Man hatte es vermutet, aber dennoch ist es irgendwie ein Fußball-Erdbeben: Trainer Hansi Flick will den deutschen Fußball-Serienmeister FC Bayern München mit Saisonende verlassen. Das kündigte der 56-Jährige am Samstag nach dem 3:2-Erfolg des Tabellenführers in der Bundesliga gegen den drittplatzierten VfL Wolfsburg an. "Ich habe dem Verein gesagt, dass ich im Sommer aus meinem Vertrag raus möchte. Ich habe meine Entscheidung nach reiflicher Überlegung getroffen", sagte Flick im Sky-Interview. Die Gründe dafür würden vorerst intern bleiben.
Sein Vertrag beim Champions-League-Sieger von 2020, der unmittelbar vor seinem neunten Meistertitel in Folge steht, läuft noch bis 30. Juni 2023. Die Münchner könnten Flick also noch Steine in den Weg legen, offizielle Aussage gab es vorerst jedenfalls noch keine. "Ich habe nur den Wunsch geäußert. Denn ich weiß auch, dass ich noch einen Vertrag habe. Mir war wichtig, dass die Mannschaft das von mir erfährt, denn es ging schon einiges an Flurfunk herum", gab der frühere Salzburg-Co-Trainer Einblick.
Bezüglich seiner Zukunft hielt sich Flick, der sich laut einem Sky-Bericht am Tag vor dem Wolfsburg-Spiel an einer Hotelbar lange mit VfL-Coach Oliver Glasner ausgetauscht hatte, bedeckt. Der aktuelle Bayern-Coach wird stark als Nachfolger von Joachim Löw als DFB-Teamchef nach der EM-Endrunde im Sommer gehandelt. "Meine Zukunft ist überhaupt nicht klar", betonte Flick allerdings. Ein Gespräch mit Oliver Bierhoff, dem Direktor des Deutschen Fußball-Bundes, habe es auch noch nicht gegeben.
Für Flick wäre es jedenfalls eine Rückkehr, war er doch beim DFB schon lange Jahre als Co-Trainer von Löw (2006 bis 2014) sowie auch Sportdirektor (2014 bis 2017) tätig. "Natürlich ist der DFB eine Option, die jeder Trainer überlegen muss. Ich muss aber jetzt einmal alles verdauen, die letzten Wochen waren für mich auch nicht ganz easy", sagte Flick. Besonders bitter war das Aus im Champions-League-Viertelfinale gegen Paris St. Germain am Dienstag trotz eines 1:0-Rückspielerfolges. Schon danach war in einem langen Monolog im Rahmen eines Interviews herauszuhören, dass seine Amtszeit bei den Bayern im Sommer wohl zu Ende gehen würde.
Flick wird den Club also wie auch ÖFB-Star David Alaba verlassen, der seinen ablösefreien Abschied im Sommer schon länger angekündigt hat. "Enorme Schritte zusammen, letzte Schritte zusammen, kämpfen bis zum Schluss Trainer", postete Alaba in den sozialen Medien.
Seine Kicker-Kollegen äußersten sich in einer ersten Reaktion bewegt und verständnisvoll. "Das ist eine emotionale Geschichte gewesen für uns alle. Die Mannschaft muss das so aufnehmen und verarbeiten", sagte DFB-Teamtormann Manuel Neuer. "Er hat natürlich auch sehr viel Energie gelassen in den letzten eineinhalb Jahren. Trainer beim FC Bayern zu sein, da braucht man schon grundsätzlich ein dickes Fell", ergänzte Thomas Müller. Eine genaue Begründung für den Entschluss habe man nicht zu hören bekommen.
Öffentlicher Disput
Ein Grund liegt aber seit Wochen auf der Hand. Trainer Flick und Sportvorstand Hasan Salihamidzic können nicht miteinander. Sie stritten lange intern und zuletzt auch öffentlich, welche Spieler geholt werden und wer bei den Transfers ein wie großes Mitspracherecht hat. Auch nach dem Abpfiff am Samstag musste Salihamidzic seinem Trainer bis zur Ersatzbank des VfL Wolfsburg hinterhergehen, um ihm zu einem der wichtigsten Siege in dieser Saison zu gratulieren.
Salimidzic und der Rest des Bayern-Vorstandes müssen nun einen neuen Trainer suchen, nach dem man nach dem Triplegewinn 2020 bereits dachte, diese Schlüsselposition auf Jahre besetzt zu haben. Als Kandidat drängt sich vor allem Julian Nagelsmann auf, der RB Leipzig in den vergangenen zwei Jahren zum größten aktuellen Bayern-Konkurrenten geformt hat. Das größte Hindernis für die Münchner: Nagelsmanns Vertrag in Leipzig ist noch bis 2023 gültig.