Hoffenheim also. Ganz ohne Google Maps: Gewusst, wo das ist? 120 Kilometer südlich von Frankfurt, 130 Kilometer nördlich von Stuttgart, in unmittelbarer Nachbarschaft von idyllischen Ortschaften wie Zuzenhausen, Waibstadt, Eschelbach und Meckesheim liegt Hoffenheim in der Hügellandschaft des Kraichgaus. Eine Dorf-Kulisse.
Es ist aber auch egal, wenn man als Fußballfan nicht hierher findet – denn die Heimstätte des TSG 1899 Hoffenheim, die PreZero Arena, liegt ohnehin im zehn Kilometer entfernten Sinsheim. Eine Notlösung, denn eigentlich wollte Dietmar Hopp, milliardenschwerer SAP-Mitgründer und Hoffenheim-Mäzen, 2005 aus drei bestehenden Vereinen der Region einen „FC Heidelberg“ formen und dort ein bundesligataugliches Stadion errichten. Die beiden anderen Vereine hatten aber kein Interesse und ein ansässiger Lebensmittelindustriebetrieb am ausgesuchten Standort Ausbauambitionen. So verlegte Hopp seine Pläne und Millionen nach Hoffenheim.
Dort entstand mitten in einem glanzlosen Gewerbegebiet eine Stadion-Schmuckkiste. 2009 eröffnet, bietet sie 30.150 Zuschauern Platz. Allein die Stehplatztribüne könnte mit 6750 Plätzen ganz Hartberg aufnehmen. Auch sonst wird sich Christian Ilzer – wenn er die unmittelbare Umgebung seiner neuen Wirkungsstätte erkundet – an seine Zeit als Trainer in der Oststeiermark erinnert fühlen: Ein Fastfood-Restaurant, ein Autohaus, ein Baumarkt, ein Freibad in der Nähe zum Stadion. Großstadtflair geht anders.
Auf der Fußballlandkarte ist Hoffenheim-Sinsheim aber nach dem Aufstieg von der Kreis- über die Regional- in die zweite (2007) und schließlich erste Bundesliga (2008) mittlerweile eine große Adresse. Ilzer wird damit nicht nur Nachfolger von Pellegrino Matarazzo, sondern einer Vielzahl von Szenegrößen: Ralf Rangnick, Julian Nagelsmann, Huub Stevens, Sebastian Hoeneß und Hansi Flick waren hier schon Übungsleiter.
Rangnick trainierte Hoffenheim zwischen 2006 und 2011 und schaffte mit dem Klub den Durchmarsch aus der damaligen Regionalliga Süd in die Bundesliga. Rangnick ging, Nagelsmann kam – allerdings zunächst nur als Trainer im Jugendbereich. Fünf Saisonen später wurde er mit nur 28 Jahren als Nachfolger für den aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Huub Stevens zum Cheftrainer der Bundesligamannschaft gekürt. Nagelsmann rettete den Verein vor dem Abstieg und führte ihn vom vorletzten Tabellenplatz in den darauffolgenden Saisonen bis in die Champions League, bevor er 2019 zu RB Leipzig wechselt. Nagelsmanns Hoffenheim-Engagement kreuzte sich damit mit dem seines späteren Vorgängers als DFB-Teamchef: Hansi Flick kehrte – nachdem er schon zur Jahrtausendwende kurz Trainer war – in der Saison 2017/18 als Geschäftsführer Sport zum TSG Hoffenheim zurück (und ist damit einer der Vorgänger von Andreas Schicker). Flicks auf fünf Jahre ausgelegter Vertrag wurde aber schon nach acht Monaten wieder aufgelöst. Auch am Spielersektor herrscht teilweise ein Wechseltempo, bei dem selbst das im stadionnahen Technikmuseum von Sinsheim ausgestellte Überschallflugzeug Concorde langsam wirkt.
Bei Klub-Giganten mit Vorliebe für ein gut geöltes Trainer- und Spielerkarussell wie Bayern München, Barcelona oder Manchester United mag eine derartige Ahnengalerie nicht überraschen – aber Hoffenheim?
Das liegt vor allem auch an Dietmar Hopp. Der 84-jährige Multimilliardär unterstützt seinen Jugendverein großzügigst, hat dem Verein eines der besten Nachwuchsleistungszentren des Landes hingebaut und gilt auch nach Rückgabe seiner Stimmanteile noch immer als treibende Kraft hinter diversen Personalentscheidungen. Nicht immer zur Freude der Fans. „Hopp verpiss dich!“ richteten sie dem Unternehmer via Spruchband Ende des Sommers aus. Dass die Anhänger der Turn- und Sportgemeinschaft (TSG) mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg halten, musste auch der neue Sportdirektor schon miterleben: „Schicker bleib fort!“ richteten sie Andreas Schicker noch vor seinem Engagement aus. Er kam trotzdem. Und brachte jetzt seine Freunde aus Graz mit. Eine Art Familiennachzug. Denn mit Ilzer werden auch drei Bestandteile seines Betreuerstabs Google Maps aktivieren und Hoffenheim eintippen.
Klaus Höfler