Bis zu diesem Abend hatte Graham Potter noch nie ein Champions-League-Spiel live gesehen. Als Trainer sowieso nicht; das kommt auch selten vor, wenn man Klubs wie Swansea oder Östersund oder Brighton trainiert. Am Mittwoch aber feierte er sein Debüt als Chelsea-Trainer – und das gleich in der Meisterliga. Bestellt worden war er an dem Tag, an dem das Vereinigte Königreich seine scheinbar ewige Queen verloren hatte.
Potter – und man ist immer bemüht, alle Namensspiele mit Harry zu vermeiden – hatte so ein paar Tage Zeit, seinem Team seine „Magie“, seinen „Potterball“, einzuimpfen. Es schien lange von Erfolg gekrönt. Chelsea tat das, was man von der Papierform her von einer Mannschaft dieses Kalibers im Duell gegen den österreichischen Meister erwartet: Es machte Druck. Und wie. Und doch waren es letztlich die Salzburger, die wieder einmal verzauberten: (Fast) chancenlos, fast vom Tempofußball der Londoner erdrückt – und letztlich selbst mit einem 1:1-Unentschieden der große Sieger des Abends. Weil Noah Okafor, der schon zum Auftakt gegen Milan getroffen hatte, aus heiterem Himmel auch an der Stanford Bridge traf und so noch die Führung der „Blues“ durch Raheem Sterling (48.) ausglich – in der 75. Minute. So wurde es ein heroischer Punkt in einer unglaublichen Abwehrschlacht für die Salzburger, die damit in der Gruppe E vor Chelsea bleiben.
An und für sich ist es der Salzburger Stil, den Ball zu jagen. Den Gegner zu bedrängen, ihn in Fehler zu treiben. So gesehen war das Gastspiel der Salzburger bei Chelsea ungewöhnlich. Denn Salzburg jagte nicht; es igelte sich ein, gezwungenermaßen. Versuchte, dem Druck der Londoner standzuhalten, selbst nach einem weiteren Ausfall – beim Aufwärmen verletzte sich Stürmer Fernando, für ihn kam Benjamim Sesko in die Startelf. Und der Druck, der war groß. Chelsea, dessen neue Eigentümer 100 Tage nach der Übernahme Tuchel durch Potter ersetzt hatten, wollte zeigen, dass man besser ist, als es nach der Niederlage in Zagreb schien.
Man ließ den Ball laufen, entzog sich dem Salzburger Pressing. Angriff um Angriff rollte auf das Salzburger Tor. Doch: So richtig gefährlich wurde es nicht. Mount verfehlte mit einem Schuss (40.) das Tor um Zentimeter, auf der Gegenseite prüfte aber auch Sesko Goalie Kepa (41.). Auch nach dem Wechsel änderte sich wenig – abgesehen vom Tor durch Sterling, der eine „durchgerutschte“ Hereingabe in den Salzburger Strafraum aufnahm, verwertete. Doch Salzburg antwortete durch Okafor – und nach dem Spiel war es fast so ruhig in der Arena wie während der Trauerminute für die Queen. "Es war ein schwieriges Spiel, aber schlussendlich war es eine gute Mannschaftsleistung. Wir haben gekämpft bis zum Geht-Nicht-Mehr. Es hat sich ausgezahlt und ich bin glücklich, dass ich dem Team mit meinem Tor helfen konnte. Den Punkt nehmen wir mit und geben weiterhin Gas", resümierte der Torschütze der Salzburger.