Graham Potter wähnte sich wohl im falschen Film. Seine Mannschaft, der große FC Chelsea, dominierte gegen den FC Salzburg. Der Ball lief, der Gegner auch; meist hinterher. Und als Raheem Sterling in Minute 48 endlich den Bann gebrochen hatte, da rechnete man an der Stamford Bridge wohl damit, dass alle Dämme brechen würden. Damit, dass der Einstand für Potter bei seinem neuen Klub ein schöner werden würde. Doch es kam anders: Noah Okafor traf zum Ausgleich (75.) – und der Rest war purer Kampf. Eine Abwehrschlacht im Fußball wie im Bilderbuch, der mit einem "blauen Wunder" für Salzburg endete: mit einem Punkt beim FC Chelsea.
Dabei war der Anfang des Spiels für die Salzburger wieder mit einem Schock verbunden; Stürmer Fernando verletzte sich, Benjamin Sesko kam ins Team, das abermals auch auf eine neue Innenverteidigung setzen musste. Und Chelsea, das merkten die Salzburger bald, war offenbar dann doch noch ein anderes Kaliber als der AC Milan. "Man hat gesehen, dass die noch einmal Qualität mehr haben, noch mehr als Milan. Wenn wir versucht haben zu pressen, dann haben sie rauskombiniert", sagte auch Kapitän Andreas Ulmer. Aber, und das sagte er auch: "Wir haben vor dem Tor gut verteidigt, das war ausschlaggebend."
Okafor: "Es hat sich ausgezahlt"
Es war der aufopferungsvolle Kampf, der so begeisterte. Der Beweis, dass die Salzburger nicht nur jagen, sondern auch stehen können. Wie ein Wall, eine Abwehrmauer. "Es war ein schwieriges Spiel, aber schlussendlich war es eine gute Mannschaftsleistung. Wir haben gekämpft bis zum Gehtnichtmehr. Es hat sich ausgezahlt und ich bin glücklich, dass ich dem Team mit meinem Tor helfen konnte. Den Punkt nehmen wir mit und geben weiterhin Gas."
Die Atmosphäre an der Stamford Bridge vor knapp 39.000 Fans, die sei "hervorragend" gewesen: "Es war laut, Stimmung. Klar waren mehr Chelsea-Fans hier." Und sonst? Wirkte Okafor, obwohl er auch im zweiten Champions-League-Spiel getroffen hatte, sehr "grounded", wie man in England sagen würde. Am Boden geblieben. "Jetzt müssen wir erst einmal herunterfahren und uns erholen. Gut analysieren und weiterhin Gas geben. Ich habe gesagt: Wir können jeden Gegner ärgern und das haben wir hier getan."
Sportdirektor Freund: "Es hat Kontakt gegeben"
Und dann klärte auch noch Sportdirektor Christoph Freund auf, woher das Gerücht vor der Partie kam, er ginge zu Chelsea. "Weil wir Kontakt hatten, weil sich Chelsea für einen unserer Spieler, Benjamin Sesko, interessierte. Und da heben wir gesprochen, uns ausgetauscht. Das tut man aber mit anderen Vereinen auch. Es kam dann aber zu keinen folgenden Gesprächen. Erst hier, beim Official Dinner, haben wir uns wieder getroffen." Es sei eben nichts zustande gekommen, sagte Freund.
Was er noch weiß: In der Gruppe E bleibt es spannend. "Dieses Spiel ist ganz weit oben auf der Liste der Höhepunkte. Weil es mit so viel Leidenschaft, Energie, Herzblut passierte. Wir haben leiden müssen, aber alles auf den Platz gebracht", sagte Freund. Jetzt warten die laut Paierform leichteren Aufgaben; zwei Spiele gegen Zagreb. "Es wird spannend, wir freuen uns, aber der Oktober wird richtig intensiv." Was ihn positiv stimmt: "Zwei Punkte gegen Milan und Chelsea, das ist eine richtig gute Basis."
Zagreb, das sei ohnehin keine "g'mahte Wiesn", meinte Ulmer. Aber die Brust ist nach den beiden Unentschieden breiter geworden: "Die Chancen auf einen Dreier sind höher, wir können als Salzburg da schon den Anspruch haben und sagen: Zu Hause schlagen wir sie!"
Hochzufrieden war auch Matthias Jaissle, der aus dem Loben gar nicht herauskam: "Es ist schon etwas Besonderes, mit unserer jungen Mannschaft hier an der Stamford Bridge einen Punkt mitzunehmen. Mit unserer leidenschaftlichen Leistung bin ich sehr zufrieden. Wir dürfen nicht vergessen, wo wir herkommen. Wir kommen als klarer Außenseiter nach London. Wie wir verteidigt haben und auch versucht haben, Nadelstiche in der Offensive zu setzen. Einfach geil. Nach dem zweiten Spieltag interessiert mich die Tabelle noch nicht. Wir haben gegen zwei Weltklasseteams Punkte geholt. Das ist richtig cool."
Wie wahr!