Martin Stranzl hat nie den einfachen Weg gesucht. Aufgewachsen ist er in der 300-Leute-Gemeinde Urbersdorf, gekickt hat er bis zu seinem 16. Lebensjahr beim SV Güssing. Das war ihm viel zu wenig, auch Österreich war ihm als Fußballland zu klein. "Ich gehe ins Ausland", eröffnete er als 16-Jähriger seinen Eltern. "Und zwar nach München zu 1860." Also sind die Stranzl-Eltern mit Sohn nach München gefahren und haben dort mit dem damaligen Präsidenten Karlheinz Wildmoser alles klar gemacht.
Österreich war Stranzl zu wenig. In seine Heimat sollte er aus beruflichen Gründen nie mehr zurückkehren. Nach fünf Jahren in München wechselte er 2004 zum VfB Stuttgart und zwei Jahre später um die damalige österreichische Rekordsumme von 4,5 Millionen Euro zu Spartak Moskau. Denkbar knapp versäumte es der Innenverteidiger, in seiner vierjährigen Russland-Exkursion sein Trophäenregal zu schmücken: Drei Mal wurde er Vizemeister, einmal stand er im Cupfinale.
Mit der Fußballkost, die sein kleines Heimatland bot, konnte er stets wenig anfangen. "Ich kenne ihn nicht", sagte Stranzl, als Martin Hinteregger im Sommer 2016 sein neuer Teamkollege bei Borussia Mönchengladbach wurde. Er verfolge die Österreichische Liga nicht, sagte er.
Seine Nationalteam-Karriere beendete er nach 56 Einsätzen und drei Toren in rot-weiß-rot schon 2009. Mit den Worten "Ich habe Martin Löwenherz entdeckt", jubelte Otto Baric im Jahr 2000, als er den 19-jährigen Stranzl zum ersten Mal für Österreich auflaufen ließ. Neun Jahre danach waren Meinungsunterschiede mit National-Coach Dietmar Constantini der Grund für seinen Abgang. Später konnte auch Marcel Koller ihn nicht mehr überzeugen, wieder für Österreich aufzulaufen.
Als bester Zweikämpfer in die Topelf gewählt
In Mönchengladbach entwickelte sich Stranzl zu einem Abwehrbollwerk. Unangefochten in der Innenverteidigung, jahrelange unbestrittener Kapitän, unbekümmert im Defensivverhalten. In der Saison 2014/15 gewann er 74,7 Prozent seiner Zweikämpfe, war in dieser Kategorie stärkster Bundesligaspieler und wurde von den Fans in die Top-Elf der Liga gewählt - neben Namen wie David Alaba, Robert Lewandowski & Co.
Doch das Fußballer-Schicksal, sollte es eines geben, meinte es nicht gut mit ihm. Stranzl blieb nichts erspart: Schleimbeutel- und Sehenentzündungen, Bänderverletzungen im Knie, Muskelprobleme. Verletzungen nahmen ihn ordentlich mit. "Sogar meine Oma, die mich im Fernsehen gesehen hat, hat angerufen und gefragt: 'Alles Okay?'", sagte er 2015, nachdem er wegen einer Viruserkrankung ordentlich an Gewicht eingebüßt hatte.
"Für solche Momente lebt man als Fußballer"
Seine langwierigste Verletzung durchlebte er erst vor weniger als einem halben Jahr. Ein unschön anzusehender Augenhöhlenbruch setzte ihn für 111 Tage außer Gefecht. Und als er sein Comeback feierte, jubelte das Gladbacher Publikum frenetisch. "Unglaublich, ein Gänsehautmoment. Für solche Momente lebt man als Fußballer", sollte Stranzl danach sagen. Doch kurz darauf schlug der Verletzungsteufel aber wieder zu: Muskelverletzung.
Und die Gedanken und innerlichen Rufe nach dem Karriereende wurden immer lauter. Stranzls Arbeitspapier in Mönchengladbach läuft Ende Juni 2016 aus. Pünktlich zu diesem Zeitpunkt wird der 35-Jährige seine Karriere beenden. Wohl auch, weil es der Verletzungsteufel nie gut mit ihm meinte.
DAVID BAUMGARTNER