dritten Tor - dem zwischenzeitlichen 3:0 durch Filip Kostic - womöglich etwas zu deutlich in Richtung Barcelona-Bank gejubelt habe. "Das war in keinster Weise meine Absicht", betonte der 47-Jährige.
Ärger über Clubführung
Xavi ärgerte sich ohnehin weniger über Glasner als über die eigene Clubführung. Dass es so viele Frankfurt-Fans ins Stadion schafften und damit Barcas Heimvorteil zunichtemachten, sorgte beim früheren Welt- und Europameister für Unverständnis. "Ich habe den Spielern gesagt, dass entscheidend ist, was auf dem Platz passiert. Aber natürlich könnte es uns beeinflusst haben", meinte Xavi und sprach von einem "Planungsfehler".
Barcelona-Präsident Joan Laporta gab sich zerknirscht. "Ich schäme und entschuldige mich. Das wird nie wieder passieren. Wir haben Informationen darüber, was passiert ist. Es ist empörend und beschämend. Wir werden handeln und das erklären", zitierten ihn spanische Medien. Details nannte er nicht.
Protest der Barca-Fans
Der Club hatte zuvor mitgeteilt, dass offiziell 5.000 Eintrittskarten an deutsche Fans verkauft worden seien, wie dies die UEFA vorschreibt. Viele Tickets für Deutsche stammten wohl aus Wiederverkäufen und von Reisebüros, spekulierten spanische Medien. Angesichts der starken deutschen Fan-Präsenz hatten einige Barca-Anhänger aus Protest während des Spiels für zehn Minuten ihre Plätze verlassen. Laut offiziellen Angaben betrug die Zuschauerzahl 79.468.
Die spanische Zeitung "Sport" ging mit dem Club und den Fans hart ins Gericht. "Es ist absolut unzulässig, egal wie man es betrachtet, dass in einem europäischen Spiel, in dem Barca um einen Platz im Halbfinale spielt, das Camp Nou zu einem Dampfdrucktopf wird - aber zugunsten der gegnerischen Mannschaft", schimpfte die Zeitung. Der Club und seine Mitglieder müssten ernsthaft in sich gehen. "Was gestern Abend im Stadion passiert ist, darf nie wieder passieren!"
Erste Niederlage nach 16 Pflichtspielen
Während die Katalanen erstmals seit 16 Pflichtspielen wieder als Verlierer vom Platz gingen und diese Saison nun mit großer Wahrscheinlichkeit ohne Titel beenden werden, geht es für die Eintracht wie im Europa-League-Semifinale 2019 gegen einen Kontrahenten aus London. Damals scheiterte man im Elfmeterschießen an Chelsea, diesmal ist West Ham United die letzte Hürde vor dem Endspiel in Sevilla. Das zweite Halbfinale bestreiten RB Leipzig und die Glasgow Rangers.