Das Kölsch ergoss sich literweise über Erfolgstrainer Peter Stöger, auf dem Rasen feierten Zehntausende das so lang ersehnte Europa-Comeback, Edelfan Lukas Podolski jubelte auf der Tribüne - und auch in den Katakomben des Kölner Stadions brachen alle Dämme. "Wo ist die Schale?!", grölten die Spieler des 1. FC Köln, und damit brachten sie es auf den Punkt.
Der fünfte Platz zum Saisonabschluss fühlt sich für diesen gebeutelten Traditionsverein an wie eine Meisterschaft - nach 25 Jahren spielt der FC erstmals wieder im Europacup.
"Europa League, das ist ein unbeschreibliches Gefühl", sagte Leonardo Bittencourt nach dem entscheidenden 2:0 (1:0) gegen den FSV Mainz 05: "Heute gibt es keine Grenzen, Köln wird brennen." Und in der Tat mussten am Abend im Stadtzentrum ganze Straßenzüge gesperrt werden, um Platz zu schaffen für die Feierwütigen - es wirkte wie Karneval im Mai, die Party dauerte bis in die Morgenstunden.
Im September 1992 hatte der Verein bei Celtic Glasgow letztmals im UEFA-Pokal gespielt, seither entwickelte sich der FC zunächst zu einer grauen Maus der Bundesliga, dann zum Fahrstuhl- und Chaosklub - erst seit vier Jahren geht es unter Trainer Stöger und Sportchef Jörg Schmadtke wieder stetig bergauf. Die junge Mannschaft, in der zahlreiche Kölner und Rheinländer spielen, hat für den Klub Historisches geschafft - und ist sich dessen bewusst.
"Die meisten von uns waren noch gar nicht geboren, als der Verein das letzte Mal international dabei war", sagte Torwart Timo Horn und schoss in der Euphorie ein wenig über das Ziel hinaus. "Europapokal", sagte er, "das kennen wir in Köln ja nur aus Erzählungen unserer Großväter".
In Ermangelung echter Triumphe hatte man rund um den Dom in den vergangenen Jahren schon die Aufstiege stets wild gefeiert. Was sich am Samstag abspielte, ist aber beinahe ohne Vergleich. Die Emotionen entluden sich schubweise, lange nach Spielende wurde die Mannschaft auf einem improvisierten Balkon im Stadion gefeiert - und die Profis um Toptorjäger Anthony Modeste sorgten dafür, dass kaum jemand ohne Bierdusche davonkam. Auch zahlreiche Vereinsangestellte und Journalisten verließen das Stadion kölschverklebt.
Grund für die Euphorie war wohl auch ein gewaltiger Schuss Erleichterung. Denn bis wenige Minuten vor Schluss war gar nicht sicher gewesen, wo die Mannschaft diese enge Bundesliga-Saison abschließen würde. Nach dem Führungstreffer von Nationalspieler Jonas Hector (43.) brachte erst das späte Tor durch Yuya Osako (87.) Gewissheit über den entscheidenden Sieg. "Hätten wir Unentschieden gespielt, wären wir durchgereicht worden, und es wäre gefühlt eine Scheißsaison gewesen. Für die Jungs war das richtig schwierig", sagte Stöger.
Dass es am Ende gar zu Rang fünf reichte, "ist unfassbar", sagte Mittelfeldspieler Konstantin Rausch - und die Kölner haben es ausgerechnet dem Erzrivalen Bayer Leverkusen zu verdanken. Für die Werkself ging es um nichts mehr, dennoch gewann sie bei Kölns direktem Konkurrenten Hertha BSC mit 6:2.
Das Wie interessierte beim Schlusspfiff in Müngersdorf allerdings ohnehin niemanden mehr. Die Fans stürmten in Scharen den Rasen, um ihre Helden auf Händen zu tragen. "Da draußen rennen Menschen auf dich zu und bedanken sich", sagte Bittencourt sichtlich gerührt: "Und wenn du denen in die Augen schaust, siehst du: Das ist ihr Leben. Da geht einem einfach das Herz auf."