Aufsteiger der Saison: RB Leipzig
Direkte Qualifikation für die Champions League, Vizemeisterschaft und ein heißes Duell mit Bayern München: Die Premierensaison in der Fußball-Bundesliga hätte für RB Leipzig kaum besser laufen können. Sportlich brachte der Aufsteiger, der zwischenzeitlich sogar die Tabellenführung übernahm, frischen Wind ins Oberhaus und ärgerte die etablierten Klubs gewaltig. So wie zuletzt beim packenden 4:5 gegen Meister FC Bayern.
Ralph Hasenhüttl bot mit seinem Team attraktiven Offensiv-Fußball, die junge Mannschaft der Sachsen überrannte viele Gegner förmlich und erspielte sich so viele Sympathien. Das Etikett des Plastikklubs, der von einem österreichischen Getränke-Imperium finanziert wird, haftet RB aber weiter an. Vor allem Traditionalisten bleiben wenig begeistert. Anfeindungen wie in Dortmund - als negativer Höhepunkt der Saison - mussten verkraftet werden.
Sportdirektor Ralf Rangnick und der Verein wollen sich jedoch nicht von ihrem Weg abbringen lassen. Der Rekordaufsteiger startet in der kommenden Saison in der Königsklasse durch, ein weiterer Meilenstein der kurzen Klubgeschichte (Gründung: 2009) ist erreicht.
Single der Saison: Bayern München
Drei? Zwei? Eins! Der April hatte bei Bayern München etwas von einer Internet-Auktion, bei der der deutsche Fußball-Rekordmeister zwei Nieten zog. Das Triple soll es ja bitteschön jedes Jahr sein beim FC Ruhmreich, auch wenn dieser selbst immer wieder die Einzigartigkeit des Dreifachtriumphs von 2013 betont.
Wenn der dreifache Angriff auf Titel und Trophäen scheitert, ist das Gejammer und Gemaule stets nicht zu überhören. Aus im Viertelfinale der Champions League gegen Real Madrid? "Wir sind beschissen worden, im wahrsten Sinne des Wortes", schimpfte Karl-Heinz Rummenigge. Halbfinal-Aus im Pokal gegen Dortmund? "Das tut weh", klagte der Vorstandschef.
Immerhin: Die 27. Meisterschaft gelang sehr souverän, garniert mit einem eindrucksvollen Statement am Ende gegen den neuen Rivalen RB Leipzig. Aber: "Ein Titel ist auf Dauer ein bisschen wenig für uns", betonte Präsident Uli Hoeneß. Neue Stars sollen, ja müssen her. Wer ist schon gerne single?
Flop der Saison: Roger Schmidt
Am 4. März kam Bayer Leverkusen bei Borussia Dortmund 2:6 unter die Räder. Anschließend sagte Bayer-Trainer Roger Schmidt nach der dritten Pflichtspiel-Niederlage der Werkself in Folge, dass sein Team "auf dem richtigen Weg" sei.
Das war dann auch für die Bayer-Chefetage des Guten zu viel, die trotz diverser Ausraster von Schmidt gegen Schiedsrichter und Trainerkollegen immer wieder ihre schützende Hand über den selbstverliebten Coach gehalten hatte.
Selbst das peinliche Pokalaus in der zweiten Runde gegen Drittligist Sportfreunde Lotte hatte keine Konsequenzen für Schmidt. Auch wenn Bayer unter Schmidt regelmäßig in den Europacup einziehen konnte und er den ein oder anderen jungen Profi zum Nationalspieler machte, konnte die Ehe auf Dauer nicht gutgehen. Die Trennung von Schmidt war unvermeidlich, dass Bayer am Ende sogar noch in Abstiegsgefahr geriet, war nur bedingt seinem Nachfolger Tayfun Korkut anzulasten.
Torjäger der Saison: Pierre-Emerick Aubameyang
Pierre-Emerick Aubameyang ist ein Mann der Extravaganzen. Mal leistete er sich einen unerlaubten Kurztrip nach Mailand, dann ließ er sich das Nike-Logo schrill ins Haar rasieren, sein Tor im Derby bei Schalke 04 nutzte er zu einer Werbe-Aktion mit Wrestling-Maske.
Borussia Dortmund lässt Aubameyang an der langen Leine. Denn der Stürmer aus Gabun zahlt in seiner Währung kräftig auf das Konto ein: Tore, Tore, Tore. 31 waren es am Saisonende - das reichte für die Torjägerkanone, die erst drei BVB-Profis gewonnen hatten: Lothar Emmerich (1965/66), Marcio Amoroso (2001/02) und Robert Lewandowski (2013/14).
