Der Vergleich macht sicher und ist fast schon ein bisschen unfair. Eine sportliche Gegenüberstellung der Teilnehmer am Champions-League-Finale führt nicht zu einer Tendenz, sondern zu einem Ergebnis. Manchester City ist Inter Mailand in allen Belangen mindestens einen Schritt voraus. Der einzige Aspekt, der für die Italiener spricht: Ein Fußballmatch war noch selten vor dem Anpfiff entschieden. Viel mehr ist für die "Nerazzurri" auch bei größter Vor- und Nachsicht nicht drin.
Die Auslosung
Das Los meinte es gut mit Inter. Die Mailänder waren in der Gruppe gegen den FC Bayern chancenlos, ließen aber immerhin den FC Barcelona hinter sich. In der K.o.-Phase schwindelten sich die "Nerazzurri" gewissermaßen ins Finale. Mit den portugiesischen Spitzenklubs Porto und Benfica sowie dem Stadtrivalen Milan blieb Inter die gesamte Top-Kategorie erspart, alle Konkurrenten liegen in der Klubrangliste hinter den an elfter Stelle positionierten Mailändern. ManCity ist die Nummer eins, aber sie mussten unter anderem den FC Bayern und schließlich Real Madrid aus dem Weg räumen.
Die Trainer
Pep Guardiola hat schon alles gewonnen, auch die Champions League. Was dem Katalanen einst mit dem FC Barcelona gelang, soll sich nun mit Manchester City wiederholen. Er ist unbestritten einer der besten Trainer der Welt, doch einige Unzulänglichkeiten, vor allem auf taktischer Ebene, standen in den vergangenen Jahren dem großen Triumph im Weg. Spätestens mit dem eindrucksvollen Halbfinalerfolg über Real Madrid dürfte Guardiola auch die mentale Komponente in seiner Gewalt gebracht haben.
Simone Inzaghi muss sich hinten anstellen, in jeder Hinsicht. Vor zwei Jahren hat der jetzt 47-jährige Italiener als Nachfolge von Meistertrainer Antonio Conte bei Inter ein schweres Erbe angetreten, mit den Plätzen zwei und drei kam das Team nicht ganz an die Vorgängerbilanz heran, doch der Finaleinzug in der Königsklasse kann sich sehen lassen. Allerdings ist Inzaghi nicht unumstritten und stand schon wiederholt an der Kippe zum Rauswurf. Ein uneingeschränktes Bekenntnis zum Verbleib gab es bisher seitens der Vereinsführung nicht.
Die Abwehr
In sämtlichen Formationen ist Manchester City dem Konkurrenten Inter vorzuziehen, eine qualitative Bestandsaufnahme vermittelt einen Klassenunterschied. Das Abwehrverhalten geriet in der Vergangenheit des Öfteren ins Visier der Kritiker des Spiels von Manchester City, doch in dieser Saison kam es zu einer wirkungsvollen Umstellung. Das Team bot den Kontrahenten auch in dieser Hinsicht kaum noch Angriffsflächen. 33 Gegentreffer gab es in der Premier League, kein Mitbewerber kassierte weniger. In den zwölf Partien der Champions League waren lediglich fünf Gegentore zu verzeichnen, bei 31 erzielten Treffern. Inters Bilanz: 19:10.
Der Angriff
Im Angriff stellt Erling Haaland die alles überstrahlende Figur dar. Mit 36 Toren sorgte der unwiderstehliche Stürmer für einen neuen Premier-League-Rekord. In den letzten Wochen geriet sein Lauf zwar ein wenig ins Stocken, doch die Konzentration der Gegner auf den Goalgetter gab Haalands Mitspielern ausreichend Gelegenheit, als Torschützen in Erscheinung zu treten. Das gilt besonders für İlkay Gündoğan.
Inters Offensive ist jedoch ebenfalls nicht zu verachten. Weltmeister Lautaro Martinez hat sich in den vergangenen Monaten in konstanter Bestform präsentiert, der 37-jährige Edin Džeko ist immer noch für überraschende Momente gut und der lange verletzt gewesene Romelu Lukaku kann ebenfalls bedeutende Impulse setzen. Möglicherweise kommt der belgische Stürmerstar diesmal in der Startaufstellung zum Zug.
Der Spielmacher
Eine überragende Rolle im Team von Pep Guardiola nimmt freilich Lukakus Landsmann Kevin de Bruyne ein, er ist der personifizierte Spielmacher mit ebenso überragenden Laufwegen wie überraschenden Einfällen. Inter hat auf dieser Ebene keinen gleichwertigen Spieler anzubieten, doch mit Nicolo Barella sowie Hakan Calhanoglu im Mittelfeld trotzdem beachtliche Qualität.
Noch ein Detail zum Schluss: Als Inter 2010 die Champions League gewann, kam ein einziger Italiener zum Einsatz. Marco Materazzi, 2006 Zinedine Zidanes Widersacher, spielte eine Minute. Diesmal werden immerhin fünf Azzurri in der mutmaßlichen Startaufstellung zu finden sein.