Gerd Müller ist an Alzheimer erkrankt. Er lebt seit Jahren im Pflegeheim. Dort wird er professionell betreut. "Er ist immer ein Kämpfer gewesen, war immer tapfer, sein ganzes Leben lang. Das ist er auch jetzt. Der Gerd schläft seinem Ende entgegen", sagte Ehefrau Uschi Müller der "Bild"-Zeitung (Montag-Ausgabe).
Sie besuche ihren Mann täglich. Auch am Geburtstag werde sie versuchen, ihn "mit langsamen, deutlichen Worten zu unterhalten. Mit ihm Fernsehen schauen", sagte Uschi Müller. Der FC Bayern hatte die schwere Erkrankung wenige Wochen vor Müllers 70. Geburtstag publik gemacht, auch zum Schutz der Familie vor unzähligen Medienanfragen. Das Schicksal des von vielen nur "Bomber" genannten Müller hat über die Fußballszene hinaus viele Menschen in Deutschland berührt.
Als Fußballer war der nur 1,76 Meter große Stürmer der König des Strafraums. Kein deutscher Angreifer vor und nach ihm erreichte seine Klasse. Es müllerte in praktisch jedem Spiel. Der Strafraumstürmer erledigte seinen Job in den Stadien auf unnachahmliche Weise: Er traf aus der Drehung, im Fallen und im Sitzen, mit links oder rechts und mit dem Kopf. Müller traf in nur 62 Partien für Deutschland 68 Mal - eine phänomenale Quote von 1,1 Treffern pro Einsatz.
Das Tor für die Ewigkeit schoss er am Ende seiner viel zu früh beendeten DFB-Karriere. Im WM-Finale 1974 erzielte er im Münchner Olympiastadion das 2:1 gegen die Niederlande. Europameister wurde Müller bereits 1972, er ist außerdem der erfolgreichste Torschütze der deutschen Fußball-Bundesliga (365 Tore in 427 Partien). Von 1979 bis 1982 klang seine Karriere in den USA aus.
Der Sieg über seine Alkoholkrankheit Anfang der 1990er war aber der vermutlich wichtigste Sieg im Leben des gelernten Webers. "Nach vier Wochen bin ich aus der Kur gekommen. Es in so kurzer Zeit zu schaffen, das war schon eine Leistung", erzählte Müller im Herbst 2007 mit Stolz. Damals wirkte er als Co-Trainer der Bayern-Amateure an der Seite von Hermann Gerland. Weltmeister wie Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller und Toni Kroos, aber auch ÖFB-Star David Alaba profitierten von seinem Erfahrungsschatz.
Es war eine Aufgabe, die den bodenständigen Müller ausfüllte, glücklich und zufrieden stimmte. "Der Verein ist alles für mich", sagte er damals. Als Müller 1964 als 18-Jähriger vom schwäbischen Amateurligisten TSV 1861 Nördlingen zum FC Bayern wechselte, wurden seine Tore mit einem Grundgehalt von 160 Mark im Monat entlohnt. Heutzutage würde er mit Millionen Euro überschüttet. Doch ein Profileben in Zeiten von Twitter, Facebook, Instagram und täglichem Medienrummel wäre für Müller garantiert eher ein Gräuel als ein Glücksfall gewesen. Müller war ein Weltstar, aber keiner für Glamour und Rote Teppiche.
"Ich bin keiner, der gerne weg von zu Hause ist", sagte der ehemalige Torjäger, als es ihm noch besser ging. Auf Champions-League-Reisen des FC Bayern ließ er sich von seinem Herzensklub als Attraktion für Sponsoren und Edelfans einspannen. Das genügte ihm an Aufmerksamkeit. Für Vereinspatron Uli Hoeneß war "der Gerd" stets mehr als ein großartiger Fußballer. Er sei vor allem "ein feiner Mensch". Hoeneß, der in den großen Bayern-Zeiten in den 1970er-Jahren an der Seite Müllers stürmte, zählte zu denen, die auch in der größten Lebenskrise des sportlich so erfolgreichen Profis da waren.
Für Franz Beckenbauer ist Müller nicht weniger als der wichtigste Spieler in der Geschichte des FCB. "Was der FC Bayern heute darstellt, mit diesem Palast an der Säbener Straße - ohne Gerd Müller wären die Leute da immer noch in dieser Holzhütte von damals", lautet ein Satz, mit dem der kürzlich 75 Jahre alt gewordene Beckenbauer gerne Müllers Bedeutung beschreibt.