Real Madrid hat das Beste offenbar für die Champions League aufgehoben. In der spanischen Liga, dem FC Barcelona hinterherhechelnd, bot der regierende Titelträger in der Königsklasse wieder eine Gala-Vorstellung. Staunende Zuschauer waren am Dienstagabend der Liverpool FC und das Publikum an der Anfield Road. 5:2 siegte Real im Achtelfinale-Hinspiel nach einem 0:2-Rückstand nach nicht einmal 15 Minuten. Die Neuauflage des Vorjahres-Finales war am Ende eine klare Sache.
"Wir haben noch an uns geglaubt, aber so zurückzukommen, ist einfach verrückt", sagte Reals Innenverteidiger Antonio Rüdiger. Darwin Núñez (4.) per Fersler und Mohamed Salah (14.) hatten die Hausherren in Führung gebracht – Vinicius Junior (21., 36.), Eder Militao (47.) und Karim Benzema (55., 67.) ebenfalls per Doppelpack sorgten für ein Spektakel. David Alaba musste bei den Madrilenen beim Stand von 1:2 nach einer knappen halben Stunde vom Feld. Österreichs Fußball-Star zog sich bei einer Abwehraktion offenbar eine Muskelverletzung im Oberschenkel zu.
Via Social Media meldete sich Alaba nach Schlusspfiff mit einer kleinen Warnung zu Wort. "Die Arbeit ist noch nicht beendet", schrieb der Verteidiger. Am 15. März scheint im Estadio Bernabeu aber alles angerichtet. Liverpool-Trainer Jürgen Klopp will die Hoffnung nicht aufgeben. "Wir fahren dahin, das kann ich jetzt schon sagen, und werden versuchen, das Spiel zu gewinnen. Ob das möglich ist oder nicht, das weiß ich nicht", betonte der Deutsche. Er sah vor allem defensiv nicht auf Augenhöhe agierende Hausherren.
Benzema, aber vor allem Vinicius Jr. wirbelten Liverpools Abwehr durcheinander. Sie sorgten für ein Novum. Fünf Gegentreffer an einem Europacup-Abend hatte Liverpool in einem Heimspiel noch nie kassiert. Bei den in der Premier League nach missglücktem Saisonstart wieder auf Schlagdistanz zu den Champions-League-Startplätzen vorgerückten "Reds" ortete Klub-Legende Steven Gerrard einen "Realitätscheck". "Bei jedem Team, das fünf Tore zulässt, müssen Dinge hinterfragt werden", urteilte der 42-Jährige. Sein langjähriger Mitspieler Jamie Carragher sprach mit Verweis auf die Defensive von einem "absoluten Scherbenhaufen".
Englands Presse ging mit den Verlierern, wie zu erwarten war, hart ins Gericht. "Als sich eine Nacht der Geschichte und der Komödie in Erniedrigung und Schrecken verwandelte, konnte Jürgen Klopp nur noch die Trümmer seines Anfield-Imperiums betrachten", schrieb das Boulevardblatt "The Sun". Die "Daily Mail" meinte: "Anfield ist ein Ort, an dem anderen Teams eine Aufholjagd gelingt, aber nicht Liverpool. Anfield ist eigentlich, besonders in Champions-League-Nächten, ein Ort, in dem Liverpool die Träume seiner Gegner zerstört, nicht andersherum."
Während Liverpool vor dem Aus steht, machte Real dem Ruf als "Comeback-Könige" wieder alle Ehre. Nach dem gravierenden Patzer von Tormann Thibaut Courtois bei Salahs Treffer hätten manche wohl den Kopf in den Sand gesteckt. Wie gegen Manchester City, Paris Saint-Germain und Chelsea auf dem Weg zum Titel im Vorjahr gelang jedoch wieder eine Wende. Trainer Carlo Ancelotti war klar, dass sein Team aus der Vergangenheit Kraft ziehen konnte. An ein solches Kunststück habe aber auch er nicht gedacht, verriet er nach der Partie.
"Als wir 0:2 zurück waren, dachte ich an das Auswärtsspiel bei City (3:4 nach schnellem 0:2, Anm.) im Vorjahr und hoffte auf Ähnliches. Aber es ist noch besser geworden", frohlockte der Italiener. Seine Mannschaft habe nie die Zuversicht verloren. "Die erfahrenen Spieler haben den Jungen sehr geholfen. Karim, Modric und Kroos haben gesagt: 'Bleiben wir ruhig, es ist noch viel Zeit'. Und es hat am Ende geklappt", meinte Ancelotti.
Sonderlob durfte der Altmeister für einen seiner Jüngsten verteilen. "Vinicius ist der Spieler im Weltfußball, der den größten Unterschied ausmacht. Es gibt keinen anderen, der so kontinuierlich Handlungen setzt", sagte Ancelotti über den 22-jährigen Brasilianer. Der Angreifer, der in Spanien aufgrund seiner expressiven Art auf dem Spielfeld polarisiert, schoss Real schon im Endspiel 2022 gegen Liverpool (1:0) zum Titel. Vinicius ist in dieser Saison statistisch gesehen jener Spieler mit den meisten Schüssen Richtung (28) und auf das Tor (15) in der Champions League. Er ist auch der am meisten gefoulte Profi in Europas fünf Top-Ligen.