"Ich fühle mich in meiner Ehre verletzt", sagte Tottenhams Star-Trainer Jose Mourinho nach dem Ausscheiden seines Teams in der Europa League. Nach dem ersten Platz in der Gruppe mit dem LASK und den Kantersiegen gegen den WAC war für die Londoner im Achtelfinale Schluss. "Blut, Schweiß und Tränen" habe Tottenhams Bezwinger auf dem Feld gelassen. "Viel Herz und viel Wille haben uns geschlagen." Worte, die in Zagreb wohl heruntergehen wie gut gekühltes "Pivo".
"Für Dinamo war es der größte Erfolg der Vereinsgeschichte, seitdem das Land unabhängig ist", sagt Dinamo-Experte Robert Junaci von der Zagreber Zeitung Vecernji list zur Kleinen Zeitung. Dabei schien die Sache nach der 0:2-Auswärtsniederlage bereits gegessen, doch ein überragender Mislav Orsic schoss die Kroaten mit einem Triplepack (62., 83., 106.) im Maksimir Stadion völlig überraschend in die nächste Runde. Dort trifft der kroatische Meister, der seit Bestehen der Liga 21 der 29 ausgetragenen Meisterschaften für sich entscheiden konnte, nun auf den spanischen Salzburg-Bezwinger Villarreal.
Wie bereits in den meisten Spielen zuvor geht Dinamo auch in dieses Duell als Underdog. Doch das sollte den Tabellenführer der kroatischen HNL nicht weiter stören. Schon in der Gruppenphase wurde Zagreb als auf dem Papier schwächster Gegner Wolfsbergs eingestuft, nur um die Gruppe K letztlich ungeschlagen vor dem WAC, Feyenoord und ZSKA Moskau zu gewinnen. Für Junaci hingegen war dies keine große Überraschung: "Sie haben sich in den vergangenen Jahren schon unter Nenad Bjelica (Anm: Ex-WAC und -Austria-Trainer) international exzellent weiterentwickelt." Im Sechzehntelfinale besiegten die Hauptstädter Krasnodar zweimal und schockten dann das mit Titelambitionen ins Turnier gegangene Tottenham.
Korruption, Exil und die Chance auf Historisches
Dabei dominierte unmittelbar vor dem Spiel vor drei Wochen ein ganz anderes Thema die Zagreber Fußballwelt: Im letztlich glorreichen Rückspiel saß nämlich unvorhergesehen plötzlich jemand anderes auf der Trainerbank als noch im Hinspiel. Nur zwei Tage zuvor war Dinamos bisheriger Trainer und Sportdirektor Zoran Mamic nach seiner rechtskräftigen Verurteilung zu einer knapp fünfjährigen Haftstrafe wegen Korruption nämlich zurückgetreten. Er beteuerte dennoch seine Unschuld.
Mamic' Bruder Zdravko dürfte die Partie indes wohl aus Bosnien-Herzegowina mitverfolgt haben - denn dort befindet sich der damalige Klub-Eigentümer derzeit im Exil, um sich der kroatischen Justiz zu entziehen. Auch er wurde zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. "Was das alles für die Zukunft des Vereins bedeutet, weiß derzeit noch niemand", meint Junaci.
Wo andere Teams ob der Unruhe um ihren Verein nicht ihre gewohnte Leistung abrufen können, spielte die seitdem von Mamic' langjährigem Assistenten Dario Krznar trainierte Elf gegen Gareth Bale und Co. groß auf. Nun hat Dinamo sogar die Chance, als erste kroatische Mannschaft seit der Unabhängigkeit 1991 in ein europäisches Halbfinale vorzudringen. Die letzten Klubs, denen das gelang, als Kroatien noch dem ehemaligen Jugoslawien angehörte, waren Sarajewo 1985 im UEFA-Pokal und Roter Stern Anfang der 90er-Jahre im Europapokal der Landesmeister. Und vielleicht schaut am Ende für Zagreb ja sogar der erste europäische Titelgewinn seit dem Triumph im Messestädtepokal 1967 heraus.