Thomas Tuchel stand im schwarzen Sakko vor einer Taktiktafel und war ganz in seinem Element. Bei seinem Vortrag vor dem niederländischen Fußball-Verband KNVB sprach der Trainer von Borussia Dortmund am Dienstagabend über die PSV- und die Ajax-Schule, eifrig verschob er beim Kongress in Zeist seine farbigen Magneten im Deckungsschatten. Was er so über den niederländischen Fußball erzählte, ließ sich teilweise auch auf seine Situation beziehen.
"Man muss immer bei seiner Identität bleiben", gab er beispielsweise als Ratschlag, man dürfe sich nicht verbiegen lassen. Nach der "Keynote" wurde Tuchel intensiv von der Torhüterlegende Hans van Breukelen einvernommen, was den Zoff beim BVB angeht. Ergebnis: Deeskalation und eine Art Friedensangebot in den Spannungen mit Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.
"Gerüchte", er werde ab dem Sommer nicht mehr BVB-Trainer sein, seien "wegen eines Interviews aufgekommen, das Herr Watzke am Samstag gegeben hat, einem wichtigen Tag", sagte Tuchel, ganz zurückhaltend betonte er: "Das ist sein Recht, er ist der Chef." Das klang schon anders als seine bissigen Aussagen von Samstag ("Ich verbiete mir, darüber nachzudenken").
Van Breukelen, Technischer Direktor des KNVB, bohrte im Gespräch für den niederländischen Ableger von Fox Sports nach. "Ist Ihre Karriere in Dortmund beendet?" - "Ich werde in Augsburg Cheftrainer sein", antwortete der Trainer, "so viel ist sicher." Viel mehr aber auch nicht.
Am Samstag ist der BVB beim Abstiegskandidaten zu Gast, am 20. Mai ist Werder Bremen dann der letzte Gegner dieser Bundesliga-Saison. Es geht darum, den dritten Tabellenplatz zu sichern. Es folgt das DFB-Pokal-Endspiel im Berliner Olympiastadion gegen Eintracht Frankfurt.
Für diese Spiele alle Konzentration aufzuwenden, ist Tuchels Taktik für die kommenden Wochen. Mit der von Watzke immer wieder eingeforderten direkten Qualifikation für die Champions League und dem Pokalsieg wäre ihm sportlich nichts vorzuwerfen. Er hat immer noch kein Liga-Heimspiel als BVB-Trainer verloren, er hat den Umbruch vollbracht, er hat die Mannschaft sogar nach dem Sprengstoff-Anschlag auf Kurs gehalten.
Interne Isolation
Intern aber wirkt Tuchel isoliert. Präsident Reinhard Rauball hat sich in der eskalierten Diskussion über die schnelle Neuansetzung des abgesagten Champions-League-Spiels gegen den AS Monaco klar positioniert: Er steht fest an Watzkes Seite ("Ich habe alles mitgetragen").
Tuchel wird das Feuer zumindest vorerst nicht weiter anfachen. Mit einem Gegenschlag des Trainers ist nicht zu rechnen, wie auch sein Berater Olaf Meinking bei Sport1 sagte: "Unser Ziel ist es, dass Thomas beim BVB bleibt und sich alles wieder beruhigt." Der "klare Dissens", den Watzke einräumte, solle nun ausgeräumt werden.
Dafür könnte es allerdings zu spät sein. Selbst, wenn die Enden des zerrissenen Tischtuchs genäht würden, wäre der nächste Riss programmiert: zu stark zerren beide Seiten in entgegengesetzte Richtungen.
Am Dienstagabend in Zeist konnte Tuchel einmal durchatmen. Er wirkte gelöst und bestens gelaunt. Ob diese Ruhe lange anhält, bleibt fraglich.