Die höchsten Repräsentanten der Türkei verteidigen den Salut-Gruß der Spieler, die deutschen Verbände drohen mit Strafen - und Fußball-Deutschland ist in der Debatte um die Militär-Geste weiter tief gespalten. Vor den Spielen am Wochenende ist die Gefahr von Nachahmern in allen Ligen groß. Es geht um die Frage, wie viel Politik im Fußball möglich ist. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan begrüßte das Vorgehen seiner Nationalspieler, die mit dem Salutieren in der EM-Qualifikation die Offensive türkischer Streitkräfte in Nordsyrien unterstützt haben sollen. Das türkische Nationalteam habe eine "nationale Sichtweise", betonte Erdogan, und "diese nationale Sichtweise haben sie mit all den Zuschauern geteilt."

Griezmann blieb unbehelligt

Erdogan wies darauf hin, dass auch der französische Starspieler Antoine Griezmann vor Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron salutiert habe und unbehelligt durch die Europäische Fußball-Union (UEFA) geblieben war. "Haben sie Griezmann etwas getan", hinterfragte Erdogan.

Der türkische Botschafter in Deutschland, Ali Kemal Aydin, übte ebenfalls Kritik am strengen Umgang mit dem Militärgruß und forderte mehr Toleranz. "Es grenzt wirklich an Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Rassismus", sagte Aydin, der von einer "anti-türkischen Stimmung" in Deutschland sprach.

Einzelfälle

In Einzelfällen sorgten Nachahmer schon vor dem Wochenende für Wirbel. So präsentierten Jugendteams des bayerischen Klubs Türk FV Erlenbach mit dem Salutier-Jubel ihre neuen Trainingsanzüge. In Belgien taten es die Nachwuchskicker von Turkse FC Beringen mit dem erhobenen Arm auf einem Foto den türkischen Profis gleich. Wie ernst das jeweils genommen wurde, kann nur erahnt werden.

Die Verbände im deutschen Amateurfußball warnen indes vor Nachahmern am Wochenende und wollen hart durchgreifen. "Beleidigungen und Provokationen haben auf und neben dem Spielfeld keinen Platz und werden nicht toleriert", sagte Günter Distelrath, Präsident des Norddeutschen Fußball-Verbandes (NFV).

Der Bayerische Fußball-Verband (BFV) wies in einer Mitteilung "ausdrücklich" darauf hin, dass "jeder einzelne Fall zur Anzeige vor dem Sportgericht gebracht wird". Gemäß Paragraf 47 a der Rechts- und Verfahrensordnung müssten die Salut-Jubler "mit empfindlichen Strafen rechnen".

Schon am vergangenen Wochenende hatte es in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen vereinzelte Fälle von salutierenden Spielern gegeben. Drei Amateurvereine aus dem Kreis Recklinghausen müssen sich deswegen vor dem Sportgericht verantworten. "In einem Fall war es die ganze Mannschaft, ein anderes Mal fünf bis sechs Spieler", sagte der Kreis-Vorsitzende Hans-Otto Matthey. Er erwartet, dass von den Ermittlungen eine Signalwirkung ausgehe: "Ich stelle die Prognose, dass niemand die Frechheit besitzt, so etwas am Wochenende zu wiederholen."

Die Rechts- und Verhaltensordnungen der Landes- und Regionalverbände schreiben klar vor, dass politische Provokationen auf dem Platz untersagt sind und sanktioniert werden können. Die Türken selbst argumentierten jedoch oftmals, es habe sich bei den Nationalspielern lediglich um eine "schöne Geste" für die Soldaten und deren Familien gehandelt.

Präsident Ali Han vom Regionalligisten Berliner AK will seinen Spielern den Militärgruß am Samstag zum Punktspiel bei ZFC Meuselwitz (13.30 Uhr) nicht ausdrücklich verbieten. "Das ist Meinungsfreiheit. Jeder soll entscheiden, ob er es macht oder nicht", sagte Han. Sein Klub gilt wegen seiner vielen Spieler mit Migrationshintergrund als Multi-Kulti-Verein. Han will seine Spieler aber über mögliche Konsequenzen seitens des Landesverbandes aufklären.


Auch der Team-Arzt des Berliner AK, Ufuk Sentürk, bekam ungewollt Probleme. Der Oberarzt der Berliner Charite ist auch Mannschaftsarzt der türkischen Nationalmannschaft und hatte nach dem 1:0-Sieg der Türken gegen Albanien ebenfalls den Arm zum Militärgruß gehoben. "Das hatte für mich in diesem Moment nichts mit Befürwortung von militärischen Aktionen zu tun", sagte Sentürk der Bild.


SID ni fk wt


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