Neun Jahre lang, bevor Simone Inzaghi vor der Saison 2021/2022 zum Trainer von Inter Mailand bestellt wurde, haben die Nerazzurri die Gruppenphase der Champions League nicht überstanden – falls sie in dieser gestanden sind. "Dass mich die Verantwortlichen gebeten haben, Inter wieder in die K.o.-Phase zu führen", war dem Trainer von Inter Mailand nach dem souveränen Einzug ins Champions-League-Finale durch den Kopf gegangen.
Inzaghi hat die Aufgabe auch im Vorjahr erfüllt – im Achtelfinale gegen Liverpool aber trotz Heimsieges den Kürzeren gezogen. Schon das hat man Inter damals nicht zugetraut – trotz Meistertitel in der Saison 2020/2021. Achraf Hakimi hat den Verein zu PSG verlassen, Romelu Lukaku verließ Inter zu Chelsea – zwei Leistungsträger waren weg. Es war notwendig, Inter pleite. Die Transfererlöse und fast 300-Millionen-Euro-Finanzspritze vom Oakland Capital Management reichten nicht. Klub-Präsident Steven Zhang erschien am Trainingsgelände, fragte die Spieler, ob sie aufgrund der Coronapandemie bereit wären, auf Teile ihres Gehalts zu verzichten. Niemand hat damit gerechnet, dass Inter zwei Jahre später im Finale der Champions League steht. Und auch vor dieser Spielzeit haben mit Ivan Perišić und Paulo Dybala wichtige Spieler den Verein verlassen.
Trotzdem: Inzaghi hat geschafft, woran seine Vorgänger Antonio Conte und Luciano Spaletti scheiterten. Und dann ausgerechnet gegen die Stadtrivalen vom AC Milan, nachdem die Rossoneri in der Vorsaison den Meistertitel in der Serie A fixiert haben – zwei Punkte vor Inter Mailand. Von fünf Stadt-Derbys in der laufenden Saison hat Inter aber vier für sich entschieden. "Wir fahren nach Istanbul, ihr Sch*****", stand auf einem Transparent geschrieben, das Inter-Fans im Halbfinal-Rückspiel präsentierten. Das Schimpfwort in rot-schwarzen Buchstaben. Der Einzug ins Finale war eine klare Angelegenheit, der 1:0-Sieg der Schwarz-Blauen nie gefährdet.
In Istanbul bestreitet Inter sein sechstes Endspiel in der Champions League oder dem Meisterpokal - dreimal durften in Nerazzurri bereits jubeln. 1964 in Wien gegen Real Madrid, 1965 zu Hause gegen Benfica und 2010 in Madrid gegen Bayern München. Egal, wie das Endspiel in Istanbul ausgeht: Inter konnte sich (finanziell) konsolidieren. Der Verein hat mehr als 100 Millionen Euro eingenommen. Durchaus angenehm: 13 Spielerverträge laufen im Sommer aus – jetzt kann Inter Leistungsträger wie Hakan Calhanoglu oder Henrikh Mkhitaryan halten. Und auch eine neuerliche Leihe von Chelsea-Stürmer Romelu Lukaku scheint wieder möglich – es sei denn, Chelsea braucht den Belgier selbst.