Nur noch ein Punkt trennt das österreichische Fußball-Nationalteam davon, sich am Samstag (20.45 Uhr) beim Heimspiel gegen Nordmazedonien im Wiener Ernst-Happel-Stadion vorzeitig das Ticket für die Europameisterschaft 2020 zu sichern. Durch die Bank herrschte im Kreise des ÖFB-Teams in dieser Woche Demut während des Lehrgangs in Bad Tatzmannsdorf. Trotz kühlem und nassem Wetter gehörte die gute Laune zum täglichen Repertoire.
Angesichts der Einsatzzeiten, die der Großteil des Kaders bei den jeweiligen Klubs genießt, kein Wunder. Sogar der in Leipzig lange nicht berücksichtigte Stefan Ilsanker bekam zuletzt zwei Startelfeinsätze und sieht wieder Licht am Ende des Tunnels. Dennoch gibt es ein Duo, das im rot-weiß-roten Kreis richtig aufblüht. Aleksandar Dragovic stand neben Valentino Lazaro und Marcel Sabitzer als einziger Spieler in jedem EM-Qualifikationsspiel in der Startelf. Nach Analyse aller acht Partien darf der Wiener durchaus als der Akteur mit den überzeugendsten Vorstellungen bezeichnet werden.
"Ich bin in alle Richtungen offen"
Bei aller angebrachten Euphorie gibt es auch Schattenseiten. In Leverkusen erfährt Dragovic nicht jene Wertschätzung, die er aber benötigt, um Bestleistungen abzurufen. Trotz positiver Kritiken und der Zusicherung, auf ihn bauen zu wollen, bestritt der 28-Jährige nur sechs von 17 Pflichtspielen von Beginn an. „Ich bin keiner, der auf der Bank sitzen will. Wenn es in Leverkusen nicht möglich ist, mehr Spiele zu machen, muss man eine Veränderung in Erwägung ziehen. Der derzeitige Zustand ist nicht zufriedenstellend“, sagt Dragovic, dessen Spielerberater Max Hagmayr sich bereits um Alternativen umschaut. „Ich bin in alle Richtungen offen. Meine Situation muss sich aber verbessern.“
Der Fokus ist nämlich bereits auf den kommenden Sommer gerichtet. „Ich will mit Österreich zur EM und die schwache Vorstellung von 2016 vergessen machen. Dafür muss ich regelmäßiger spielen“, sagt Dragovic, dem seine Erfahrung klarerweise hilft, die mangelnde Spielpraxis auszugleichen, wenngleich dies in Bezug auf den ÖFB-Konkurrenzkampf auf der Innenverteidiger-Position keine Dauerlösung darstellt.
"Hauptsache weg!"
Eine noch schwierigere Zeit erlebt Michael Gregoritsch in Augsburg. Der Grazer bestritt nur fünf Pflichtspiele in der Startelf. „Ich bin nach meinem guten Spiel gegen Slowenien im Oktober nach Augsburg zurückgekommen und habe in vier Partien fünf Minuten gespielt. Das ist nicht zufriedenstellend“, sagt der Stürmer, der seine Zukunft nicht beim Tabellen-15. der deutschen Bundesliga sieht. „Hauptsache weg! Natürlich bringe ich das eine Monat noch vernünftig zu Ende und will mich auch für einen neuen Klub empfehlen. Aber im Winter ist Schluss!“
Dabei wäre es beinahe im Sommer zu einem Transfer gekommen. Werder Bremen wollte Gregoritsch unbedingt und Gregoritsch wollte unbedingt zu Werder. Augsburg forderte jedoch Ablösesumme im zweistelligen Millionenbereich, womit der Wechsel platzte. „Mir wurde gesagt, dass ich eine tragende Rolle spiele. Nach drei nicht so guten Spielen zu Beginn habe ich in der Bundesliga nur noch eine Chance erhalten. Da haben wir 1:5 gegen Frankfurt verloren“, erklärt der 25-Jährige, der ein großes Ziel hat. „Natürlich ist die EM, für die wir uns hoffentlich schon am Samstag qualifizieren, der Hauptgrund. Ich muss regelmäßig spielen, um mich zu empfehlen.“ Mögliche Interessenten soll es geben, wie Gregoritsch betont: „Ich will, dass Trainer, Sportdirektor und der ganze Verein hinter mir stehen. Und als Ablöse kann man jetzt nicht wieder eine achtstellige Euro-Summe verlangen. Ich habe ein halbes Jahr nur wenig gespielt.“
"Die größte Dätschen"
Trotz einiger Zweifel („Man fragt sich schon, ob es gescheit ist, sich vernünftig zu verhalten und ein lieber Kerl zu sein oder es nicht besser wäre, sich schlecht zu verhalten, um den Verein verlassen zu können“) will sich Gregoritsch nicht hängen lassen. Die Familie, die Freundin und Freunde sorgen für Rückhalt. „Das ist die größte Dätschen bisher in meinem Leben. Ich weiß, dass ich nicht alles verlernt habe. Aber ich darf es nicht zeigen.“ Im Nationalteam ticken die Uhren (noch) anders.