Was macht jetzt die Hinti-Army? Wird sie sich zerstreuen oder in Eintracht überlaufen zu einem Mitspieler, der es punkto Popularität tatsächlich aufnehmen kann mit dem Österreicher, der seinen Dienst so plötzlich quittiert hat? Jedenfalls könnte sich so manch eingefleischter Fan von Martin Hinteregger denken, "der Bursche hat Courage, der pfeift sich nichts, sagt einfach, habt mich gern" und schwört dem nunmehrigen Ex-Fußballprofi über dessen Abgang hinaus die ewige Treue.
Kommentar zum Karriereende Martin Hintereggers von Markus Sebestyen!
Der erweiterte, politisch dem linken Lager zuzuordnende Frankfurter Anhängerkreis war dem passionierten Jäger zuletzt nicht mehr Gewehr bei Fuß gestanden, nach den von der rechten Flanke abgegebenen Streifschüssen. Der plötzliche Rücktritt des erst 29-Jährigen, der sein Vaterland in 67 Länderspielen auf dem Platz verteidigt hat, könnte den Schluss nahelegen, er sei eine Folge des vor allem in Deutschland erfolgten Aufschreis nach dem Artikel des freien Journalisten Michael Bonvalot, der zu Papier brachte, was zumindest in Kärnten offen auf dem Tisch lag und keiner Geheimhaltung unterworfen war. Heinrich Sickl, der Geschäftspartner von Hinteregger bei der Rahmenveranstaltung seines Hobbyturniers namens Hinti-Cup, wurde als Rechtsextremer geoutet. Der Artikel löste eine Lawine aus. Hat sie den "Hinti" mitbegraben?
Die Geschichte könnte mit dem erklärten Abschied zu Ende sein, die Spekulationen werden weitergeführt. Martin Hinteregger war für die Kleine Zeitung nicht zu erreichen. Der Fußballer ist nach seinen das Verwirrspiel anheizenden medialen Wortmeldungen ein gebranntes Kind, so nahm er sich vorerst aus der Schusslinie. Im Eintracht-TV aber stand der gerade zum Ehemaligen Avancierte sieben Minuten lang Rede und Antwort. Er habe sich schon im Herbst mit dem Gedanken getragen, abzutreten. Siege hätten sich nicht mehr so angefühlt wie früher, Niederlagen umso mehr Schmerz verursacht. Der Europa-League-Triumph war ein Höhepunkt, den er genossen habe. Hinteregger verpasste das Finale wegen einer Verletzung, auch das tat weh.
Sein Berater Christian Sand erklärte, der Entschluss "hängt nicht unmittelbar mit der Situation um den Hinti-Cup zusammen". Er meinte aber auch mit Verweis auf ein Falco-Zitat: "Alles, was jetzt kommt, wird nur noch schlechter. Martin ist Europa-League-Sieger, wurde vor Kurzem noch gefeiert wie ein Held. Nun hat er beschlossen, ein anderes Kapitel aufzuschlagen." Hinteregger hat auf politischer Ebene reinen Tisch gemacht, sich losgesagt von Sickl. "Um es noch einmal klar zu sagen: Intolerantes und menschenverachtendes Gedankengut verurteile ich aufs Schärfste. Wer mich kennt, weiß das."
In die Annalen eingehen wird Hinteregger gewiss nicht als Angepasster. Öffentlich geäußerte Kritik mündete in Vereinswechseln. Von Salzburg, wo er seit seinem 14. Lebensjahr im Einsatz stand, schied er ebenso in Unfrieden wie später von Augsburg. Frankfurt wurde zur "zweiten Heimat", das Volk liebte den Naturburschen. Das Feiern gehörte für den Kärntner gewissermaßen zum Trainingsplan, nicht selten überschritt er die Toleranzgrenze. Auch Ex-Teamchef Franco Foda wurde von Hinteregger gereizt. Ein Spiel verpasste er zwar, doch bald darauf wurde er begnadigt.
Sportlich begab sich Hinteregger nicht auf die schiefe Ebene, bei der Eintracht und in der Nationalmannschaft war er unumstrittener Stammspieler. Beim ÖFB wird er in den Legendenklub aufgenommen. "Er ist ein individueller Typ mit Ecken und Kanten, mit dem sich viele identifizieren konnten. Seine fußballerischen Qualitäten haben unsere Mannschaft über viele Jahre bereichert", sagte Sportdirektor Peter Schöttel.
Detail am Ende: Der Vertrag wurde ausgesetzt, nicht aufgelöst. Als könnte es sich Hinteregger noch einmal überlegen. Der Kontrakt läuft bis 2024. Es gäbe für die Eintracht noch was zu verdienen.