Unklar ist, wo Aubameyang demnächst seine Tore schießen wird. Großes Interesse besteht in China, auch Paris St. Germain soll es auf den pfeilschnellen Mann abgesehen haben. Der Traum von Real Madrid wird dagegen wohl nicht wahr werden: Dafür, so erstaunlich es klingt, vergibt der beste Bundesliga-Torjäger zu viele Torchancen.
Aufholjagd der Saison: Werder Bremen
Im Februar mitten im Abstiegskampf, am Saisonende nur knapp an der Europa League vorbei: Auch ohne das erst beim Saisonfinale verpasste Comeback auf internationaler Bühne kann Werder Bremen nach seiner spektakulären Aufholjagd in der Rückrunde zufrieden sein und zuversichtlich nach vorne schauen.
Trainer Alexander Nouri, sein Team und auch die Werder-Führung behielten im Winter zunächst die Nerven, als die Ablösung des Nachfolgers von Viktor Skripnik nur noch eine Frage der Zeit zu sein schien. Besonnen lenkte Nouri die Hanseaten aus dem Keller, und durch eine Serie von elf Spielen ohne Niederlage avancierte Bremen sogar zu einem ernsthaften Kandidaten für die Teilnahme am internationalen Geschäft. Der Lohn für Nouri war schon vor der Entscheidung über den Europa-League-Platz am letzten Spieltag ein neuer Vertrag.
Aufreger der Saison: Timo Werner
Langweilig wurde es mit Timo Werner in dieser Spielzeit nicht. In der Premierensaison des 21-Jährigen bei Aufsteiger RB Leipzig traf der ehemalige Stuttgarter fast nach Belieben: Mit 21 Toren war er der treffsicherste Deutsche in der Bundesliga.
Kein Wunder also, dass auch Joachim Löw auf ihn aufmerksam wurde. Im Länderspiel gegen England avancierte Werner zum ersten A-Nationalspieler des Aufsteigers, am vergangenen Mittwoch nominierte ihn der Bundestrainer auch für den Confed Cup.
Es hätte also eine durch und durch gelungene Saison für den Jungstar sein können. Wenn, ja wenn nur diese ominöse erste Minute im Spiel gegen Schalke 04 nicht gewesen wäre: Werner fabrizierte eine dreiste Schwalbe, schoss den Elfmeter selbst zum 1:0 ein - und wurde daraufhin zum Buhmann.
Bei fast jedem Spiel wurde er ausgepfiffen, selbst bei der Darts-WM wurden Schmähgesänge auf ihn angestimmt. Zumindest auf dem Spielfeld blieb Werner gelassen - und traf und traf weiter. Außerhalb zeigte er sich reumütig. "Ich würde es wirklich gern rückgängig machen", betonte er: "Weil es nicht richtig war."
Graue Maus der Saison: Schalke 04
Mit Wunsch-Manager Christian Heidel und Wunsch-Trainer Markus Weinzierl sollte bei Schalke 04 alles anders werden. Wurde es auch, aber gar nicht so, wie es sich die neue sportliche Leitung vorgestellt hatte.
Mit fünf Pleiten in Folge legten die Königsblauen den schlechtesten Start ihrer Bundesliga-Historie hin - und doch blieb es ruhig beim traditionell aufgeregten Ruhrpott-Klub. Zehn Siege in den nächsten zwölf Pflichtspielen ohne Niederlage entschädigten für den Horrorstart.
Doch noch vor der Winterpause endete Schalkes Aufholjagd. In der Rückrunde hatten die Königsblauen mehrmals die Chance, ihr Europa-Abo um ein achtes Jahr zu verlängern. Doch immer, wenn die Konkurrenz patzte, versagten auch die Schalker.
Am Ende verpassten die "Königsgrauen" erstmals seit 2009 den Europapokal - trotz einer der teuersten Mannschaften der Liga. Die Kritik an der neuen Führung ist längst entbrannt. Dabei steht Trainer Weinzierl, dessen Handschrift nie über einen längeren Zeitraum zu erkennen war, ebenso im Fokus wie Manager Heidel. Dessen Einkäufe für rund 70 Millionen Euro haben das Team bislang nicht besser gemacht - im Gegenteil.
Abschied der Saison: Philipp Lahm
Zum achten Mal stemmte er die Meisterschale in die Höhe - und es war das letzte Mal: Philipp Lahm beendete am Samstag nach 652 Pflichtspielen in 15 Jahren als Profi bei Bayern München und dem VfB Stuttgart seine beeindruckende Laufbahn.
1989 begann er bei der kleinen FT Gern in München das Fußballspielen - 1995 wechselte er als Elfjähriger zum FC Bayern und legte dort über den Umweg Stuttgart eine Weltkarriere hin. Bis auf den EM-Titel gewann der 33-Jährige alles. Der Höhepunkt waren der WM-Triumph 2014 und das Triple mit den Bayern 2013 - und das jeweils als Kapitän.
