Als Mario Gomez und Co. am Tag nach dem Schock von Hamburg zum ersten Relegations-Training schlichen, bildeten sich vor den Kassenhäuschen an der Volkswagen-Arena schon lange Schlangen. Die letzte Chance des VfL Wolfsburg im Bundesliga-Überlebenskampf will keiner verpassen - zumal auch noch Lokalrivale Eintracht Braunschweig der Gegner ist. Trainer Andries Jonker wird sein Team zur Vorbereitung auf die brisanten Partien in einem Kurztrainingslager von Montag bis Mittwoch an der deutsch-niederländischen Grenze in De Lutte zusammenziehen.

"Wir kriegen das noch hin. Die Derbys sind besonders emotionale Spiele", sagte der Niederländer mit kämpferischer Miene nach der bitteren 1:2-Pleite beim Hamburger SV, dem womöglich drittletzten Schritt Richtung 2. Liga. Auch Gomez will keine Zweifel zulassen, dass sich die abgestürzten Wölfe in den Play-off-Duellen am Donnerstag und am darauffolgenden Montag (jeweils 20.30 Uhr/ARD und Sky) durchsetzen werden: "Wir sind die bessere Mannschaft. Bei aller Liebe, das müssen wir schaffen."

Ausgerechnet zum Jubiläum

Doch daran bestehen spätestens nach dem mentalen Einbruch an der Elbe große Zweifel. Von den Fans gab es am Sonntag aufmunternden Applaus - obwohl der Meister von 2009 und Pokalsieger von 2015 die direkte Rettung leichtfertig verspielt hatte. Wolfsburg droht ein Totalschaden. Ausgerechnet 20 Jahre nach dem Bundesliga-Aufstieg.

Vor allem in der Schlussphase, wenn es zählt, versagen die Wölfe in aller Regelmäßigkeit. "Wir können dann einfach nicht mehr zulegen, weil dann der Kopf dazukommt. Dann fällt uns das Fußballspielen nicht mehr so leicht", sagte Gomez am Samstag, während um ihn herum die rauschende Klassenerhalts-Party der Hamburger ihren Lauf nahm. Zwei Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit hatten die Niedersachsen mit ihrer Passivität dem kurz zuvor eingewechselten HSV-Stürmer Luca Waldschmidt den entscheidenden Treffer ermöglicht.

Trotz zweier Trainerwechsel, trotz der Entlassung von Sportchef Klaus Allofs und trotz Investitionen von fast 100 Millionen Euro steht der VfL am Abgrund. Statt Bayern München und Borussia Dortmund zu jagen, könnte die Zukunft Duelle mit Holstein Kiel und dem SV Sandhausen bringen.

Nur Gomez entsprach

Doch davon wollen die Verantwortlichen (noch) nichts wissen, sie beschwören die Chance in der "Strafrunde". "Wie der Gegner heißt, spielt keine Rolle. Wir müssen in den beiden Spielen erfolgreich sein - und das werden wir sein", sagte Sportchef Olaf Rebbe.

Auch Gomez, der mit 16 von 34 Wolfsburger Toren noch zu den wenigen Profis zählt, die ihren Job nach Maßgabe der Klub-Bosse erledigen, zeigt sich vor der Woche der Wahrheit zuversichtlich. "Wir sind nicht abgestiegen. Wir haben noch zwei Spiele gegen einen Zweitligisten", sagte Gomez trotzig nach einer Partie, in der Wolfsburg teilweise drückend überlegen war. Die zwischenzeitliche Führung durch Robin Knoche (23.) war verdient, auch nach dem Ausgleich von Filip Kostic ließen die Niedersachsen weiter ihr Potenzial aufblitzen.

Schon die gesamte Saison über prangt der Marketing-Slogan "The Extra Mile" auf dem grün-weißen Mannschaftsbus. Er soll ausdrücken, dass die Profis für ihren Klub die entscheidenden Schritte mehr machen als die Konkurrenz. Dies gilt es nun in den Duellen gegen hochmotivierte Braunschweiger zu beweisen, bei denen Riechedly Bazoer mit einer im Training erlittenen Knieverletzung definitiv ausfällt.