Spielerverpflichtungen von Rapid sind ein Garant für Diskussionen in Medien, Fan-Foren oder an Stammtischen. Debattiert wird zumeist über die Qualität oder die Ablösesumme des Neuzugangs, aber nur selten über den Prozess, der zum Transfer führte. Die Arbeit der Scouting-Abteilung bleibt oft im Hintergrund, dabei legt dieses fünfköpfige Team die Basis für anstehende Personalentscheidungen.
Ersatzmänner stehen bereit
So wurde etwa Matej Jelic sechs bis sieben Mal vor Ort beobachtet und analysiert, wie Bernard Schuiteman, seit Juni 2014 Leiter von Rapids Scouting-Abteilung, erzählte. "Er war schon seit letztem September auf unserem Radar, ab Winter ist es dann intensiver geworden, weil man ja auch spürt, auf welchen Positionen akuter Handlungsbedarf bestehen könnte", erklärte der Niederländer.
Da Robert Beric bereits in der vergangenen Saison internationale Clubs auf sich aufmerksam machte, musste man sich früh nach möglichen Nachfolgern umsehen. Doch auch für alle anderen Positionen stehen potenzielle Ersatzmänner bereit - Schuiteman und Co. erstellten für Rapid eine komplette "Schattenmannschaft".
Umspannendes Netzwerk
"Das hört sich wichtig an, ist aber im europäischen Fußball ganz normal", betonte Schuiteman. "Wir haben pro Position mehrere Namen, manchmal sogar sechs, sieben oder acht." Das bedeute jedoch nicht, dass sich Rapid konkret um diese Spieler bemühe. "Wir sagen nur, wir sollten ihnen weiter folgen. Nach weiteren Beobachtungen fallen meistens drei oder vier weg. Dann kommen vielleicht noch einmal durch Verkäufe zwei, drei weitere Spieler nicht mehr infrage und am Schluss bleiben nur noch wenige übrig."
Gescoutet wird vor allem in Österreich und den angrenzenden Ländern. "Doch wir gehen auch schon immer weiter hinaus", sagte Schuiteman, der über ein umspannendes Netzwerk in den Niederlanden, Belgien und Skandinavien verfügt. Ergänzt wird es durch die Kontakte von Sportdirektor Andreas Müller nach Deutschland und die Verbindungen von Trainer Zoran Barisic in den Balkan-Raum.
Entscheidung liegt bei Trainer und Sportdirektor
Müller und Barisic obliegt auch die Letztentscheidung bei einem Transfer. "Wir sind ein Empfehlungsorgan und versuchen, unsere Arbeit zu dokumentieren. Doch wenn der Sportdirektor und der Trainer sagen, dieser Spieler taugt uns nicht, muss man das akzeptieren", sagte Schuiteman.
Bei der Spielersuche wird besonders auf die Kompatibilität mit Rapids auf Ballbesitz ausgelegter Philosophie geachtet. "Unsere Mannschaft ist meistens in der gegnerischen Hälfte, da sind gewisse Qualitäten gefragt. Ein Mittelstürmer bei Rapid muss zum Beispiel andere Voraussetzungen mitbringen als ein Mittelstürmer bei Grödig", meinte Schuiteman.
700 Spiele pro Jahr
Der bald 42-Jährige und seine Kollegen sitzen bei rund 700 Partien pro Jahr im Stadion. Dabei handelt es sich zumeist nicht um fußballerische Leckerbissen in prunkvollen Stadien vor zigtausenden Fans, sondern oft um Partien in einer osteuropäischen Peripherie mit wenigen Zuschauern. "Man hat nicht immer Highlights mit Superspielen im VIP-Club. Als Scout muss man flexibel sein. Das ist ein Beruf, der mental viel abverlangt, ein eigener Lifestyle. Man ist viel unterwegs, vor allem am Wochenende", meinte Schuiteman.
Der Königstransfer
Ein Antrieb ist die Hoffnung auf einen Königstransfer, einen starken Spieler zu einem Schnäppchenpreis. "Aber es gibt keinen Scout auf der Welt, der nur Goldgriffe hat", stellte Schuiteman klar und räumte mit falschen Vorstellungen auf. "Dass man irgendwo hinfährt und zufällig einen entdeckt, diese Zeiten sind vorbei. Bei der U19-EM in Ungarn zum Beispiel waren in einem Spiel 64 Scouts auf der Tribüne, jeder Nachwuchs-Teamspieler steht Länge mal Breite in jeder Datenbank."
Immerhin könne man durch strukturiertes Vorgehen das Risiko eines Fehlgriffs reduzieren. "Wenn man 50 Transfers mit Scouting und 50 ohne intensives Scouting miteinander vergleicht, werden die Transfers mit Scouting erfolgreicher sein."
Rund 100.000 Euro im Jahr
Der frühere GAK-Verteidiger lernte sein Handwerk in den Niederlanden, wo traditionell viel Wert auf die Suche nach vielversprechenden Kaderergänzungen gelegt wird. "Bei Alkmaar werden 2,5 Prozent des Budgets in die Scoutingabteilung investiert. Ich wäre schon mit einem Prozent zufrieden", sagte Schuiteman. Wie viel Rapid das Scouting wert ist, wollte Schuitemann nicht verraten - die Austria stellt dafür laut dem Fußball-Fachmagazin "Ballesterer" 100.000 Euro pro Jahr zur Verfügung. "Das kommt bei uns auch ungefähr so hin", sagte der Niederländer.
Im Vergleich dazu betrug die Ablösesumme von Beric kolportierte 5,5 Millionen Euro. Dass der für den Slowenen geholte Jelic noch nicht auf die Torquote seines Vorgängers kommt, ist für Schuiteman keine Überraschung. "Wenn ein Spieler wie Beric geht, können wir ihn nicht am gleichen Tag eins zu eins ersetzen. Aber wir können versuchen, jemanden zu finden, der nach einer gewissen Zeit genauso gut ist."