Das Amt des Sportdirektors bei den Münchnern nach seinem Karriereende lehnte er ab. Was die Zukunft bringt, weiß Lahm noch nicht so recht. "Erst einmal Urlaub, dann ist alles möglich", sagte er. Verstärkt will er sich um seine Stiftung kümmern und um die Unternehmen, an denen er schon beteiligt ist, und natürlich um seine Familie. Lahm wird bald zum zweiten Mal Vater.
Comeback der Saison: Marco Russ
Nach dem Schlusspfiff lief Marco Russ mit Töchterchen Vida auf dem Arm in Richtung Fankurve und ließ sich feiern, Ehefrau Janina stand mit Tränen in den Augen an der Seitenlinie. Das Comeback des Mittelfeldspielers vom Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt am 28. Februar im DFB-Pokal gehörte zu den emotionalsten Momenten der Saison.
"Ich kann das kaum beschreiben", sagte Russ, der nach seiner Krebserkrankung und knapp zehnmonatiger Leidenszeit endlich wieder spielen konnte: "Es war eine harte Zeit. Ich habe es einfach nur genossen." Zweimal hatte sich der Fußballprofi einer Chemotherapie unterziehen müssen.
"Meine Geschichte zeigt, dass man solche Krankheiten überstehen kann", sagte der 31-Jährige, der Mitte März dann sein Startelf-Comeback in der Bundesliga feierte: "Ich sehe mich schon als Vorbild und genieße jeden Einsatz." Ein Highlight wartet zudem noch auf Russ: Am 27. Mai, elf Jahre nach seiner letzten Finalteilnahme, spielt er mit der Eintracht gegen Borussia Dortmund um den DFB-Pokal.
Überraschung der Saison: 1899 Hoffenheim
Als Julian Nagelsmann den Fußball-Bundesligisten 1899 Hoffenheim im Februar 2016 übernahm, waren die Kraichgauer Tabellenvorletzter. Nicht einmal anderthalb Jahre später hat der Trainer-Jungspund, der immer noch erst 29 Jahre alt ist, den Klub in Richtung Königsklasse geführt - und auf dem Weg dahin Rekorde gebrochen.
Erstmals in der (noch recht jungen) Vereinshistorie blieb die TSG im eigenen Stadion unbesiegt, die erste Saisonniederlage kassierte Hoffenheim erst in der Rückrunde (1:2 bei RB Leipzig am 28. Januar). Der bisherige Punkte-Rekord (55 Zähler aus der Saison 2008/09) ist ebenfalls Geschichte, und im 18. Anlauf gelang endlich ein Sieg gegen Rekordmeister Bayern München (1:0 am 4. April).
"Wir haben Mut bewiesen, einem so jungen Kerl das Vertrauen zu schenken", sagte Mehrheitseigner Dietmar Hopp dem Klub-Magazin: "Jetzt wird dieser Mut belohnt. Natürlich liegt die gute Saison auch am Trainer."
In der kommenden Saison wird Nagelsmann, der vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) als Trainer des Jahres ausgezeichnet wurde, sein Können aber wieder beweisen müssen. In Sebastian Rudy und Niklas Süle wechseln zwei Leistungsträger nach München, zudem kommt durch die Europacup-Qualifikation erstmals die Dreifachbelastung.
Rückkehrer der Saison: Uli Hoeneß
Er ist zurück - und wie! Dass Uli Hoeneß in seiner Haftzeit demütiger geworden ist, wie er selbst zunächst behauptet hatte, hat sich in dem halben Jahr seit seiner Wieder-Inthronisierung als Präsident von Bayern München nicht bestätigt. Er äußert sich kontrovers wie zu besten Manager-Zeiten, hat noch immer Visionen zur Zukunft des Fußballs und sprudelt vor Ideen, wenn es um seine Bayern geht.
Mitunter stößt er allerdings selbst ihm zugeneigte Menschen vor den Kopf. Sein jüngster Auftritt in Liechtenstein, wo er sich zum Opfer von Justiz und Medien inszenierte, war mindestens unglücklich.
Wie stark Hoeneß wieder ist, zeigte die Personalie Philipp Lahm. Hoeneß sei noch "voller Tatendrang", sagte der scheidende Kapitän, für einen Sportdirektor Lahm sei daneben kein Platz.
Die USA, sagte Hoeneß zuletzt, leisteten sich einen 70-jährigen Präsidenten - und er selbst sei ja erst 65, gefühlt wegen seiner haftbedingten Auszeit sogar jünger. Er hat noch lange nicht genug.